Coronavirus erreicht Bayern
Medizin Vier Menschen erkranken an dem neuartigen Lungenleiden. Sie alle arbeiten bei derselben Firma im Kreis Starnberg. Wie die Behörden darauf reagieren
München/Landsberg Das Coronavirus, dem in China bereits mehr als 100 Menschen zum Opfer gefallen sind, hat Bayern erreicht. Bis zum späten Dienstagabend waren dem Gesundheitsministerium in München vier Fälle bekannt. Alle vier arbeiten demnach bei der Firma Webasto in Stockdorf (Landkreis Starnberg) und werden im Münchner Klinikum Schwabing medizinisch überwacht und isoliert. Bisher gibt es nur zu einem der Erkrankten genauere Angaben. Über die drei erst am Abend bekannt gewordenen Fälle will das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Lauf des Mittwochs Einzelheiten berichten.
Der 33-jährige Familienvater aus Kaufering im Landkreis Landsberg gilt als weltweit erster Mensch, der sich außerhalb Chinas angesteckt hat. „Es geht ihm recht gut“, teilte der Präsident des LGL, Andreas Zapf, am Dienstag in München mit. Sorgen bereitet den Behörden aber der Umstand, dass der Mann sich offenbar durch Kontakt mit einer
Frau angesteckt hat, die selbst noch keinerlei Symptome einer Erkrankung gezeigt hatte.
Als Überträgerin der Infektionskrankheit gilt eine Kollegin aus Schanghai, die sich vom 19. bis 21. Januar am Arbeitsplatz des Mannes bei der Firma Webasto aufhielt. Die Frau sei zu Schulungszwecken hier gewesen. Sie hatte, wie die Behörden mittlerweile rekonstruieren konnten, zuvor in Schanghai Besuch von ihren Eltern gehabt, die aus der vom Coronavirus besonders betroffenen chinesischen Region Wuhan stammen. Während ihres Aufenthalts in Stockdorf habe die Chinesin keine Krankheitssymptome gezeigt. Sie sei erst auf der Heimreise krank geworden.
Aufgrund dieser Nachricht aus China habe sich am Montag auch der 33-jährige aus Landsberg, der vergangene Woche in einer kleinen Gruppe mit der Chinesin gearbeitet hatte, ärztlich untersuchen lassen. Er war am Wochenende erkrankt, hatte sich aber bereits am Montag wieder fit genug gefühlt, um zur Arbeit zu gehen. Ob auch die anderen drei kranken Webasto-Mitarbeiter mit der Frau Kontakt hatten, ist bisher nicht öffentlich geworden.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des ersten bayerischen Falles hat die „Task-Force Infektiologie“unter Leitung von Martin Hoch ihre Arbeit aufgenommen. Man habe aufgrund der Entwicklung in China, so sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml, bereits vergangene Woche alle Einsatzpläne und mögliche Maßnahmen durchgesprochen.
Rund 40 Kontaktpersonen des Mannes waren den Behörden bekannt. Sie sollten nach und nach überprüft werden. Bisher gibt es keine Mitteilung dazu, ob die drei weiteren Kranken aufgrund dieser Maßnahme ausfindig gemacht wurden. Personen, die besonders engen Kontakt zu Betroffenen hatten, sind Zapf zufolge aufgerufen, vorerst zu Hause zu bleiben. Das gilt insbesondere für die Familie des erkrankten Mannes. „Weder die Frau noch das Kind des Patienten sind bisher erkrankt“, sagte dazu am Dienstag ein Sprecher des Landratsamtes in Landsberg. Sie seien aber im häuslichen Umfeld isoliert.
Die Firma Webasto teilte am späten Dienstagabend mit, ihre Zentrale in Stockdorf bis Sonntag komplett zu schließen. Zudem wurden alle Reisen von und nach China für zwei Wochen abgesagt. Das Unternehmen ist ein großer Zulieferer für die Autoindustrie mit 13400 Mitarbeitern. In China gibt es zwölf Standorte von Webasto.
Auch die Behörden sorgen weiter vor. Am Flughafen München seien Schilder aufgestellt, die Flugreisende aus China in mehreren Sprachen über die Symptome informieren und darüber, wie man sich im Verdachtsfall zu verhalten habe. Einzelne Länder beginnen zudem, die Einreise von Chinesen zu beschränken. Hongkong will seine Grenze zur Volksrepublik weitgehend dichtmachen: Alle Zug- und Fährverbindungen werden von Donnerstag um Mitternacht an gekappt.
Unklarheit herrscht weiterhin darüber, ob das Coronavirus gefährlicher ist als eine normale Grippe. Im Jahresdurchschnitt, so hieß es bei der Pressekonferenz, sterben in Deutschland etwa 20000 Menschen an Grippe.