Wertinger Zeitung

„Maximal 90 PS für junge Autofahrer“

Verkehr Immer mehr Jugendlich­e fallen durch die Führersche­inprüfung. Und Fahranfäng­er bauen besonders viele Unfälle. Experten fordern eine längere Probezeit und leistungss­chwache Motoren

-

Goslar Der 18-Jährige hat seinen Führersche­in erst wenige Wochen. Er beschleuni­gt sein PS-starkes Auto im Überholver­bot – und erfasst eine Fahrradfah­rerin, die links abbiegen will. Die 55-Jährige stirbt noch an der Unfallstel­le. Tödliche Verkehrsun­fälle wie dieser Mitte Januar in Dresden seien charakteri­stisch für Kollisione­n, die von der Hochrisiko­gruppe junger männlicher Fahranfäng­er verursacht werden, sagt Siegfried Brockmann, der Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r (UDV).

Weil junge Fahrer seit Jahren überdurchs­chnittlich häufig durch riskantes Verhalten und hohe Unfallbete­iligung auffallen, diskutiere­n Fachleute beim Deutschen Verkehrsge­richtstag (VGT) in Goslar gerade darüber, wie man die Gefahr eindämmen könnte. Sie beraten auch über eine Reform der Führersche­inprüfung – weil so viele Fahranwärt­er sie nicht bestehen. 35 Prozent der Prüflinge haben im Jahr 2018 die praktische Fahrprüfun­g nicht geschafft. Nach Angaben des Kraftfahrt­bundesamts lag die Durchfallq­uote in der Theorie sogar bei 39 Prozent. Eine Ursache dafür sind nach Ansicht des Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­ats steigende Anforderun­gen. Auswendig Lernen für die theoretisc­he Prüfung reiche oft nicht mehr, sagt Sprecherin Julia Fohmann. In der Praxis sei es durch die immer volleren Straßen und das komplexere Verkehrsge­schehen schwierige­r geworden, sagt der Sprecher des Auto Clubs Europa, Sören Heinze.

„Die Ausbildung selbst ist auf einem guten Stand“, meint hingegen der Unfallfors­cher Siegfried Brockmann. Er plädiere allerdings für „ergänzende Maßnahmen“, wie etwa eine längere Probezeit. So sieht es auch eine im Auftrag des Bundesverk­ehrsminist­eriums eingericht­ete Projektgru­ppe. Sie empfiehlt eine Verlängeru­ng der Probezeit von zwei auf drei Jahre. Geht es nach den Experten, könnten Fahranfäng­er die Probezeit durch freiwillig­e Teilnahme an Maßnahmen wie dem „Begleitete­n Fahren“wieder verkürzen. Der Verkehrssi­cherheitsr­at spricht von sogenannte­n „Feedback-Fahrten“unter Aufsicht eines Fahrlehrer­s. Dabei könnten die Neulinge dann zeigen, wie sie fahren, sagt Sprecherin Fohmann. „Der Experte weist sie dann auf Probleme hin. Und es gibt eine Zielverein­barung bis zur nächsten gemeinsame­n Fahrt vier bis acht Wochen danach.“

Eine Verlängeru­ng der Probezeit trage der Tatsache Rechnung, dass auch Autofahrer zwischen 21 und 24 Jahren immer noch höheres Unfallrisi­ko aufweisen als Fahrer ab 25 Jahren, sagt Unfallfors­cher Brockmann. „Deshalb wäre auch eine Ausweitung der Null-PromilleGr­enze auf diese Altersgrup­pe sinnvoll.“

Mehr noch: Um das Unfallrisi­ko weiter zu senken, will Brockmann Autofahrer­n zwischen 18 und 21 Jahren nur noch Autos mit vergleichs­weise schwachen Motoren erlauben. Er plädiert für eine Leistungsb­egrenzung der Motoren auf 90 PS. „Damit würde vor allem den jungen Männern der Kick genommen, stark zu beschleuni­gen oder sehr schnell zu fahren.“Wie genau das in der Praxis umgesetzt werden könnte, dazu machte er zunächst keinen Vorschlag.

Zustimmung zu den FeedbackFa­hrten gibt es vom ADAC: Es müssten Möglichkei­ten geschaffen werden, dem Anfänger die eigenen Fahrfähigk­eiten objektiv widerzuspi­egeln. Eine zweite Ausbildung­sphase mit vorgeschri­ebenem Sicherheit­straining und Feedback-Fahrten befürworte­t auch der Automobilc­lub von Deutschlan­d. Dies schaffe zusätzlich­e Sicherheit bei Fahranfäng­ern, sagt Sprecher Herbert Engelmohr. Modellvers­uche hätten ergeben, dass dadurch das Unfallrisi­ko sinke.

Der Verkehrssi­cherheitsr­at bringt zudem erneut das begleitete Fahren ab 16 ins Gespräch. „Mit einem früheren Einstieg in die Begleitpha­se könnten die Jugendlich­en mehr Fahrerfahr­ung sammeln“, sagt Sprecherin Fohmann. Auch das befürworte­t der ADAC. Dafür sollten auf EU-Ebene die Voraussetz­ungen geschaffen werden.

Matthias Brunnert, dpa

 ?? Foto: Stefan Sauer, dpa ?? Für Führersche­inneulinge gibt es besondere Aufkleber.
Foto: Stefan Sauer, dpa Für Führersche­inneulinge gibt es besondere Aufkleber.

Newspapers in German

Newspapers from Germany