Damit sollen Kinder morgen spielen
Messe Auch in der Spielzeugbranche steht das Thema Nachhaltigkeit plötzlich im Mittelpunkt. Das ist nicht einfach, weil für die Hersteller Kunststoff so wichtig ist. In Nürnberg zeigen diese ihre Ideen zu Spielspaß und Umweltschutz
Nürnberg Wer Produkte herstellt, die sich an Kinder richten, kommt in Zeiten von „Fridays for Future“an einem Thema nicht vorbei: Nachhaltigkeit. Kein Wunder also, dass die Spielzeugbranche versucht, sich zumindest in Teilen neu zu erfinden. Was bislang dabei herausgekommen ist, präsentieren Händler und Hersteller derzeit auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Dort können Fachbesucher und Händler schon ansehen und anfassen, was in den kommenden Monaten Kinderaugen zum Leuchten bringen soll.
Gute Chancen, dass dies gelingt, werden dem sehr realitätsnahen MAN-TGS-StraßenreinigungsLkw der Fürther Firma Bruder eingeräumt. Firmenchef Paul Heinz Bruder ist selbst am Stand, um die Funktionen wie verstellbare Reinigungsbürsten und zu öffnende Heckklappe vorzustellen. Im Gespräch erklärt er, warum Jungs eher von Nutzfahrzeugen träumen als von Rennautos: „Kinder wollen das, was sie täglich sehen. Sie wollen ihre Welt im Rollenspiel begreifen.“Nachhaltigkeit lebe die Firma durch ihr Qualitätsversprechen und hochmoderne Produktionsmethoden, sagt Bruder. Kunststoffe aus nachhaltigen Quellen seien für die ganze Spielwarenindustrie sehr interessant. Bislang gebe es aber noch keine Materialien, die den Ansprüchen an Qualität und Sicherheit entsprächen und zu wettbewerbsfähigen Preisen hergestellt werden können.
Dennoch hat auch das internationale Trendkommitee der Spielwarenmesse die Nachhaltigkeit unter dem Titel „Toys for Future“als einen von drei Großtrends in der
Branche identifiziert. Das spiegelt sich in einer Reihe neuer Produkte, die besonders umweltschonend gefertigt werden. Aber Kinder sollen nicht einfach nur spielen, sondern zum Beispiel auch lernen, dass Müll in der Natur Schaden anrichtet und Recycling hilft, Ressourcen zu sparen. Manchmal könnte man aber wohl schlicht sagen: Jeder Trend lässt sich kommerzialisieren. Der amerikanische Hersteller eeBoo etwa bietet unter dem Titel „Climate Action“ein kreisrundes 500-Teile-Puzzle an. Das Motiv: eine illustrierte Szene einer Klimademonstration, samt der obligatorischen Plakate. Wer will, kann in einem Mädchen mit Zöpfen sogar Greta Thunberg erkennen.
Ob Greta das gefällt, ist nicht bekannt. Bessere Chancen hätten da wohl die teilbaren Früchte des thailändischen Herstellers Plan Toys. Mit einem Messer aus Holz lassen sich eine krumme Gurke, eine Karotte mit zwei Spitzen und ein unförmiger Apfel auseinanderschneiden. Kinder sollen so lernen, dass Obst und Gemüse nicht immer perfekt aussehen müssen, um gut zu schmecken. „Playa Playa“heißt ein neues Brettspiel des französischen Verlags Bioviva. Die Spieler müssen den Müll vom Strand in die richtigen Abfallkörbe werfen, bevor die Flut kommt und alles ins Meer spült.
Der zweite Trend, den die Marktforscher identifiziert haben und der schon längst den Weg in viele Kinderzimmer gefunden hat, heißt Digital goes Physical, Figuren aus Computerspielen und OnlineMedien finden eine Übersetzung in die physische Welt. Zum Beispiel in Form einer Lama-Loot-Plüschfigur nach dem Modell einer Figur aus dem Computerspiel-Weltbestseller Fortnite. Diese Entwicklung führt auch zu ganz neuen Möglichkeiten im Marketing, die vielen Eltern nicht gefallen dürften. Denn plötzlich könnte nicht mehr nur wichtig sein, womit die anderen Kinder in Schule und Kindergarten gerne spielen, sondern was Influencer im Netz mit Spielsachen anstellen …
Doch jetzt zum SpielwarenMarktführer Lego, der einen großen Auftritt in Nürnberg hat. Angeblich hat jedes zweite Kind in Deutschland im vergangenen Jahr mindestens ein Lego-Produkt bekommen. Viele davon waren aus dem Eltern wohlbekannten Sortiment mit Lizenzprodukten
wie Harry Potter oder Disney. Auch heuer gibt es wieder neue Lizenzen und neue Modelle unter alten Lizenzen: Spiderman etwa und natürlich Star Wars. Dazu kommen große Sets für die immer wichtigere Gruppe der erwachsenen Lego-Fans. Highlight da wird ein Lamborghini-Bausatz sein, der ab August im Handel ist.
Besonders stolz ist man bei Lego aber auf das Programm Dots. Im Zentrum dessen steht eine Art Fortführung des altbekannten Freundschaftsbands. Mit kleinen Steinen, die sich auf ein biegsames Armband aufsetzen lassen, können Kinder individuelle Schmuckstücke gestalten.
Lizenzen sind ebenfalls weiter ein großes Thema bei einem anderen Spielwarenriesen. Bei Playmobil sind die Ritter tonangebend. „Novelmore“heißt die Serie, die helfen soll, im laufenden Jahr bessere Zahlen zu schreiben als 2019. Anschlussfähig für ältere Generationen sind dagegen Neuheiten wie ein für Mai angekündigtes Retro-Set zur Kultfilm-Reihe „Zurück in die Zukunft“oder pünktlich zur Europameisterschaft eine tragbare Fußballarena mit Kickfunktion.
Und was ist mit den ganz klassischen Spielzeugautos? Die gibt es weiter. Aber das reicht heute nicht mehr. Siku, der bekannte deutsche
Hersteller von Jungenträumen, will nun eine ganz neue Zielgruppe erschließen. Mit dem Steckauto-Set „Toddys“sollen Jungen und Mädchen schon ab 18 Monaten an das Autospielen herangeführt werden. Der Clou: Die Autos haben Noppen, die mit Lego Duplo kompatibel sind. Das geht, weil die Lizenz dafür mittlerweile abgelaufen ist.
Ein Trend, der noch Schwung aufnehmen könnte, ist von den Marktforschern mit dem Titel „Be You!“versehen worden. Die Vielfalt von Lebensentwürfen, aber auch ein gerade an Schulen immer wieder kontrovers diskutiertes Thema wie die Inklusion von Menschen mit einer Behinderung in die Gesellschaft, findet zunehmend Platz im Spielzeugmarkt. Lego ist dort auch aktiv. Auf Anregung eines LegoFans, der in Eigenregie Audioanleitungen für Bausteinsets entwickelt hat, macht das Unternehmen dies nun selbst. Blinde bekämen mit Modellen eine Ahnung davon, wie Teile der Welt um sie herum aussehen. Dazu entwickelt Lego auch ein Set zum Lernen der Brailleschrift, das über das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen gratis an entsprechende Einrichtungen verteilt werden soll.
Aber auch der boomende Brettund Gesellschaftsspielmarkt – der Bereich ist in den vergangenen fünf Jahren um 50 Prozent gewachsen – hat Neuigkeiten in diesem Segment zu bieten. Etwa eine Neuauflage des Kartenspiels „Uno“, bei dem die Werte auch in Brailleschrift aufgedruckt sind. Oder die Puppensets von Lottie Dolls aus Irland. Es gibt sie etwa als Junge „Finn“, der an ADHS leidet und daher mit Zubehör wie Ohrenschützern kommt.