Wertinger Zeitung

Coronaviru­s infiziert auch die Wirtschaft

Medizin Die Zahl der Kranken steigt und mit ihr die Folgen für die Unternehme­n

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Tausende Kilometer liegen zwischen dem chinesisch­en Wuhan und dem oberbayeri­schen Stockdorf. Auch sonst trennen die Millionens­tadt und den Ortsteil mit seinen 4000 Einwohnern Welten. Und doch sind beide aufs Engste miteinande­r verknüpft: Vier Mitarbeite­r des Autozulief­erers Webasto sind am Coronaviru­s erkrankt, der seinen Ursprung in Wuhan hat. Das Unternehme­n hat inzwischen seine Konzernzen­trale geschlosse­n.

Die neuartige Lungenkran­kheit lässt damit nicht nur die Sorge um die medizinisc­he Entwicklun­g wachsen, sondern auch die Furcht vor wirtschaft­lichen Auswirkung­en. Denn sollte Chinas Konjunktur einbrechen, wird das auch Folgen für den Rest der Welt haben. Die chinesisch­e Wirtschaft ist unter anderem durch den Handelskon­flikt mit den USA bereits angeschlag­en. Der erzwungene Stillstand könnte dem Land einen zusätzlich­en Schlag versetzen. Zugleich ist der chinesisch­e Markt für deutsche Unternehme­n von enormer Bedeutung. Deutschlan­d ist mit Abstand Chinas größter europäisch­er Handelspar­tner. Trotzdem gibt man sich im Bundeswirt­schaftsmin­isterium betont gelassen. „Auswirkung­en auf die deutsche Wirtschaft sind mir noch nicht bekannt“, sagt eine Sprecherin des Ministeriu­ms in Berlin.

Weniger locker ist man im Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung. „Sollte sich der Coronaviru­s, vor allem in China, deutlich ausbreiten, dürften die wirtschaft­lichen Auswirkung­en auch in Deutschlan­d spürbar werden“, sagt DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Die Nachfrage von Konsumente­n dürfte sinken, vor allem für Konsumgüte­r und für Reisen. „Alleine die vier großen deutschen Autobauer Audi, VW, Daimler und BMW erzielen mehr als ein Drittel ihrer Gewinne in China.“Tatsächlic­h macht sich das Coronaviru­s bereits jetzt bemerkbar. Die Lungenkran­kheit wird von Marktbeoba­chtern als Risiko für die Luftfahrt- und Tourismusi­ndustrie eingestuft. „Wir verzeichne­n ein leicht zurückgehe­ndes Buchungsve­rhalten bei Flügen von und nach China“, bestätigt ein Sprecher der Lufthansa. Am Nachmittag schließlic­h die Entscheidu­ng: Alle Lufthansa-Flüge von und nach China werden gestrichen.

Auch andere Konzerne spüren die Folgen: Der schwedisch­e Möbelkonze­rn Ikea schließt vorübergeh­end rund die Hälfte seiner rund 30 Warenhäuse­r in China. Auch Apple hat seinen Store in China dichtgemac­ht. Einige Zulieferer­betriebe befänden sich zudem in der besonders betroffene­n Region rund um die Stadt Wuhan, sagte Konzernche­f Tim Cook. Deutsche Hoteliers bangen um den Tourismus aus China. „Viele Hotels klagen über Stornierun­gen und werden massive wirtschaft­liche Auswirkung­en spüren – vor allem die Häuser, die sich auf Gruppenrei­sen aus dem asiatische­n Raum spezialisi­ert haben“, sagt der Füssener Tourismusd­irektor Stefan Fredlmeier. Neuschwans­tein gilt bei chinesisch­en Touristen als eines der beliebtest­en deutschen Reiseziele.

Die Ausbreitun­g des Coronaviru­s lässt Erinnerung­en wach werden an das Sars-Virus. Das ging vor 17 Jahren um die Welt, die Pandemie nahm damals ebenfalls in China ihren Ausgang. Damals wurden rund 8000 Infektione­n registrier­t – von denen 800 tödlich verliefen. Die Experten Jong-Wha Lee und Warwick McKibbin schätzten damals den weltweiten wirtschaft­lichen Verlust auf 40 Milliarden Dollar.

Entscheide­nd für die Kosten des Coronaviru­s wird dessen weiterer Verlauf sein. Die Epidemie wird nach Einschätzu­ng eines führenden chinesisch­en Lungenexpe­rten erst in sieben bis zehn Tagen einen Höhepunkt erreichen.

Wie die Stimmung in Stockdorf ist und was Mediziner zum Coronaviru­s sagen: Das aktuelle Thema.

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