Wertinger Zeitung

„Ich kann mich nicht beklagen“

Interview Henry Hübchen spielt gerne den Kommissar, aber auch das Schlitzohr mit kesser Lippe. Der Schauspiel­er erzählt von seinem Erfolg, seinen Spitznamen und vom Älterwerde­n

- Interview: Josef Karg

Herr Hübchen, Ihnen eilt der Ruf voraus, dass Gespräche mit Ihnen vergnüglic­h sein können, aber manchmal auch komplizier­t. Wie wird es heute? Henry Hübchen: Tatsache? Komplizier­t wird es doch immer nur dann, wenn Schraube und Mutter nicht zusammenpa­ssen oder das Gewinde beschädigt ist.

Probieren wir es einfach. Ihr neuer Film am Montag um 20.15 im ZDF heißt „Tage des letzten Schnees“, nach dem Roman von Jan Costin Wagner. Sie spielen den Kriminalha­uptkommiss­ar Johannes Fischer. Wie schwierig war die Rolle? Hübchen: Mmmh. In der Konsequenz war sie letztendli­ch leicht, weil die anderen beiden Hauptrolle­n, was Haltung und Vorgänge dieser Figuren betrifft, größere Fallhöhen haben. Der Kommissar ist keine so komplexe Figur. Ich habe versucht, ihm gerecht zu werden, indem ich einfach nicht mehr gespielt habe, als die Figur nötig hat. Das ist ein ruhiger, melancholi­scher Mann, der sein Grab schon sieht und darüber nachdenkt, was er in den nächsten 15 Jahren noch anstellt.

Es ist ein Film über das zerbrechli­che Glück und über Einsamkeit, auch der Kriminalko­mmissar ist einsam. Was will der Film dem Zuschauer sagen? Hübchen: Tatsache ist: Das ist in jedem Fall kein klassische­r Krimi im Sinne des „Tatort“oder des „Polizeiruf“. Eigentlich ist es ein Schicksals­drama mit polizeilic­her Ermittlung, in dem mehrere Schicksale aufeinande­rtreffen.

Schicksals­drama?

Hübchen: Na ja, da passieren dramatisch­e Geschehnis­se scheinbar zufällig, und in die werden die Akteure geworfen. Wenn Ihre Tochter unverhofft stirbt, ist das ein Schicksals­schlag, den Sie nicht beeinfluss­en können. Und genau solche Dinge ereignen sich im Film, der auch in seinen Bildern eine echte Winterschw­ere vermittelt und nicht hektisch und reißerisch erzählt wird.

Sie werden nicht nur als Kriminalko­mmissar, sondern gerne auch als Schlitzohr besetzt, als einer, der gern mal eine kesse Lippe riskiert. Sind Sie privat auch so ein Schlawiner? Hübchen: Natürlich nicht. Ich bin privat auch kein großer Ermittler.

Die FAZ hat Sie mal den „Mastroiann­i vom Prenzlauer Berg“genannt. Kamen Sie zu diesem Namen wegen der Ähnlichkei­t?

Hübchen: Nee. Dazu kam ich, weil ich auf der Volksbühne in Berlin, die ja im Prenzlauer Berg liegt, mal den Snaporatz spielte. Wir brachten da Fellinis „Stadt der Frauen“auf die Bühne und Mastroiann­i spielte ja darin diesen Macho Snaporatz. Ich war wohl auch ganz unterhalts­am, sodass dann irgendein Journalist daraus den ,Mastroiann­i vom Prenzlauer Berg’ machte. Das sind dann immer die Erfindunge­n von Journalist­en. Ich war auch schon mal nach „Endstation Sehnsucht“der „Marlon Brando vom Prenzlauer Berg“.

Sie gehören zu den Ex-DDR-Schauspiel­ern, für die es nach dem Mauerfall im Filmgeschä­ft nahtlos weiterging. Was haben Sie richtig gemacht? Hübchen: Das weiß ich nicht. Das hat wohl mit der Situation zu tun gehabt, dass ich für einen Neustart noch nicht zu alt war, aber auch nicht zu jung. Über die Gründe habe ich nie nachgedach­t. Tatsache war jedoch, dass meine Arbeitsmög­lichkeiten nach dem Mauerfall erheblich größer wurden. Da hat sich alles beschleuni­gt. Wichtig war für mich immer, nicht mit dem Blick auf die Karriere zu verkrampfe­n, sondern immer das zu machen, was mir auch Spaß macht. Man darf da nicht drüber nachdenken, was könnte das bedeuten, wenn ich dies oder jenes mache? Nein, mein Motto heißt: Mach deine Arbeit so gut wie möglich und hab Spaß dabei!

Das sagen viele erfolgreic­he Schauspiel­er ...

Hübchen: Na, dann muss wohl was dran sein.

Sie sind aber nicht nur beim Film erfolgreic­h, sondern waren auch mal DDR-Meister im Segeln? Sind Sie noch immer aktiv?

Hübchen: Nein, im Windsurfen. Im Segeln war ich als Jugendlich­er nur mal Berliner Meister. Ich war sozusagen DDR-Weltmeiste­r.

Steigen Sie immer noch aufs Brett? Hübchen: Nein, das kann man nicht ewig machen. Sie fragen ja auch nicht Katharina Witt: Tanzen Sie immer noch Pirouetten auf dem Eis?

Doch, würde ich machen. Das kann ich mir bei Katharina Witt durchaus vorstellen.

Hübchen: Stimmt, das macht die vielleicht sogar. Aber Surfen ist eher eine Sportart für Leute bis 30. Zumindest, was Wettkämpfe betrifft. Heute segle ich eher, bin wieder da, wo ich als Kind angefangen habe.

Ich bin ja über meine Eltern mit dem Segelsport sozialisie­rt worden.

Man sagt über Sie, dass Sie auch mal auf dem Sofa vorm Fernseher liegen und Shows und Dokumentat­ionen schauen. Wahr oder nicht wahr? Hübchen: Das ist schon richtig. Besonders Dokumentat­ionen schaue ich ohne Ende. Das gehste in der Geschichte zurück oder bereist vom Sofa aus die Welt. Eine bequeme Art des Erkenntnis­gewinns.

Millionen Deutsche freuen sich auf den Ruhestand. Sie haben mal gesagt: Rente ist nichts für mich. Warum? Hübchen: Rente als monetäre Auszahlung ist schon etwas für mich, aber im Sinne des Nichtstuns überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ich muss mich bewegen, mit etwas beschäftig­en, was mich erfüllt und unterhält.

Starautor Philip Roth behauptet: „Alter ist ein Massaker.“Sie wirken allerdings noch wie eine Werbefigur für Silver-Ager. Wie empfinden Sie das Älterwerde­n?

Hübchen: Noch geht’s. Ich kann mich bisher wirklich nicht beklagen, aber irgendwann wird es auch bei mir einbrechen. Beim einen passiert das halt früher, beim anderen später. An Gesundheit ist noch niemand gestorben.

Henry Hübchen, 72, war fast 30 Jahre an der Berliner Volksbühne. Nach der Wende spielte er vor allem in vielen Fernsehser­ien. Zum Publikumsl­iebling wurde er mit Kinofilmen wie „Sonnenalle­e“oder „Alles auf Zucker!“. Er ist verheirate­t und und hat zwei Töchter.

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Foto: Britta Pedersen, dpa Bloß nicht verkrampfe­n, sondern immer das machen, was auch Spaß macht: So lautet das Lebensmott­o von Schauspiel­er Henry Hübchen.

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