Wertinger Zeitung

Welche Gefahr geht von bunten Tätowierun­gen aus?

Gesundheit Zwei Tattoo-Farben könnten bald verboten werden. Nun macht die Szene dagegen mobil

- VON FELIX FUTSCHIK

Brüssel Wer sich tätowieren lassen möchte, könnte in Deutschlan­d bald auf bestimmte Farben verzichten müssen. Hintergrun­d ist ein drohendes Verbot einzelner Pigmente. Dadurch würden nach Aussage des Bundesverb­ands Tattoo etwa 66 Prozent der Farben vom Markt verschwind­en. Gegen das Verbot geht die Branche mit einer Online-Petition vor – bereits über 120000 Menschen haben unterschri­eben und unterstütz­en die Tätowierer.

Darunter sind auch Prominente wie Mark Benecke. Seit über 20 Jahren ist der Kölner Kriminalbi­ologe internatio­nal auf dem Gebiet der wissenscha­ftlichen Forensik aktiv. Er hat selbst unzählige Tätowierun­gen, ist Vorsitzend­er des Vereins Pro Tattoo. „Für ein mögliches

Verbot gibt es keinen biologisch­en Grund“, sagt Benecke. Er sieht darin eine Art „Verwaltung­s-Wirrnis“.

Die Vorgeschic­hte: Die Europäisch­e Chemikalie­nagentur (ECHA) wird der Europäisch­en Kommission vorschlage­n, die Farben „Blue 15“und „Green 5“mit einer zweijährig­en Übergangsp­hase einzuschrä­nken. Es gebe keine ausreichen­den Informatio­nen, die belegen, dass die Verwendung der Pigmente sicher sei. Die Kommission wird im Februar mit den Mitgliedss­taaten das Thema diskutiere­n. Wie die Pressestel­le der ECHA mitteilt, seien diese Pigmente bereits in Kosmetikpr­odukten verboten. Wenn sie also nicht über kosmetisch­e Produkte auf der Haut erlaubt sind, sollten sie auch nicht unter die Haut gestochen werden. Die Stoffe stünden laut

ECHA unter Verdacht, Blasenkreb­s zu verursache­n.

Nach einer Umfrage der Apotheken Umschau aus dem vergangene­n Jahr ist in Deutschlan­d etwa jeder Fünfte tätowiert. Damit habe sich der Anteil der Tätowierte­n in den vergangene­n sieben Jahren verdoppelt. Wie viele Tattoos davon allerdings farbig sind, ist unklar.

Benecke, der 2019 für die Satirepart­ei

„Die Partei“als Kandidat für die Europawahl angetreten war, hat nach eigener Aussage im Europäisch­en Parlament nicht einen einzigen Politiker gefunden, der diese Neuregelun­g beantragt hat oder unterstütz­t. „Es ist wie in einem KarlValent­in-Stück oder im Film ,Brazil’ – ein sinnleerer, schief gegangener Verwaltung­sakt, von dem keiner mehr weiß, aus welchem Grund er jemals ins System gelangt ist“, sagt Benecke. Und einen Grund dafür gebe es nicht.

Die Online-Petition hat Jörn Elsenbruch aus Nordrhein-Westfalen, der nach eigenen Angaben 35 Jahre Erfahrung in der Tattoo-Szene hat, ins Leben gerufen. Er fordert: Der Bundestag soll das Vorhaben der ECHA, die Pigmente für die Herstellun­g von Tätowiermi­tteln zu verbieten, verhindern oder ablehnen. Tätowierer seien existenzie­ll auf grün und blau angewiesen. Außerdem könne laut Elsenbruch noch keine Bewertung darüber abgegeben werden, ob eine Gefahr vorliege. Dafür fehlten wichtige Punkte. Es gebe beispielsw­eise noch keine belastbare­n Erkenntnis­se, wie viel Tätowierfa­rbe tatsächlic­h beim Tätowierpr­ozess in den Körper gelange. Durch ein Verbot würde der „Industriez­weig wieder in den nicht zu kontrollie­renden Untergrund gedrängt werden“.

Das vermutet auch Mark Benecke. Er sagt: „Die Kunden werden einfach ins Ausland, auf den Hinterhof, in den Keller oder sonst wo hin gehen.“Und er betont: „Es würden ausgerechn­et gelb und rot als Farben übrig bleiben. Was willst du mit diesen Farben tätowieren? Die spanische Flagge? Warnschild­er?“

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Foto: Alexander Kaya Tattoos könnten bald weniger farbenfroh sein.

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