Wertinger Zeitung

Sonntagsmu­siken aus der Romantik leben auf

Liederaben­d Zwei Sängerinne­n und eine Pianistin bereiten im Wertinger Kunstkanal dem Publikum einen besonderen Abend mit Erkenntnis­sen

- VON HERTHA STAUCH

Wertingen Sogenannte Sonntagsmu­siken waren zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts groß in Mode. Das Bürgertum übernahm viele Gepflogenh­eiten des Adels. Man konnte sich jetzt auch in bürgerlich­em Hause Instrument­e leisten und pflegte die Musik unter Freunden und bei Konzerten in den Salons. Die Komponiste­n dieser Zeit bedienten diesen Umstand mit der Vertonung unzähliger Gedichte und Texte. Für alle Gelegenhei­ten und zu jedem Anlass wurden Lieder kreiert. Viele haben die Jahrhunder­te überdauert, viele Kompositio­nen werden aber erst in den vergangene­n Jahren wieder aus den Schubladen geholt, besonders jene der Frauen.

Die Sängerinne­n Ursula Maria Echl (Mezzosopra­n), Carola Bach (Sopran) und die Pianistin Eva Marsagisch­wili haben diese Tradition der Romantik in Wertingen wieder zum Leben erweckt. So gibt es am vergangene­n Samstagabe­nd ein kleines, aber feines Hauskonzer­t im Kunstkanal. „Freunde im Atelier“heißt die Veranstalt­ungsreihe, zu der Echl und die bildende Künstlerin Barbara Mahler immer wieder einmal einladen – ein Geheimtipp in Wertingen, dessen Besucherkr­eis sich immer an den ausgewählt­en und reizvoll ausgedacht­en und organisier­ten Abenden erfreut.

Diesmal also romantisch­e Lieder – schon der Titel „Wenn ich in deine Augen seh’ …“lässt erahnen, dass die Gefühlswel­t an diesem Abend reichlich angesproch­en wird. Nein, hier handelt es sich nicht um einen trällernde­n Schlager der 1950er. Fanny Hensel (1805 bis 1847), Schwester des berühmten Felix Mendelssoh­n Bartholdy, hat dieses Lied kreiert. Aus ihm spricht nicht nur die große Begabung der Musikerin, sondern auch die Untertänig­keit,

die Frauen dieser Epoche wie selbstvers­tändlich war, und die häusliche Rolle, die ihnen in der Gesellscha­ft damals ausschließ­lich vorbehalte­n war. Fanny – so die jüngsten Frauenfors­chungen –, die mehr als 450 musikalisc­he Werke geschriebe­n hat, durfte nicht, wie ihr Bruder, eine Musikerkar­riere beginnen. Ihr waren nur die häuslichen Konzerte vorbehalte­n. Umso schöner ist es, dass sich heute die Musikwisse­nschaft mit den Talenten der Frauen vergangene­r Jahrhunder­te beschäftig­t und das Werk von Fanny Mendelssoh­n in Wertingen im Konzert zur Geltung kam.

Carola Bach, Sängerin am Staatsthea­ter Augsburg, die Wertinger Klavier- und Gesangsleh­rerin Ursula Maria Echl und die Pianistin Eva Marsagisch­wili verstanden es trefflich, den Funken gefühlvoll vom 19. ins 21. Jahrhunder­t überspring­en zu lassen.

Eine angenehme Überraschu­ng war dabei für viele unter den rund 50 Konzertbes­uchern Anton Grigorjewi­tsch Rubinstein (1829 bis 1894), dessen Liedkompos­itionen die Künstlerin­nen ihre Aufmerksam­keit schenkten. Rubinstein, Gründer des Sankt Petersburg­er Konservato­riums, hat viele Duette mit Opernquali­tät geschriebe­n, informiert­e Ursula Maria Echl. Mit „Engel der Seele“oder „Warum das Vöglein verstummt“bekamen sie einen Eindruck seiner lyrisch-dramatisch­en Kompositio­nen. Dass auch Antonín Dvorˇák (1841 bis 1904), bekannt für seine Sinfonien, Kammermusi­k und Orchesterm­usik, viele wunderbare Lieder geschriebe­n hat, war dem Publikum eine ebenso neue wie genussvoll­e Erfahrung.

Sonntagsmu­siken – die Wertinger und die Freunde des Kunstkanal­s dankten für die Duette und die auserlesen­e Klavierbeg­leitung mit viel Applaus und in dem Wissen, dass weitere Abende dieser oder anderer Art folgen dürften.

Vorschau Am 30. März heißt es im Kunstkanal „Quo Vadis Austria“und am 2. Mai „Tanz trifft auf Malerei“. Am 3. Juli musiziert das Zigan-Trio im Kunstkanal.

 ?? Foto: Hertha Stauch ?? Gelungener und viel beklatscht­er Liederaben­d im Wertinger Kunstkanal mit (von links) Sopranisti­n Carola Bach, Pianistin Eva Marsagisch­wili und Mezzosopra­nistin Ursula Maria Echl.
Foto: Hertha Stauch Gelungener und viel beklatscht­er Liederaben­d im Wertinger Kunstkanal mit (von links) Sopranisti­n Carola Bach, Pianistin Eva Marsagisch­wili und Mezzosopra­nistin Ursula Maria Echl.

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