Wertinger Zeitung

„Wir haben eine Task-Force“

Interview Alanna Ebigbo ist Spezialist für Infektions­krankheite­n. Wie er das Coronaviru­s einschätzt und wie sich die Uniklinik Augsburg vorbereite­t

- Interview: Stephanie Sartor

Herr Dr. Ebigbo, Sie sind Oberarzt auf der Infektions­station der Augsburger Uniklinik. Wie gefährlich schätzen Sie das neue Coronaviru­s ein?

Dr. Alanna Ebigbo: Laut den Informatio­nen, die wir bis jetzt haben, ist das neuartige Coronaviru­s wahrschein­lich weniger ansteckend als das Influenzav­irus. Aber man muss auch sagen: Wir wissen noch relativ wenig über dieses neue Virus.

Aus China werden täglich viele neue Fälle gemeldet. Sollten sich die Erkrankung­en auch in Bayern häufen: Wie ist das Unikliniku­m darauf vorbereite­t?

Ebigbo: Erstens haben wir in Augsburg schon Erfahrunge­n durch die Sars-Pandemie im Jahr 2002. Zweitens behandeln wir ja immer wieder Patienten mit Infektions­krankheite­n wie Influenza oder Tuberkulos­e. Die Abläufe sind da nicht wesentlich anders als das, was beim Coronaviru­s greifen müsste. Speziell beim Coronaviru­s ist es aber so, dass wir für die Abteilunge­n, die involviert wären – Notaufnahm­e, Infektiolo­gie, Klinikhygi­ene, Virologie und Mikrobiolo­gie –, nun eine Task Force gebildet haben. Wir haben dabei besprochen, wie sich ein Coronaviru­sSzenario abspielen könnte.

Wie denn?

Ebigbo: Wenn wir einen harten Verdachtsf­all haben, dann werden wir den Patienten bereits in der Notaufnahm­e in ein Isolierzim­mer bringen. So ein Zimmer hat Doppeltüre­n und einen Vorraum mit Schleuse. Der Patient kann aber auch direkt auf die Infektions­station gebracht und dort isoliert werden. Auf der Station haben wir 21 Isolierzim­mer, die ein Vorzimmer mit Schleuse haben. Man desinfizie­rt sich, zieht sich um und geht erst dann in das Zimmer.

Auf dem Weg hinaus läuft das natürlich genauso ab.

Es ist beim Coronaviru­s immer die Rede von einer Seuche. Wie sehen Sie das?

Ebigbo: Man muss da auf die Zahlen verweisen, dann kann man das ins korrekte Licht rücken. In China gibt es ungefähr 6000 Fälle. Diese Zahlen werden vermutlich steigen. Anderersei­ts weiß man nicht abschließe­nd, wie virulent der Erreger ist. Und der Vergleich zur Influenza ist wichtig. Wir haben in Deutschlan­d über 20 000 Todesfälle pro Jahr. Man sollte diese Dinge im Zusammenha­ng sehen.

Wer ist denn besonders gefährdet? Sind das – wie bei der Grippe – ältere Menschen mit Vorerkrank­ungen und Babys?

Ebigbo: Diese Risikogrup­pen gelten generell bei Infektions­krankheite­n. Beim Norovirus etwa ist die Mortalität bei älteren Menschen und kleinen Kindern höher. Und anhand der Informatio­nen, die wir bis jetzt haben, trifft das auch auf das neuartige Coronaviru­s zu.

Wie kann man sich anstecken? Ebigbo: Die Ansteckung erfolgt über Tröpfchen. Diese Tröpfchen können nicht viel mehr als einen Meter überwinden. Wenn man also nur im gleichen Raum ist, ist eine Ansteckung unwahrsche­inlich. Aber ein Gespräch mit einem Infizierte­n, insbesonde­re wenn man angehustet oder angeniest wird, kann zu einer Übertragun­g führen. Auch die Händehygie­ne ist wichtig. Denn die Viren können auch durch Händekonta­kt übertragen werden. Und wenn man sich dann mit der Hand etwa in die Augen fasst, kann man angesteckt werden.

Wie werden Patienten mit Coronaviru­s behandelt? Gezielte Medikament­e gibt es ja nicht, oder?

Ebigbo: Es gibt aus den Erfahrunge­n mit den Mers-Coronavire­n Forschungs­ansätze, bei denen Medikament­e in einem experiment­ellen Ansatz eingesetzt wurden. Diese Medikament­e wären eventuell auch auf das neue Coronaviru­s übertragba­r. Standard sind momentan aber unterstütz­ende und symptomati­sche Maßnahmen und eine, falls notwendig, intensivme­dizinische Behandlung. Falls es zu einer bakteriell­en Superinfek­tion kommt, dann können Antibiotik­a eingesetzt werden.

Glauben Sie, dass es bald eine Impfung geben wird?

Ebigbo: Auch da gibt es experiment­elle Ansätze. Noch ist aber nichts zugelassen. Aber wenn wir es immer wieder mit solchen Ausbrüchen zu tun haben, wäre es aus meiner Sicht schon ein großer Fortschrit­t, wenn es eine Impfung geben würde, die generell gegen verschiede­ne Coronaviru­s-Typen wirkt.

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Fotos: Marcus Merk, Benedikt Siegert Während man sich an der Augsburger Uniklinik auf das Coronaviru­s vorbereite­t, kommen immer weniger chinesisch­e Touristen in die Gegend rund um die Königsschl­össer.
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Foto: Ulrich Wirth Alanna Ebigbo ist Spezialist für Infektions­krankheite­n.

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