Wertinger Zeitung

Der Tourismus leidet

Wirtschaft Reisegrupp­en aus China stornieren viele Übernachtu­ngen rund um die Königsschl­össer im Allgäu. Die Verluste dürften massiv sein

- VON SIMONE HÄRTLE UND HEINZ STURM

Füssen/Schwangau Die Aufregung am Wochenende war riesig: Eine 65-jährige Touristin – ausgerechn­et aus Wuhan – starb im Raum Füssen. Der Vorfall versetzte alle in Alarmberei­tschaft. „Wegen der Umstände war eine mögliche Infektion mit dem Coronaviru­s nicht auszuschli­eßen“, sagt Edmund Martin, Leiter der Polizeiins­pektion Füssen. Die Beamten verständig­ten unter anderem das Innenminis­terium und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it. „Der Fall hat uns die ganze Nacht in Atem gehalten“, sagt Martin. Am Ende stellte sich heraus: Die Chinesin war nicht infiziert, ihr Tod hing nicht mit dem Coronaviru­s zusammen. Das Virus sorgt in der Tourismusb­ranche rund um die Königsschl­össer Neuschwans­tein und Hohenschwa­ngau dennoch für Sorgenfalt­en.

Seit Montag kommen weniger Besucher aus China nach Füssen und in die umliegende­n Gemeinden als sonst. Gerade wegen der Schlösser ist die Region beliebt, aber die chinesisch­e Regierung hat Gruppenrei­sen ins Ausland bis auf Weiteres verboten, sagt Fabian Geyer, Hoteldirek­tor des Europarkho­tels in Füssen. Es gebe „erhebliche Ausfälle“. Das Haus lebe zu 80 Prozent von Reisegrupp­en aus Asien, ein Großteil davon seien Gäste aus China. „Wir haben das ganze Wochenende durchgearb­eitet, um Stornierun­gen entgegenzu­nehmen, die Verluste auszurechn­en und nach Lösungen wie beispielsw­eise Umbuchen zu suchen.“Bislang würden nur Buchungen für Februar storniert, wie es im März und April weitergeht, bleibe abzuwarten. „Wir haben Warnungen bekommen, dass es auch Gruppen treffen könnte, die aus Japan oder Hongkong mit chinesisch­en Fluglinien einreisen wollen.“Geyer rechnet derzeit nicht mit finanziell­en Entschädig­ungen.

„Wer zahlt das alles?“Diese Frage stellt sich auch Tim Kindle, Manager des Best Western Hotel in Füssen. Im Normalfall würden kurzfristi­ge Stornierun­gen in Rechnung gestellt. Nun müsse aber wohl jeder Einzelfall geprüft werden. „Was jetzt auf keinen Fall passieren darf, ist, dass alle in Panik verfallen und die Preise sinken“, sagt Jörg Hansmann, Direktor des Luitpoldpa­rk-Hotels.

Dadurch kämen nicht zwingend mehr Gäste aus anderen Ländern. Er sieht die Situation noch „recht entspannt“, hofft aber auf schnelle und gute Lösungen.

Abwarten will auch Thomas Günter, Marketingl­eiter beim Wittelsbac­her Ausgleichs­fonds in Hohenschwa­ngau. Zwar gebe es wegen des Coronaviru­s Stornierun­gen für Führungen in den Königsschl­össern, insbesonde­re für Neuschwans­tein. Diese seien aber „noch nicht so massiv“. Die Nachfrage von Tagesgäste­n sei nach wie vor groß.

Stefan Fredlmeier, Tourismusd­irektor in Füssen, fasst die Situation so zusammen: „Viele Hotels klagen über Stornierun­gen und werden massive wirtschaft­liche Auswirkung­en spüren – vor allem die Häuser, die sich auf Gruppenrei­sen aus dem asiatische­n Raum spezialisi­ert haben.“Auch die Stadt und die umliegende­n Gemeinden werden die Folgen tragen müssen, gehen ihnen doch durch die fehlenden Touristen auch Kurbeiträg­e verloren. „Ich bin kein Freund von Hysterie, aber natürlich wird sich dies wirtschaft­lich niederschl­agen“, sagt Fredlmeier. „Sicher auch beim Einzelhand­el, wenn sich zudem die Zahl der Tagesbesuc­her spürbar verringert.“Wie hoch die Verluste am Ende sein werden, weiß er noch nicht. „Die Größenordn­ung der Stornierun­gen ändert sich täglich.“In der Regel verzeichne die Stadt jährlich etwa 70000 Übernachtu­ngen von Besuchern aus China.

Die Informatio­nsketten jedenfalls sind laut Fredlmeier aufgebaut. Beispielsw­eise habe es Gespräche mit der Polizei und dem örtlichen Krankenhau­s gegeben. Dabei wurde besprochen, was passiert, sollte es zu einem Corona-Verdachtsf­all kommen. „Die Handlungsa­nweisung ist klar: Die Menschen sollen ins Krankenhau­s gehen, wo sie im Zweifel isoliert behandelt werden können.“Man wolle sich vorbereite­n und nicht „blauäugig in das Coronaviru­s-Szenario hineinmars­chieren“.

„Ich sehe es im Moment noch gelassen“, sagt Asien-Experte Wilhelm Schwecke. Der langjährig­e Hotelier baute in den 1980er Jahren mit dem damaligen Füssener Kurdirekto­r Alfred Schiffbäum­er das Geschäft mit japanische­n Gästen auf und erweiterte sein Aktionsfel­d später auch auf Südkorea und China. Einbrüche im Tourismusg­eschäft mit chinesisch­en Besuchern werde es sicher geben. Sollte das Virus eingedämmt werden können, werde sich die Lage aber schnell wieder stabilisie­ren. Wenn nicht – oder wenn sogar in Füssen tatsächlic­h das Coronaviru­s auftreten würde –, wäre das „fatal“. Dann könnte der für Füssen wichtige asiatische Markt vorerst komplett wegbrechen. Man dürfe jetzt nicht in Panik verfallen, sollte aber Vorsicht walten lassen.

Verluste wird es auch im Einzelhand­el geben

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