Der Gegenschlag zweier Angeschlagenen
Initiative Trump und Netanjahu legen einen Friedensplan vor. Sie machen ihre Rechnung ohne einen wichtigen Beteiligten
Washington Um „Frieden im Nahen Osten“soll es in Washington gehen, sagt Donald Trump, also um ein historisches Ziel. Der US-Präsident hat dafür prominente Gäste aus Israel eingeladen: Erst empfängt er am Montag Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Weißen Haus. 90 Minuten später steht ein separates Treffen mit Netanjahus Herausforderer Benny Gantz auf Trumps Programm. Beiden will der Präsident seinen lange angekündigten NahostPlan erläutern, bevor er ihn gemeinsam mit Netanjahu am frühen Abend unserer Zeit der Weltöffentlichkeit präsentiert. Bezeichnend, wer in Washington nicht vertreten ist: die Palästinenser.
Israelische Medien haben kurz zuvor schon über angebliche Inhalte berichtet. Danach sieht Trumps Plan unter anderem die Annektierung israelischer Siedlungen im Westjordanland sowie des Jordantals vor – Israel würde also große Teile des Westjordanlands seinem Staatsgebiet einverleiben. Andere Gebiete sollen den Berichten zufolge an die Palästinenser gehen. Jerusalem solle unter israelischer Kontrolle bleiben, mit einer symbolischen palästinensischen Präsenz. Schon vor seinem Treffen mit Trump spricht Netanjahu im Weißen Haus vom „Deal des Jahrhunderts“, der „die Gelegenheit des Jahrhunderts“sei – eine solche Chance werde man sich nicht entgehen lassen.
Trump, sonst in eigenen Belangen Berufsoptimist, gibt sich vorab nicht ganz so enthusiastisch. Wenn der Plan sich durchsetze, dann „wäre das großartig“, sagt er. „Und wenn nicht, dann können wir auch damit leben.“Er glaube, dass die Palästinenser ihre Blockadehaltung aufgeben würden – schließlich sei der Plan „überaus gut“für sie. Sollte das allerdings nicht geschehen, „geht das Leben weiter“.
Trump hat zuletzt mit Handelsabkommen gepunktet. Ein Erfolg in den großen außenpolitischen Konflikten, den er etwa in Nordkorea, Afghanistan oder Venezuela anstrebt, steht weiter aus. Der Präsident will sich im November im Amt bestätigen lassen, im Wahlkampf wirbt er mit seiner Israel-Politik. Nicht zuletzt setzt er mit dem Nahost-Plan einen Kontrapunkt zum Amtsenthebungsverfahren gegen ihn selbst. Sollte Trump allerdings davon ablenken wollen, hat das bislang kaum funktioniert: Zumindest am Montag beherrscht – wie derzeit jeden Tag – das Impeachment die Schlagzeilen in den USA.
Deutliche Kritik am Zeitpunkt der Veröffentlichung von Trumps Plan nur gut einen Monat vor einer entscheidenden Parlamentswahl in Israel am 2. März kommt von der Opposition. Dieses Timing sei „sehr verdächtig“, sagt Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman.
Der Plan könnte sich in der Tat als wichtige Schützenhilfe für Netanjahu erweisen, der intern enorm unter Druck steht und politisch stark angeschlagen ist. Der 70-Jährige ist im vergangenen Jahr zweimal beim Versuch einer Regierungsbildung
gescheitert. Am Dienstag ist beim Bezirksgericht Jerusalem die Anklageschrift gegen ihn eingereicht worden. Der Vorwurf: Korruption. Angesichts seiner bekannten Nähe zu Trump gebe es weitverbreitete Spekulationen, dass Netanjahu um das Treffen gebeten hat, um von dem Verfahren abzulenken, meint das pro-israelische Washington Institute. Netanjahu könnte Trumps pro-israelischen Plan seinen Wählern als großen außenpolitischen Erfolg verkaufen.
Der Likud-Chef muss sich allerdings auch auf Widerstand vonseiten seiner eigenen Koalitionspartner einstellen. Weitere Landnahme im Westjordanland ist zwar Teil ihres Programms, Netanjahus rechte Verbündete lehnen jedoch Konzessionen an die Palästinenser ab. „Wir werden es nicht zulassen, dass den Arabern Land abgetreten wird“, sagte die ultrarechte Ex-Justizministerin Ajelet Schaked. Sie warnt, die Einrichtung eines Palästinenserstaates sei „gefährlich für Israel“.
Der palästinensische Chefunterhändler
Palästinenser sprechen von Betrug des Jahrhunderts
Saeb Erekat kritisiert: „Präsident Trump versucht, Frieden zwischen Netanjahu und Gantz zu erzielen, damit die drei gemeinsam den Palästinensern ein ApartheidRegime aufzwingen können.“Er bezeichnet Trumps Plan noch vor dessen Veröffentlichung als „Betrug des Jahrhunderts“. Sollte Netanjahu tatsächlich mit der Annektierung palästinensischer Gebiete beginnen, „würde das Israels Rückzug von den Oslo-Abkommen und den unterzeichneten Friedensverträgen bedeuten“, warnt Erekat.