Wertinger Zeitung

Zverevs Wandlung

Australian Open Der 22-Jährige hat bislang seine Ansprüche bei Grand-Slam-Turnieren nicht erfüllt. Doch diesmal hat sich vieles verändert. Im Halbfinale trifft er auf Thiem

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Melbourne Auf dem erhofften Weg zu seinem ersten Grand-Slam-Titel will Alexander Zverev keinen Tennisschl­äger mehr zertrümmer­n. Seine Ausraster hat er sich in Melbourne abgewöhnt. Nichts scheint ihn bei den Australian Open zu erschütter­n. Eindrucksv­oll machte der 22-Jährige so mit seinem Erfolg gegen den früheren MelbourneC­hampion Stan Wawrinka seine Premiere im Grand-Slam-Halbfinale perfekt.

So langsam verstehe er den Spruch, in der Ruhe liege die Kraft, sagte Zverev, als er nach dem 1:6, 6:3, 6:4, 6:2 gegen den Schweizer schon fast alle Antworten im größten Pressekonf­erenzraum der Australian Open gegeben hatte. „Es wird immer noch passieren, dass ich einen Schläger kaputt mache, aber hoffentlic­h nicht diese Woche“, sagte er. „Vielleicht werde ich älter. Ich habe versucht, das zu ändern.“

Auch an seiner neu gewonnenen Ausgeglich­enheit zeigt sich, wie viel sich für den 22-Jährigen nach seinen desaströse­n Auftritten beim ATP Cup beim Saisonauft­akt in kürzester Zeit verändert hat. Wie verwandelt tritt der Hamburger bei den Australian Open auf – sowohl auf dem Platz als auch außerhalb. Und so war dieser Mittwoch, als er als erster Deutscher bei den Herren seit Tommy Haas 2009 in Wimbledon bis ins Halbfinale eines der vier wichtigste­n Turniere einzog, noch immer nicht der größte Tag seiner Karriere:

„Wenn ich ins Finale komme, wird das der glücklichs­te Tag in meinem Leben sein.“Am Freitag (9.30 Uhr MEZ/Eurosport) will der Weltrangli­sten-Siebte gegen den zweimalige­n French-Open-Finalisten Dominic Thiem den nächsten von nur noch zwei notwendige­n Schritten zum Titel schaffen. Allerdings hat er sechs der acht Partien verloren gegen den Österreich­er, der überrasche­nd den spanischen Weltrangli­sten-Ersten Rafael Nadal aus dem Turnier warf.

In einem Giganten-Halbfinale treffen schon am heutigen Donnerstag (9.30 Uhr) Roger Federer und Novak Djokovic aufeinande­r. Zverev mischt als jüngster der vier Halbfinali­sten noch mit. „Er macht gerade große Schritte als Tennisspie­ler, als Mann. Er hat in Melbourne viele Fans gewonnen“, sagte Boris Becker bei Seinen desaströse­n Saisonstar­t mit drei Niederlage­n macht der Davis-CupSpieler Down Under komplett vergessen. Seine Ansage, im Falle des Titelgewin­ns das gesamte Preisgeld von 4,12 Millionen australisc­hen Dollar (rund 2,5 Millionen Euro) für die Betroffene­n der australisc­hen Buschbränd­e zu spenden, klingt längst nicht mehr so unrealisti­sch wie noch nach der ersten Runde. Schon seit Jahren wird der jüngere Bruder von Mischa Zverev als vielverspr­echendster deutscher Tennisspie­ler seit Becker und Michael Stich gehandelt.

Eurosport.

Bei den Grand-Slam-Turnieren hatte der 1,98 Meter große Schlaks seine eigenen Ansprüche nicht erfüllt, auch nicht mit den Viertelfin­als bei den French Open 2018 und 2019. Darum, beschloss er, müsse sich etwas ändern. „Ich habe es vielleicht zu sehr gewollt. Ich habe Dinge zu profession­ell gemacht. Ich habe mit niemandem geredet. Ich bin nicht mit Freunden ausgegange­n“, schilderte er. „Ich habe das diese Woche etwas verändert. Ich bin relaxter. Ich mache viel mehr Dinge außerhalb des Platzes.“

Seine neue Freundin Brenda Patea habe geholfen. Noch beim Kennenlern­en im Oktober hatte sie keine Ahnung von Tennis, sie scheint ihn auf andere Gedanken zu bringen. Zverev wirkt gereift, freundlich. Er reagiert nicht pampig, wenn ihm Fragen nicht gefallen. Auf den Tag genau 26 Jahre, nachdem Steffi Graf zum vierten und letzten Mal in Melbourne triumphier­te, stieg Zverev jetzt zum Halbfinali­sten auf. In Melbourne hatte das Haas 2007 als zuvor letzter Deutscher geschafft. Sein erfrischen­des Selbstvert­rauen bewies Zverev auch beim Matchball: Nach einem zweiten Aufschlag rannte er ans Netz vor und wurde für seinen Mut belohnt. Vorher hatte er selbst beim ernüchtern­den 1:6 im ersten Satz keinen Schläger zertrümmer­t. Bleibt es bis zum Sonntag dabei, könnte Zverev als erster Deutscher seit Becker 1996 einen Grand-Slam-Titel feiern.

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Foto: Witters „Ich habe es vielleicht zu sehr gewollt. Ich habe Dinge zu profession­ell gemacht“, sagt Alexander Zverev über seine zahlreiche­n Rückschläg­e.

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