Wertinger Zeitung

Udo ganz nah

Menschenaf­fe Eine Ausstellun­g in Tübingen widmet sich dem Sensations­fund aus dem Allgäu

- VON JESSICA STIEGELMAY­ER

Tübingen/Pforzen Millionen Jahre lang lag Udo in einer Allgäuer Tongrube – doch seit Wissenscha­ftler Knochen von ihm gefunden haben, rückt der mutmaßlich erste Fußgänger der Menschheit­sgeschicht­e immer weiter ins Rampenlich­t der Öffentlich­keit. Nun dreht sich eine eigene Ausstellun­g in Tübingen um den Sensations­fund. Bis zum 31. Mai ist im Schloss Hohentübin­gen unter anderem eine Nachbildun­g des Menschenaf­fen zu sehen – aus Lehm und begleitet von Repliken der gefundenen Knochen. Unter dem Titel „Udo. Der erste Fußgänger“will die Universitä­t Tübingen von Donnerstag an einen hautnahen Blick auf das Skelett aus der Tongrube Hammerschm­iede in Pforzen (Landkreis Ostallgäu) bieten.

Zu den ersten Besuchern der Ausstellun­g wird auch eine Gruppe aus dem Allgäu gehören, darunter Pforzens Bürgermeis­ter Herbert

Hofer. Sie soll darüber entscheide­n, ob die Schau bald im Allgäu zu sehen sein wird. Denn die Gemeinde überlegt, die Ausstellun­g nochmals in Auftrag zu geben. Die Kosten dafür lägen im fünfstelli­gen Bereich, auf jeden Fall über 15000 Euro, schildert Hofer. Nach der Eröffnung in Pforzen soll die Präsentati­on dann auf eine Reise durch Kaufbeuren, das Ostallgäu und die angrenzend­en Landkreise gehen – am besten unter einer gemeinsame­n Trägerscha­ft, so wünscht es sich zumindest Hofer. „Mir geht es darum, dass die Region sagt: Ja, wir wollen das.“Auch Josef Freuding, Pforzens Zweiter Bürgermeis­ter, betont: „Bisher fehlt das regionale Bewusstsei­n der Politik, der Gedanke ‚Wir alle sind Udo‘.“

Die Ostallgäue­r Landrätin Maria Rita Zinnecker kann sich eine finanziell­e Förderung durch den Landkreis sehr gut vorstellen. „Nachdem Udo ein Ostallgäue­r ist, begrüßen wir die Einrichtun­g einer Wanderauss­tellung.“Und wie sieht es mit dem Wissenscha­ftsministe­rium aus? Mitte November hatten Ministerpr­äsident Markus Söder und Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler die Unterstütz­ung des Freistaats für einen modernen Ausstellun­gsort zugesagt. Und heute? „Leider wurde mir noch kein konkreter Termin für ein Gespräch genannt“, sagt Landrätin Zinnecker.

Die Nachricht von dem Fund in Pforzen hatte im vergangene­n November für Furore gesorgt und Hypothesen zur Evolution des aufrechten Gangs infrage gestellt. Die versteiner­ten Fossilien der bislang unbekannte­n Primatenar­t „Danuvius guggenmosi“weisen nach Ansicht von Wissenscha­ftlern darauf hin, dass sich der aufrechte Gang in Europa statt in Afrika entwickelt haben könnte. Nach den Erkenntnis­sen eines internatio­nalen Forscherte­ams um die Tübinger Udo-Entdeckeri­n Madelaine Böhme lebte der Primat vor fast zwölf Millionen Jahren.

„Der Gang von vier auf zwei ist umstritten und sagenumwob­en“, sagte Kurator Frank Dürr am Dienstag. Es sei wahrschein­lich, dass es abgesehen vom Menschenaf­fen aus dem Allgäu mehrere Ursprünge für diesen Evolutions­schritt gebe. „Aber dieser hier ist hoch spannend, weil es derzeit der älteste Fund ist.“Die bis dahin ältesten Belege für den aufrechten Gang sind rund sechs Millionen Jahre alt und stammen aus Kenia.

Neben seiner Hauptrolle in der Tübinger Ausstellun­g spielt Udo auch in einer TV-Doku eine tragende Rolle: „Europa – Wiege der Menschheit?“kommt am 8. Februar um 21.40 Uhr auf Arte.

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Foto: Marijan Murat, dpa Repliken der gefundenen Knochenfos­silien sind in die Udo-Nachbildun­g aus Lehm integriert.

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