„Wir haben eine Task-Force“
Interview Alanna Ebigbo ist Spezialist für Infektionskrankheiten. Wie er das Coronavirus einschätzt und wie sich die Uniklinik Augsburg vorbereitet
Herr Dr. Ebigbo, Sie sind Oberarzt auf der Infektionsstation der Augsburger Uniklinik. Wie gefährlich schätzen Sie das neue Coronavirus ein?
Dr. Alanna Ebigbo: Laut den Informationen, die wir bis jetzt haben, ist das neuartige Coronavirus wahrscheinlich weniger ansteckend als das Influenzavirus. Aber man muss auch sagen: Wir wissen noch relativ wenig über dieses neue Virus.
Aus China werden täglich viele neue Fälle gemeldet. Sollten sich die Erkrankungen auch in Bayern häufen: Wie ist das Uniklinikum darauf vorbereitet?
Ebigbo: Erstens haben wir in Augsburg schon Erfahrungen durch die Sars-Pandemie im Jahr 2002. Zweitens behandeln wir ja immer wieder Patienten mit Infektionskrankheiten wie Influenza oder Tuberkulose. Die Abläufe sind da nicht wesentlich anders als das, was beim Coronavirus greifen müsste. Speziell beim Coronavirus ist es aber so, dass wir für die Abteilungen, die involviert wären – Notaufnahme, Infektiologie, Klinikhygiene, Virologie und Mikrobiologie –, nun eine Task Force gebildet haben. Wir haben dabei besprochen, wie sich ein CoronavirusSzenario abspielen könnte.
Wie denn?
Ebigbo: Wenn wir einen harten Verdachtsfall haben, dann werden wir den Patienten bereits in der Notaufnahme in ein Isolierzimmer bringen. So ein Zimmer hat Doppeltüren und einen Vorraum mit Schleuse. Der Patient kann aber auch direkt auf die Infektionsstation gebracht und dort isoliert werden. Auf der Station haben wir 21 Isolierzimmer, die ein Vorzimmer mit Schleuse haben. Man desinfiziert sich, zieht sich um und geht erst dann in das Zimmer.
Auf dem Weg hinaus läuft das natürlich genauso ab.
Es ist beim Coronavirus immer die Rede von einer Seuche. Wie sehen Sie das?
Ebigbo: Man muss da auf die Zahlen verweisen, dann kann man das ins korrekte Licht rücken. In China gibt es ungefähr 6000 Fälle. Diese Zahlen werden vermutlich steigen. Andererseits weiß man nicht abschließend, wie virulent der Erreger ist. Und der Vergleich zur Influenza ist wichtig. Wir haben in Deutschland über 20 000 Todesfälle pro Jahr. Man sollte diese Dinge im Zusammenhang sehen.
Wer ist denn besonders gefährdet? Sind das – wie bei der Grippe – ältere Menschen mit Vorerkrankungen und Babys?
Ebigbo: Diese Risikogruppen gelten generell bei Infektionskrankheiten. Beim Norovirus etwa ist die Mortalität bei älteren Menschen und kleinen Kindern höher. Und anhand der Informationen, die wir bis jetzt haben, trifft das auch auf das neuartige Coronavirus zu.
Wie kann man sich anstecken? Ebigbo: Die Ansteckung erfolgt über Tröpfchen. Diese Tröpfchen können nicht viel mehr als einen Meter überwinden. Wenn man also nur im gleichen Raum ist, ist eine Ansteckung unwahrscheinlich. Aber ein Gespräch mit einem Infizierten, insbesondere wenn man angehustet oder angeniest wird, kann zu einer Übertragung führen. Auch die Händehygiene ist wichtig. Denn die Viren können auch durch Händekontakt übertragen werden. Und wenn man sich dann mit der Hand etwa in die Augen fasst, kann man angesteckt werden.
Wie werden Patienten mit Coronavirus behandelt? Gezielte Medikamente gibt es ja nicht, oder?
Ebigbo: Es gibt aus den Erfahrungen mit den Mers-Coronaviren Forschungsansätze, bei denen Medikamente in einem experimentellen Ansatz eingesetzt wurden. Diese Medikamente wären eventuell auch auf das neue Coronavirus übertragbar. Standard sind momentan aber unterstützende und symptomatische Maßnahmen und eine, falls notwendig, intensivmedizinische Behandlung. Falls es zu einer bakteriellen Superinfektion kommt, dann können Antibiotika eingesetzt werden.
Glauben Sie, dass es bald eine Impfung geben wird?
Ebigbo: Auch da gibt es experimentelle Ansätze. Noch ist aber nichts zugelassen. Aber wenn wir es immer wieder mit solchen Ausbrüchen zu tun haben, wäre es aus meiner Sicht schon ein großer Fortschritt, wenn es eine Impfung geben würde, die generell gegen verschiedene Coronavirus-Typen wirkt.