Gedanken würden nur aufhalten
Tennis Alexander Zverev erreicht auf souveräne Art das Viertelfinale der Australian Open. Auch, weil er sich nach einem misslungenen Saisonstart das Hirn nicht zermarterte
Melbourne Alexander Zverev hat vor seiner Viertelfinal-Premiere bei den Australian Open noch lange nicht genug. Seine bisher eindrucksvollen Auftritte ohne einen Satzverlust will der deutsche Tennis-Hoffnungsträger am Mittwoch mit seinem ersten Einzug in ein GrandSlam-Halbfinale noch toppen. Anders als Angelique Kerber kann der 22-Jährige in den entscheidenden Tagen von Melbourne ein gewichtiges Wort mitreden.
Zverev fühlt sich auch für das Duell mit dem dreimaligen GrandSlam-Champion Stan Wawrinka gerüstet – und offenbar sogar für mehr. „Es sind nur die besten acht Spieler der Welt übrig. Ich denke, jeder der noch übrig ist, hat eine Chance“, sagte der Hamburger. „Ich bin erst im Viertelfinale. Es sind hoffentlich noch ein paar Matches vor mir, dann kann ich stolz sein. Ich freue mich darauf.“Voller Selbstvertrauen und Optimismus sowie mit nie erlebter Lockerheit tritt der WeltranglistenSiebte auf. Mit dem unerwartet klaren 6:4, 6:4, 6:4 überließ der Hamburger auch dem zuvor in dieser Saison noch unbesiegten Russen Andrej Rubljow am Montag in Melbourne nicht mal einen Satzgewinn. „Ich habe keinen Grund, nicht selbstbewusst zu sein“, sagte die deutsche Nummer eins.
Zverev fand respektvoll tröstende Worte für den gleichaltrigen Rubljow, einen Freund aus Kindertagen. „Unglaublich. Ich habe großartige Matches gegen großartige Gegner gespielt“, sagte er und erinnerte an die Unsicherheit nach seinem schwachen Saisonauftakt mit drei Niederlagen beim ATP Cupzum Jahresanfang.
Mit den erschreckend schwachen Spielen in Brisbane ist nichts mehr zu vergleichen. „Es ist besser und besser geworden. Ich hoffe, dass es so weitergeht“, erklärte der Gewinner der ATP-Finals von 2018 und zuckte bei der Frage, ob er sich mit seiner Leistung Down Under selbst überrasche, die Schultern: „Ich bin in das Turnier gegangen und habe nicht viel überlegt. Ich habe echt schlecht gespielt beim ATP Cup – und was soll ich da viel nachdenken oder überlegen.“
Gegen den zwölf Jahre älteren Stan Wawrinka ist ihm in dieser Form alles zuzutrauen, auch wenn der Schweizer seine Vita schon mit den Grand-Slam-Titeln von Melbourne, den US Open und den French Open schmücken konnte und im Achtelfinale in fünf Sätzen den russischen US-Open-Finalisten Daniil Medwedew aus dem Turnier warf. „Er hat gezeigt, warum er ein Grand-Slam-Champion ist“, warnte Die bisherige Bilanz schaut mit 2:0 für den jungen Hamburger allerdings gut aus.
Nur in Paris bei den French Open hatte Zverev bislang zweimal ein Grand-Slam-Viertelfinale erreicht, auf seinen Wegen dahin aber einmal fünf und einmal sechs Sätze abgegeben. Diesmal ist so vieles anders. „Unglaublich ruhig und gefestigt“ wirke Zverev, lobte Tennis-Ikone Boris Becker den 1,98 Meter großen Schlaks.
Die Hoffnungen der Kielerin Kerber auf ihren ersten Viertelfinaleinzug bei einem Grand-Slam-Turnier seit Wimbledon 2018 blieben hingegen unerfüllt. Sie hatte der Russin Anastassija Pawljutschenkowa am Ende nicht mehr genug entZverev. gegenzusetzen. Mit gesenktem Kopf warf sich die 32-Jährige nach dem 7:6 (7:5), 6:7 (4:7), 2:6 das Handtuch über die Schultern und trottete enttäuscht vom Court.
Pawljutschenkowa, 2011 die Nummer 13 der Welt, entpuppte sich als eine Gegnerin der anderen Klasse als Kerbers vorherige drei Kontrahentinnen, von denen keine unter den ersten 100 geführt wird. „Aber klar“seien ihre Erwartungen andere. „Ich weiß, was ich kann und dass ich jede schlagen kann“, sagte sie – mit der Einschränkung, wenn sie fit sei. Ihre Oberschenkelprobleme habe sie gegen Pawljutschenkowa wieder „intensiver gemerkt“, erklärte die ehemalige Nummer eins der Welt, wollte die Schmerzen aber nicht als Ausrede gelten lassen. „Ich war nicht mehr in der Lage, das zu spielen, was ich am Anfang gespielt habe“, sagte sie. Becker urteilte: „Bitte nicht den Kopf hängen lassen, das war absolut in Ordnung.“Die deutsche Damentennis-Chefin Barbara Rittner bescheinigte der Weltranglisten-18. via Twitter sogar ein Weltklassematch mit Herz. „...darauf lässt sich wirklich aufbauen!!“, schrieb Rittner.