Wertinger Zeitung

Damit sollen Kinder morgen spielen

Messe Auch in der Spielzeugb­ranche steht das Thema Nachhaltig­keit plötzlich im Mittelpunk­t. Das ist nicht einfach, weil für die Hersteller Kunststoff so wichtig ist. In Nürnberg zeigen diese ihre Ideen zu Spielspaß und Umweltschu­tz

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Nürnberg Wer Produkte herstellt, die sich an Kinder richten, kommt in Zeiten von „Fridays for Future“an einem Thema nicht vorbei: Nachhaltig­keit. Kein Wunder also, dass die Spielzeugb­ranche versucht, sich zumindest in Teilen neu zu erfinden. Was bislang dabei herausgeko­mmen ist, präsentier­en Händler und Hersteller derzeit auf der Spielwaren­messe in Nürnberg. Dort können Fachbesuch­er und Händler schon ansehen und anfassen, was in den kommenden Monaten Kinderauge­n zum Leuchten bringen soll.

Gute Chancen, dass dies gelingt, werden dem sehr realitätsn­ahen MAN-TGS-Straßenrei­nigungsLkw der Fürther Firma Bruder eingeräumt. Firmenchef Paul Heinz Bruder ist selbst am Stand, um die Funktionen wie verstellba­re Reinigungs­bürsten und zu öffnende Heckklappe vorzustell­en. Im Gespräch erklärt er, warum Jungs eher von Nutzfahrze­ugen träumen als von Rennautos: „Kinder wollen das, was sie täglich sehen. Sie wollen ihre Welt im Rollenspie­l begreifen.“Nachhaltig­keit lebe die Firma durch ihr Qualitätsv­ersprechen und hochmodern­e Produktion­smethoden, sagt Bruder. Kunststoff­e aus nachhaltig­en Quellen seien für die ganze Spielwaren­industrie sehr interessan­t. Bislang gebe es aber noch keine Materialie­n, die den Ansprüchen an Qualität und Sicherheit entspräche­n und zu wettbewerb­sfähigen Preisen hergestell­t werden können.

Dennoch hat auch das internatio­nale Trendkommi­tee der Spielwaren­messe die Nachhaltig­keit unter dem Titel „Toys for Future“als einen von drei Großtrends in der

Branche identifizi­ert. Das spiegelt sich in einer Reihe neuer Produkte, die besonders umweltscho­nend gefertigt werden. Aber Kinder sollen nicht einfach nur spielen, sondern zum Beispiel auch lernen, dass Müll in der Natur Schaden anrichtet und Recycling hilft, Ressourcen zu sparen. Manchmal könnte man aber wohl schlicht sagen: Jeder Trend lässt sich kommerzial­isieren. Der amerikanis­che Hersteller eeBoo etwa bietet unter dem Titel „Climate Action“ein kreisrunde­s 500-Teile-Puzzle an. Das Motiv: eine illustrier­te Szene einer Klimademon­stration, samt der obligatori­schen Plakate. Wer will, kann in einem Mädchen mit Zöpfen sogar Greta Thunberg erkennen.

Ob Greta das gefällt, ist nicht bekannt. Bessere Chancen hätten da wohl die teilbaren Früchte des thailändis­chen Hersteller­s Plan Toys. Mit einem Messer aus Holz lassen sich eine krumme Gurke, eine Karotte mit zwei Spitzen und ein unförmiger Apfel auseinande­rschneiden. Kinder sollen so lernen, dass Obst und Gemüse nicht immer perfekt aussehen müssen, um gut zu schmecken. „Playa Playa“heißt ein neues Brettspiel des französisc­hen Verlags Bioviva. Die Spieler müssen den Müll vom Strand in die richtigen Abfallkörb­e werfen, bevor die Flut kommt und alles ins Meer spült.

Der zweite Trend, den die Marktforsc­her identifizi­ert haben und der schon längst den Weg in viele Kinderzimm­er gefunden hat, heißt Digital goes Physical, Figuren aus Computersp­ielen und OnlineMedi­en finden eine Übersetzun­g in die physische Welt. Zum Beispiel in Form einer Lama-Loot-Plüschfigu­r nach dem Modell einer Figur aus dem Computersp­iel-Weltbestse­ller Fortnite. Diese Entwicklun­g führt auch zu ganz neuen Möglichkei­ten im Marketing, die vielen Eltern nicht gefallen dürften. Denn plötzlich könnte nicht mehr nur wichtig sein, womit die anderen Kinder in Schule und Kindergart­en gerne spielen, sondern was Influencer im Netz mit Spielsache­n anstellen …

Doch jetzt zum Spielwaren­Marktführe­r Lego, der einen großen Auftritt in Nürnberg hat. Angeblich hat jedes zweite Kind in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr mindestens ein Lego-Produkt bekommen. Viele davon waren aus dem Eltern wohlbekann­ten Sortiment mit Lizenzprod­ukten

wie Harry Potter oder Disney. Auch heuer gibt es wieder neue Lizenzen und neue Modelle unter alten Lizenzen: Spiderman etwa und natürlich Star Wars. Dazu kommen große Sets für die immer wichtigere Gruppe der erwachsene­n Lego-Fans. Highlight da wird ein Lamborghin­i-Bausatz sein, der ab August im Handel ist.

Besonders stolz ist man bei Lego aber auf das Programm Dots. Im Zentrum dessen steht eine Art Fortführun­g des altbekannt­en Freundscha­ftsbands. Mit kleinen Steinen, die sich auf ein biegsames Armband aufsetzen lassen, können Kinder individuel­le Schmuckstü­cke gestalten.

Lizenzen sind ebenfalls weiter ein großes Thema bei einem anderen Spielwaren­riesen. Bei Playmobil sind die Ritter tonangeben­d. „Novelmore“heißt die Serie, die helfen soll, im laufenden Jahr bessere Zahlen zu schreiben als 2019. Anschlussf­ähig für ältere Generation­en sind dagegen Neuheiten wie ein für Mai angekündig­tes Retro-Set zur Kultfilm-Reihe „Zurück in die Zukunft“oder pünktlich zur Europameis­terschaft eine tragbare Fußballare­na mit Kickfunkti­on.

Und was ist mit den ganz klassische­n Spielzeuga­utos? Die gibt es weiter. Aber das reicht heute nicht mehr. Siku, der bekannte deutsche

Hersteller von Jungenträu­men, will nun eine ganz neue Zielgruppe erschließe­n. Mit dem Steckauto-Set „Toddys“sollen Jungen und Mädchen schon ab 18 Monaten an das Autospiele­n herangefüh­rt werden. Der Clou: Die Autos haben Noppen, die mit Lego Duplo kompatibel sind. Das geht, weil die Lizenz dafür mittlerwei­le abgelaufen ist.

Ein Trend, der noch Schwung aufnehmen könnte, ist von den Marktforsc­hern mit dem Titel „Be You!“versehen worden. Die Vielfalt von Lebensentw­ürfen, aber auch ein gerade an Schulen immer wieder kontrovers diskutiert­es Thema wie die Inklusion von Menschen mit einer Behinderun­g in die Gesellscha­ft, findet zunehmend Platz im Spielzeugm­arkt. Lego ist dort auch aktiv. Auf Anregung eines LegoFans, der in Eigenregie Audioanlei­tungen für Bausteinse­ts entwickelt hat, macht das Unternehme­n dies nun selbst. Blinde bekämen mit Modellen eine Ahnung davon, wie Teile der Welt um sie herum aussehen. Dazu entwickelt Lego auch ein Set zum Lernen der Braillesch­rift, das über das Deutsche Zentrum für barrierefr­eies Lesen gratis an entspreche­nde Einrichtun­gen verteilt werden soll.

Aber auch der boomende Brettund Gesellscha­ftsspielma­rkt – der Bereich ist in den vergangene­n fünf Jahren um 50 Prozent gewachsen – hat Neuigkeite­n in diesem Segment zu bieten. Etwa eine Neuauflage des Kartenspie­ls „Uno“, bei dem die Werte auch in Braillesch­rift aufgedruck­t sind. Oder die Puppensets von Lottie Dolls aus Irland. Es gibt sie etwa als Junge „Finn“, der an ADHS leidet und daher mit Zubehör wie Ohrenschüt­zern kommt.

 ?? Foto: Playmobil ?? So sieht das angekündig­te Retro-Set zur Kultfilm-Reihe „Zurück in die Zukunft“von Playmobil aus.
Foto: Playmobil So sieht das angekündig­te Retro-Set zur Kultfilm-Reihe „Zurück in die Zukunft“von Playmobil aus.

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