Das Schicksal kennt keine Champions
Nachruf Kobe Bryant verlangte seinen Mitspielern viel ab – und sich selbst noch mehr. Er führte sein Team zu fünf Meisterschaften, wurde aber erst spät zum Teamplayer. Auch außerhalb des Spielfelds brauchte er Zeit, zu sich zu finden
Augsburg/Los Angeles Kobe Bryant. Ein Name. Eine Marke. Ein Ausnahmeathlet. Eine Legende.
Als der Tod des 41-jährigen ehemaligen Basketball-Stars am Sonntagabend mitteleuropäischer Zeit erstmals über die Nachrichten-Kanäle lief und sich in Windeseile wie eine Lawine über die sozialen Netzwerke verbreitete, war der Schockzustand in der gesamten BasketballWelt buchstäblich mit Händen zu greifen. Sein langjähriger NBAWeggefährte und Freund Dwyane Wade (Miami Heat), mit dem sich Bryant über 15 Jahre lang immer wieder packende Duelle geliefert hatte, war einer der Ersten, der über den Kurznachrichten-Dienst Twitter sein Entsetzen („Nooooooo! God please! No“) über die schreckliche Tragödie zum Ausdruck brachte.
Unzählige weitere (ehemalige) NBA-Stars wie Luca Doncic (Dallas Mavericks), Michael Jordan ( Chicago Bulls), Shaquille O’Neal oder Kareem Abdul-Jabbar (beide Los Angeles Lakers), Sportgrößen wie Tom Brady (Football/New England Patriots) und Usain Bolt (Leichtathletik) sowie die US-Präsidenten Barack Obama und Donald Trump bekundeten unmittelbar nach dem Bekanntwerden des tödlichen Hubschrauber-Absturzes
im kalifornischen Calbasas (westlich von Los Angeles), bei dem unter anderem auch Bryants 13-jährige Tochter Gianna starb, über die sozialen Medien ihr Mitleid.
Auch die NBA-Teams reagierten prompt. Bei der wenige Stunden später ausgetragenen Partie zwischen den Toronto Raptors und San Antonio Spurs ließen beide Teams bei ihrem jeweils ersten Angriff die sogenannte „24-Sekunden-Uhr“(so lange hat man im Basketball Zeit, um einen Angriff abzuschließen) ereignislos herunterlaufen – zu Ehren von Kobe Bryant, der bei seinen Los Angeles Lakers neben der Trikotnummer acht auch die „24“trug.
Doch wer ist dieser Mann, den Deutschlands Superstar Dirk Nowitzki bei dessen Abschied von der sportlichen Showbühne im Jahr 2016 mit den Worten „Talent, Leidenschaft, Hingabe, Killerinstinkt – er hatte einfach alles“, adelte und dessen plötzlicher Tod für eine regelrechte Schockstarre nicht nur in der weltweiten Basketball-Szene sorgte?
Am 23. August 1978 in Philadelphia als Sohn des ehemaligen NBASpielers Joe Bryant und Ex-Trainerin Pamela Cox geboren, zieht der kleine Kobe im Alter von sechs Jahren mit seiner Familie nach Italien, wo sein Vater als Basketball-Profi sein Geld verdient. In dieser Zeit lernt er fließend Italienisch und Spanisch und ist ein glühender Fan der Fußball-Mannschaft des AC Mailand. Seine große Liebe ist jedoch der Basketball. Als Bryant 1991 mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten zurückkehrt, nimmt seine Karriere endgültig Fahrt auf.
Fünf Jahre später wird der erst 17-Jährige „Shooting Guard“von den Charlotte Hornets in der ersten Runde des NBA-Drafts an 13. Stelle ausgewählt – und sofort im Tausch für Center Vlade Divac an die Los Angeles Lakers weitergereicht. Eine aus Hornets-Sicht haarsträubende Fehlentscheidung. In seiner dritten NBA-Saison schafft Bryant endgültig den Durchbruch. Das Privatleben Bryants aber wird von mehreren Skandalen und Skandälchen erschüttert. Im Jahr 2003 wird der Superstar von einer 19-jährigen Hotelangestellten verklagt. Der Vorwurf: Vergewaltigung. Bryant droht eine lebenslange Haftstrafe. Rund 24 Monate später lässt das angebliche Vergewaltigungsopfer die Klage fallen und einigt sich mit Bryant, der zu diesem Zeitpunkt bereits mit seiner Frau Vanessa verheiratet ist, auf eine finanzielle Entschädigung.
Auch in den darauffolgenden Jahren steht die Ehe wegen mehrerer Seitensprünge Bryants mehrfach vor dem Aus. Seine Ehefrau reicht 2011 sogar die Scheidung ein, um sie zwei Jahre später wieder zurückzuziehen. Laut Bryant habe sich das Paar, das 2019 die vierte gemeinsame Tochter zur Welt bringt (Capri), „durchgekämpft und gewonnen“.
Auf seine sportlichen Darbietungen haben die Schlagzeilen um sein Privatleben hingegen keinen Einfluss. Im Gegenteil. Noch vor der Jahrtausendwende folgt von zahlreichen Medien bereits zum ersten Mal der Vergleich, der ihn nicht nur bis zu seinem Karriereende, sondern auch darüber hinaus immer wieder begleitet: mit dem wohl besten Basketballer aller Zeiten, Michael „Air“Jordan. Beide sind von Ehrgeiz zerfressen. Beide fordern sowohl von sich als auch ihren Mitspielern nahezu Unmenschliches. Und für beide zählt letztlich nur knochenharte, stundenlange Arbeit auf und neben dem Court sowie der Erfolg.
Während Jordan mit seinen Chicago Bulls sechs Titelgewinne feierte und dabei die Zeit zwischen 1990 und 2000 in der NBA entscheidend prägte, sollte seinem Nachfolger der Beginn des neuen Jahrtausends gehören. Unter Trainer Phil Jackson, der zuvor als Bulls-Coach entscheidenden Anteil an der Erfolgsstory Michael Jordans hatte, war die „Black Mamba“(diesen Spitznamen gab sich Bryant selbst) nicht mehr zu stoppen. Fünf Meisterschaften mit den Los Angeles Lakers (2000, 2001, 2002, 2009, 2010), 18 Teilnahmen an NBA-Allstar-Games, sein unvergessliches 81-PunkteSpiel gegen die Toronto Raptors (22. Januar 2006), der Gewinn der beiden Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen 2008 und 2012 mit Team USA sowie 2008 die Ernennung zum „Most Valuable Player“der NBA ließen selbst Jordan regelrecht ins Schwärmen geraten: „Ich bin ein großer Fan von dir. Du hast der NBA und dem ganzen Sport geholfen.“
Nach Beendigung der Karriere setzt sich die Erfolgsgeschichte Bryants fort. 2018 gewinnt er den Oscar
Tod versetzt Basketball-Welt in eine Schockstarre
Ein letztes Lebenszeichen am späten Samstagabend
in der Kategorie „Bester Animations-Kurzfilm“für sein Werk „Dear Basketball“. Darin beschreibt er die Liebe zu seinem Sport in beeindruckender Art und Weise.
Sein letztes Lebenszeichen sendet Bryant am späten Samstagabend via Twitter in die Basketball-Welt. Es gilt jenem Mann, der seit über 15 Jahren in einem Atemzug mit ihm und Michael Jordan genannt wird und sich gerade anschickt, die Erfolgsgeschichte der L.A. Lakers fortzuschreiben: LeBron James. In der Partie bei den Philadelphia 76ers hatte James seinen 33 644. Karrierepunkt erzielt und war damit in der Rangliste der erfolgreichsten NBAWerfer an Kobe Bryant (33643) auf Platz drei vorbeigezogen. „Much respect my brother“, hatte Bryant daraufhin getwittert. Wenige Stunden später kamen er und seine acht Begleiter auf dem Weg zu einem Basketball-Spiel bei einem Hubschrauber-Absturz ums Leben. Darunter auch seine 13-jährige Tochter Gianna, die – so hatte es sich Bryant gewünscht – in seine Fußstapfen hätte treten sollen. Ein Traum, der seit dem schrecklichen Ereignis vom Sonntag unerfüllt bleiben wird.