Union setzt SPD-Minister unter Druck
Koalition Der Streit um die Grundrente tobt. Scheitern die Pläne von Heil und Scholz?
Berlin Die geplante Einführung der Grundrente im Januar 2021 steht weiter auf der Kippe. Spitzenpolitiker von CDU und CSU bekannten sich am Dienstag zwar grundsätzlich zu dem Projekt, forderten aber von der SPD massive Nachbesserungen am Gesetzentwurf. Eine Verschiebung des Starttermins wurde nicht ausgeschlossen. Am Wochenende hatte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß, im Gespräch mit unserer Redaktion angeregt, die Einführung der Grundrente notfalls auf den Juli zu verschieben und damit ein lautes Echo ausgelöst.
Die Union hat zwei Hauptkritikpunkte und zwei SPD-Minister im Visier. CDU und CSU bestehen zum einen auf eine seriöse Finanzierung – da ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz gefordert. Und die Union will unbedingt, dass eine Einkommensprüfung (früher Bedürftigkeitsprüfung) vorgeschaltet ist. Da wiederum kommt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ins Spiel, dessen Ministerium bei der Grundrente federführend ist. Da Finanzierung wie Prüfung aus Sicht des großen Koalitionspartners nicht vernünftig geregelt sind, musste Heil die für Januar vorgesehene Kabinettsbefassung auf Februar verschieben.
„Wir wollen die Grundrente, auch wenn da häufig etwas anderes verlautbart“, beteuerte am Dienstag Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer. Der CDUPolitiker verwies auf den Koalitionsausschuss vom 10. November, bei dem sich beide Seiten auf einen Grundrenten-Kompromiss geeinigt hätten. „Das war klug. Und jetzt gibt es keinen Kompromiss zum Kompromiss“, betonte Grosse-Brömer und forderte: „Scholz und Heil müssen jetzt einen deutlich verbesserten Gesetzentwurf vorlegen.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt monierte, Heils Modell entspreche „nicht exakt dem, was wir in langen Verhandlungsrunden vereinbart haben“. Er fühle sich in seiner Einschätzung bestätigt, „dass die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsminister sehr mühsam ist“, legte er nach.
Das Kernproblem bei der Finanzierung
ist das Versprechen von Scholz, die Einnahmen aus einer europäischen Finanztransaktionssteuer dafür verwenden zu können. Die Steuer gibt es aber noch nicht, sie ist bislang auch auf nur zehn willige EU-Mitglieder beschränkt. Mit Österreich hat eines davon Bedenken angemeldet und für Dobrindt gibt es damit „offenbar immer geringere Chancen auf eine Einführung der Finanztransaktionssteuer“. Scholz müsse jetzt eine realistische Finanzierung vorlegen, forderte Dobrindt, der darin von der CSU-Arbeitnehmerunion CSA unterstützt wird.
„Scholz ist am Zuge, jetzt Vorschläge zu machen“, sagte der CSALandesvorsitzende Volker Ullrich unserer Redaktion. Er nahm gleichzeitig die Rentenversicherung ins Gebet und meinte, die Grundrente wäre für sie eine Chance, bei der Digitalisierung einen Schritt nach vorne zu machen. „Die Rentenversicherung hat ein großes Digitalisierungspotenzial“, sagte Ullrich. Hintergrund sind die Probleme mit der Einrichtung eines digitalen Datenabgleichs. CDU-Chefin Annegret
Die Rufe nach Verschiebung des Starts werden lauter
Kramp-Karrenbauer hat deshalb schon vorgeschlagen, notfalls auf analoge Verfahren auszuweichen.
Dobrindt schloss eine Verschiebung des Starttermins nicht aus. „Es wird schwierig genug, das auf der Zeitachse zu halten. Deshalb ist jetzt Eile geboten“, sagte er. Grosse-Brömer wurde deutlicher gegenüber Heil: „Wenn er die Voraussetzungen dafür nicht abliefert, kann sie nicht rechtzeitig kommen.“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zeigte sich am Dienstag zwar überzeugt, „dass die Grundrente kommen wird“, nannte aber kein Einführungsdatum mehr. Seine Partei habe gute Vorarbeit geleistet, jetzt müssten Details geklärt werden. Zur Klärung von Details bestand offenbar anschließend Gelegenheit. Union und SPD wollten sich auf Regierungsseite nach Informationen unserer Redaktion am frühen Abend treffen, um die Chancen für eine Einigung auszuloten.