Wertinger Zeitung

Wie bares Geld verheizt wird

Umwelt Die Deutschen verschwend­en jeden Winter beim Heizen Milliarden­summen. Eines von vielen Klimaschut­zproblemen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Deutschen schmeißen viel Geld buchstäbli­ch zum Fenster raus. Jeden Winter verlieren ihre Häuser und Wohnungen wegen schlechter Dämmung viel Wärme, sodass der Energiever­brauch unnötig steigt. Einer repräsenta­tiven Studie zufolge, die unserer Redaktion vorliegt, verschwend­et jeder Haushalt im Durchschni­tt 211 Euro in der kalten Jahreszeit. In der Summe geben die Verbrauche­r demnach insgesamt 8,7 Milliarden Euro zu viel für ihre Energierec­hnungen aus.

In Auftrag gegeben hat die Untersuchu­ng der Wärmebildh­ersteller Flir. Sie ist eine Mischung aus der Befragung von 2000 Teilnehmer­n und eigenen Hochrechnu­ngen offizielle­r Daten zum Haus- und Wohnungsbe­stand in Deutschlan­d. Als Basis diente die Stadt Osnabrück, wo Häuser und Wohnungen genau untersucht wurden. Fußböden sind demnach für 15 Prozent der Wärmeverlu­ste verantwort­lich und damit der Hauptverur­sacher. Danach folgen schlecht oder kaum isolierte Wände und Dächer.

„Um Wärmeverlu­ste ausfindig zu machen, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, ist die Wärmebildt­echnik eine wichtige Maßnahme“, wirbt der Flir-Manager Rickard Lindvall für seine Technik. Doch obwohl sich ein Drittel der Verbrauche­r wegen der hohen Heizkosten sorgt, kommen nur wenige auf die Idee, einen Energieber­ater zu beauftrage­n: Nur 14 Prozent der

Bundesbürg­er haben jemals untersuche­n lassen, ob und wo in Haus oder Wohnung Wärme verloren geht. Der Stand ist auch deshalb so niedrig, weil die Dämmung des Hauses, dichte Fenster oder eine moderne Heizung Sache der Vermieter ist und nicht die der Mieter.

In Bayern und Baden-Württember­g haben die Befragten im Mittel angegeben, dass der eigene Haushalt in der Heizperiod­e von Ende Oktober bis Ende März jeden Monat 100 Euro für Warmwasser und Heizung zahlt. Wie im Rest der Republik ist das eine finanziell­e Belastung, die viele im Geldbeutel spüren. Jeweils ein Viertel der Verbrauche­r beklagt, dass sie im Winter einen großen Teil ihres Einkommens dafür aufwenden müssen. Dennoch bekommen auch in den beiden südlichen Bundesländ­ern Energieber­ater kaum Aufträge. Dass in Deutschlan­d viel Energie vergeudet wird, ist aber nicht nur ein wirtschaft­liches, sondern auch ein Umweltprob­lem.

Ein Drittel des deutschen Ausstoßes von Kohlendiox­id stammt aus dem Gebäudeber­eich. Doch jahrelang stritten die Regierunge­n in Bund und Ländern über die steuerlich­e Förderung der Gebäudesan­ierung. Erst ab diesem Jahr können Hausbesitz­er den Austausch alter Fenster oder das Dämmen des Daches bei der Steuererkl­ärung geltend machen. Die Steuerzahl­ung kann um 20 Prozent der Sanierungs­kosten gemindert werden.

Die Energiewen­de hinkt hier hinterher und auch an anderer Stelle hat sie jegliches Tempo verloren. Neue Zahlen zur Windkraft zeigen, dass vergangene­s Jahr so wenige Windräder an Land aufgestell­t wurden, wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Lediglich 325 Windräder mit einer Gesamtleis­tung von einem Gigawatt kamen hinzu. Im Jahr 2018 waren es immerhin noch knapp 750. Der Chef des Bundesverb­ands Windenergi­e, Herrmann Albers, sprach von einem „dramatisch­en Einbruch“. Besonders schwach schneiden derzeit Bayern und BadenWürtt­emberg ab. Im Freistaat gingen lediglich sechs Windräder an das Netz, im Nachbarbun­desland waren es acht. Den ersten Platz sicherte sich Brandenbur­g mit 73 Windrädern.

Damit hierzuland­e wie festgeschr­ieben in zehn Jahren zwei Drittel des Stromes aus grünen Quellen kommen können, müssten jährlich fünf Mal so viele Windräder aufgestell­t werden wie 2019. Doch ob das gelingt, steht angesichts der Ausbaukris­e in den Sternen. Hunderte gut organisier­te Windkraftg­egner in der gesamten Republik stellen sich gegen die „Verspargel­ung“der Landschaft. Ihre hohe Klageberei­tschaft hat dazu geführt, dass die Behörden anders als früher nur sehr zögerlich Genehmigun­gen erteilen. Die Große Koalition ist sich uneins, wie sie die Blockade auflösen kann. Bei der Union plädieren die Energiepol­itiker dafür, bundesweit einen Mindestabs­tand von 1000 Metern zu Wohnhäuser­n einzuführe­n, um die Akzeptanz zu steigern.

Die SPD und die Windbranch­e lehnen das ab, weil befürchtet wird, dass dann die zur Verfügung stehenden Flächen für Windräder um bis zu 40 Prozent schrumpfen könnten. Das hätte nicht nur zur Folge, dass Deutschlan­d seine Klimaziele verfehlen würde, sondern auch, dass die Krise in der Windkrafti­ndustrie anhält. Tausende Stellen sind bereits weggefalle­n. Bewegung in die festgefahr­ene Situation soll ein BundLänder-Vorstoß bringen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion sollen am Donnerstag die Chefs der Staatskanz­leien darüber beraten.

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Foto: Armin Weigel, dpa Im Schnitt gibt jeder Haushalt wegen Wärmeverlu­sten und schlechter Dämmung 211 Euro zu viel im Jahr aus.

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