Kita schafft den Fasching ab
Erziehung Eine Erfurter Einrichtung will nicht, dass sich die Kinder am Rosenmontag verkleiden. Man wolle keine Bevölkerungsgruppen beleidigen. Wie Pädagogen in Bayern dazu stehen
Augsburg Über die ein oder andere Wange dürfte wohl eine dicke Träne kullern. Nämlich dann, wenn die Kinder nicht in ein federbehangenes Indianer-Kostüm schlüpfen, kein gerüschtes Prinzessinnenkleid, keine Cowboy-Stiefel anziehen dürfen. Der Grund, der für miese Laune sorgen dürfte, ist der: Eine Kindertageseinrichtung im thüringischen Erfurt schafft den Fasching ab. Die Kinder dürfen sich am Rosenmontag und Faschingsdienstag nicht verkleiden.
Das Campus-Kinderland begründet seine Entscheidung damit, dass mit Kostümierungen sehr bewusst und „kultursensibel“umgegangen werde. Dies sei ein Baustein des pädagogischen Konzepts, mit dem Stereotype vermieden werden sollen. „Es wird Wert darauf gelegt, keine Bevölkerungsgruppen zu beleidigen oder Kindern falsche Bilder zu vermitteln“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der Kita. Zudem könne eine Kostümierung Angst und Überforderung auslösen. Vor allem für Kleinkinder sei es befremdlich, wenn sie ihr Gegenüber nicht erkennen können.
Ist die Erfurter Kita da eine Aus
Oder gibt es auch in Bayern Einrichtungen, die sich aus pädagogischen Gründen gegen eine Faschingsfeier entscheiden? „In den Einrichtungen unserer Mitglieder wird in der Regel Fasching gefeiert“, sagt Monika Brinkmöller vom Evangelischen Kita-Verband Bayern. „Uns sind keine Fälle bekannt, in denen das Verkleiden am Rosenmontag untersagt wird.“
Und das sei auch gut so, findet Werner Eitle, der Leiter der Fachakademie für Sozialpädagogik in
Dillingen, in der Erzieher ausgebildet werden. Er kann die Entscheidung der Erfurter Kita nicht nachvollziehen. „Ich finde das übertrieben. Man hat im Alltag viele Gelegenheiten, auf die verschiedenen Kulturen und deren Unterschiede einzugehen.“Da müsse man nicht den Fasching opfern. Denn der gehöre doch zum Kindsein dazu. Dass Kinder bei bestimmten Kostümierungen Angst bekommen könnten, kann er sich aber durchaus vorstellen, etwa dann, wenn eine Maske das komplette Gesicht bedeckt.
Auch Henrike Paede, stellvertretende Landesvorsitzende des bayerischen Elternverbandes, hat von dem Erfurter Fall erfahren. „Das ist vollkommen überzogen“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. „Der Fasching ist für Kinder einfach ein großer Spaß. Und wenn sie sich etwa als Eskimo verkleiden, dann steckt da keinerlei Diskriminierung dahinter.“Eher im Gegenteil, fährt Paede fort. Im Fasching könnten die Kinder sogar viele verschiedene Kulturen kennenlernen. „Kinder verstehen die Welt einfacher. Man kann sie ihnen nicht in ihrer ganzen Komplexität erklären“, sagt sie. Unterm Strich bleibe eines stehen, findet Paede: Man nehme den Kindern ganz viel Freude.
Die Diskussion erinnert ein bisschen an einen Fall aus Bissingen im Landkreis Dillingen, der im vergangenen Jahr für Furore sorgte. Der Grund für die ganze Aufregung: Die Kita hatte mitgeteilt, dass die Buben und Mädchen an ihren Geburtstagen keinen Kuchen von zu Hause mehr mitbringen und an andere Kinder verteilen dürfen. Einige Eltern hätten Hygienebedenken geäußert, hieß es damals. Der Bissinger Kuchenstreit löste eine Welle der Empörung aus, es wurde eine Unnahme? terschriftenaktion gestartet, Kamerateams positionierten sich vor dem Kindergarten, Eltern wurden interviewt und die Telefone in der Einrichtung und in der Gemeinde standen nicht mehr still. Die Kita ließ sich aber nicht einschüchtern – das Kuchenverbot blieb bestehen.
Auch in Erfurt deutet nichts darauf hin, dass die Kita beim Kostümierungsverbot einen Rückzieher machen könnte. Die Kinder hätten ohnehin das ganze Jahr über die Möglichkeit, sich zu verkleiden, teilt die Einrichtung mit. „Ihnen werden dafür auch Verkleidungsutensilien zur Verfügung gestellt, die im Voraus von dem pädagogischen Fachpersonal bewusst ausgewählt wurden.“Außerdem hätte es bereits eine Faschingsveranstaltung gegeben, zu der das Studierendenwerk Thüringen die Kinder eingeladen hatte. Auch das sein ein Grund, warum es in der Kita keine Veranstaltung mehr geben werde. Den Kindern werden derlei Argumente der Erwachsenen wohl egal sein. Über die ein oder andere Wange dürften am Rosenmontag dicke Tränen kullern.
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Elternverband: Man nimmt den Kindern viel Freude