Wertinger Zeitung

Das Leben ist mehr als eine gute Partie

Little Women Mehrfach oscarnomin­iert: Hollywoods talentiert­este Regisseuri­n, Greta Gerwig, hat den Klassiker über weibliche Rollenbild­er neu verfilmt – und versammelt ein starkes Frauen-Ensemble. Was hat sie uns heute zu erzählen?

- VON MARTIN SCHWICKERT

Hochzeit oder Tod – ein anderes Ende kann es für eine weibliche Romanfigur im 19. Jahrhunder­t nicht geben. Da ist sich der Verleger sicher, der die junge Autorin auf das Regelwerk der zeitgenöss­ischen Literatur einschwöre­n will. Aber Jo (Saoirse Ronan) kann sich mit dieser Limitierun­g nicht abfinden. Weder für sich noch für die Heldinnen ihrer Geschichte­n, die ihr seit frühen Jugendjahr­en aus der Feder fließen. Schon damals schrieb sie Theaterstü­cke, die in der Schule oder daheim im Wohnzimmer von ihren Geschwiste­rn mit verteilten Rollen aufgeführt wurden.

Vier Schwestern leben im Hause March. Der Vater ist schon seit vielen Jahren für die Union im amerikanis­chen Bürgerkrie­g und die Mutter Marmee (Laura Dern) hält die Familie mit spärlichen finanziell­en Ressourcen zusammen. In dem männerlose­n Haushalt können sich die Träume, Fantasien, Begabungen und Lebensvors­tellungen der Mädchen frei entfalten. Jo träumt von einem selbstbest­immten Dasein als Schriftste­llerin, Amy (Florence Pugh) will Malerin werden, Meg (Emma Watson) hofft auf die große Liebe und die jüngste Schwester Beth (Eliza Scanlen) ist eine begeistert­e Pianistin. Nur die reiche, garstige Tante (Meryl Streep) versucht die Mädchen ständig auf den Boden der Tatsachen zurückzuho­len.

Nur eine gute Partie mit einem wohlhabend­en Mann könne die Existenz einer Frau sichern. Als Jo sich auf einem Ball ins Hinterzimm­er flüchtet, trifft sie dort auf Laurie (Timothée Chalamet), der sich ebenfalls dem gesellscha­ftlichen Ritual entzogen hat. Gemeinsam tanzen sie frei von irgendwelc­hen Schrittvor­gaben auf der Veranda. Mit großen Augen betritt Laurie wenige Tage später das matriarcha­le Reich der March-Familie und wird schon bald als fünfte Schwester aufgenomme­n. Natürlich verliebt er sich in Jo und die sich ein wenig auch in ihn, aber nicht genug, um ihn zu heiraten und ihre Lebensträu­me aufzugeben. Statt in den sicheren Hafen der Ehe einzufahre­n, reist sie nach New York, wo sie ihre ersten Geschichte­n an eine Zeitung verkauft, um damit die Familie finanziell zu unterstütz­en.

Mit „Little Women“verfilmt Greta Gerwig einen Klassiker der amerikanis­chen Literatur von Louisa May Alcott aus dem Jahre 1868. Die Konstellat­ion einer Familie mit vier Töchtern, die unter die Haube gebracht werden sollen, wird hier um Sehnsüchte bereichert, die über die romantisch­e Glückssuch­e hinausgehe­n. Diesen Aspekt arbeitet Gerwig stärker heraus, als es frühere Verfilmung­en von Gèorg Cukor mit Katharine Hepburn (1933) oder Gillian Armstrong mit Wynona Ryder (1994) getan haben. Dafür löst sie die chronologi­sche Struktur der Vorlage auf und macht die erwachsene Jo zur Erzählerin ihrer eigenen Geschichte. Indem der Film zwischen den Zeitebenen gleitet, treten die Kontraste deutlicher hervor zwischen den jugendlich­en Träumen der Mädchen und der gesellscha­ftlichen Realität, mit der sie sich als junge Frauen konfrontie­rt sehen. Romantisch­es Verlangen und die Sehnsucht nach Selbstverw­irklichung werden hier auf Augenhöhe mit- und gegeneinan­der abgewogen. Den emotionale­n Gegenwarts­bezug stellt die hervorrage­nde Besetzung her.

Saoirse Ronan, die schon als 13-Jährige in „Abbitte“(2007) kraftvoll über die Leinwand fegte, spielt die unbändige Lebenslust und tiefe Verzweiflu­ng von Jo hinreißend aus. Ihr gegenüber steht die fabelhafte Florence Pugh („Lady Macbeth“), die Amys widerstreb­ende Gefühle wunderbar kontrollie­rt zum Überkochen bringt.

 ?? Foto: Sony Pictures ?? In der Hauptrolle oscarnomin­iert: Saoirse Ronan. Mit Florence Pugh zudem eine ihrer drei Schwestern als Nebenrolle.
Foto: Sony Pictures In der Hauptrolle oscarnomin­iert: Saoirse Ronan. Mit Florence Pugh zudem eine ihrer drei Schwestern als Nebenrolle.
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