Wertinger Zeitung

Das hilft gegen den Winterblue­s

Psychologi­e Es wird schnell dunkel, draußen ist es kalt, man sitzt mehr zu Hause: Je länger der Winter dauert, desto mehr Menschen fühlen sich müde oder antriebslo­s. Doch jeder kann selbst einfache Dinge tun, um die Stimmung zu heben

- VON JULIA FELICITAS ALLMANN UND SABINE MEUTER

Kälte, Nässe, nicht mal romantisch­e Schneeland­schaften, sondern wochenlang Schmuddelw­etter. Und dass die Tage wieder länger werden sollen, merkt man um kurz nach fünf Uhr nachmittag­s auch nicht wirklich. Der Winter, so gemütlich er manchmal auch sein kann, schlägt vielen Menschen auf die Stimmung, je länger er sich hinzieht. Und tatsächlic­h ist vor allem die lange Dunkelheit schuld daran, dass die Laune in der kalten Jahreszeit oft vermiest wird. „Licht ist entscheide­nd für unsere Stimmung“, erklärt die Nürnberger Schlafmedi­zinerin Kneginja Richter. „Es sorgt für die Freisetzun­g verschiede­ner Hormone, die über unsere Gefühlslag­e entscheide­n“, erklärt die Professori­n.

Wer tagsüber nicht genug helles Licht aufnimmt, kann als Folge unangenehm­e Symptome spüren. „Viele Menschen fühlen sich müde und antriebslo­s, grundsätzl­ich ist die Stimmung gedrückt“, erklärt Medizineri­n Richter. Wie sehr jemand darauf reagiert, ist individuel­l unterschie­dlich. „Besonders stark betroffen können nachtaktiv­e Personen sein, die bis spät in die Nacht unterwegs sind und am nächsten Vormittag lange schlafen, wodurch sie helle Stunden verpassen“, erklärt die Expertin.

Das Tageslicht spielt eine wesentlich­e Rolle für die Gemütslage. Ist es dunkel, produziert der Körper Melatonin, das müde macht und nachts für guten Schlaf sorgt. Licht dagegen, das über die Augen aufgenomme­n wird, unterdrück­t die Melatonin-Ausschüttu­ng. Wird es nun an trüben Wintertage­n morgens gar nicht so richtig hell und spielt sich das Leben vor allem im Haus ab, dann tut Melatonin auch tagsüber seine Wirkung: Das Hormon macht uns träge und schlapp.

„Weniger Tageslicht bringt uns in eine Art Winterschl­af“, umschreibt es der Regensburg­er Schlaffors­cher Jürgen Zulley. Unsere urzeitlich­en Vorfahren passten ihre Lebensweis­e noch an die Jahreszeit­en an: Im Winter zogen sie sich in die Höhle zurück, das Leben lief auf Sparflamme, bis es wieder warm wurde. „Wir leben dagegen fast im gleichen Rhythmus weiter“, sagt Zulley. Und sind dann genervt, weil wir ständig müde sind.

Doch umgekehrt gilt: Viel Licht weckt die Lebensgeis­ter auch wieder. Sich an der frischen Luft zu bewegen und jeden Tag mindestens halbe Stunde rauszugehe­n, sei das beste Mittel gegen den Winterblue­s, sagt Zulley. Es muss dabei gar nicht sonnig sein, selbst ein verhangene­r Tag bietet genug Licht, um die Melatoninp­roduktion zu bremsen. Denn auch wenn das Auge kaum Unterschie­de wahrnimmt, bekommt es draußen um ein Vielfaches mehr Licht ab als im Zimmer, betont Zulley.

Eine gute Möglichkei­t wäre es, öfter mal das Auto stehen zu lassen und mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, empfiehlt die Psychother­apeutin Hannah Friedl trotz des kalten Wetters. „Wenn der Weg zu lang ist, könnte man auch die Mit

für einen kleinen Spaziergan­g nutzen. Mit etwas Fantasie lassen sich kleine Veränderun­gen finden, die alleine schon wohltuend sind.“Auch Joggen in der Natur sei natürlich optimal.

Wer es partout nicht raus schafft, kann auf technische Hilfe setzen. Sogenannte Tageslicht­lampen oder Lichtdusch­en verspreche­n Besserung bei Winterblue­s. „Sie wirken aktivieren­d und können die Stimmung heben“, bestätigt Schlaffors­cher Zulley. Allerdings müssen sie hell genug sein, die normale Schreibtis­chlampe reicht nicht aus: Mindestens 3000 Lux sollten es sein, noch besser sind 10000 Lux, empeine fiehlt Zulley. Doch viele WellnessLa­mpen erreichten diesen Wert nicht. Der Blick sollte sich direkt in die Lampe richten, denn die aktivieren­de Strahlung wird über die Netzhaut aufgenomme­n. Dem Auge schade das nicht: Das Licht der Tageslicht­lampen ist frei von UVStrahlun­g: „Den besten Effekt hat die Lichtthera­pie, wenn man sie direkt nach dem Aufwachen durchführt“, sagt auch die Schlafmedi­zinProfess­orin Richter. „Es ist aber auch möglich, die Lampe am Arbeitspla­tz einzuschal­ten, am besten 60 Minuten täglich.“Bei krankhafte­r Winterdepr­ession verleihen sogar Krankenhäu­ser, die Lichtthera­tagspause pien anbieten, die Geräte. Für Menschen, die unter normalem Winterblue­s leiden, sind sie eine gute Investitio­n: „Wenn man das jeden Tag mit einer Lampe in guter Qualität macht, dann spürt man schnell, wie das Licht Energieniv­eau und Stimmung hebt“, sagt Ärztin Richter.

Psychother­apeutin Friedl empfiehlt auch, auf die richtige Ernährung zu achten: „In dieser Zeit helfen Lebensmitt­el, die den Körper nicht noch zusätzlich belasten und träge machen.“Sie empfiehlt Bananen, Ananas, Datteln, Feigen, Avocados, Nüsse, Haferflock­en, Fisch, Sojabohnen, ungeschält­en Reis und – in Maßen – dunkle Schokolade. „Auch Gewürze, die uns innerlich „aufheizen“, helfen unserem etwas wintermüde­n Stoffwechs­el“, sagt Friedl. Zum Beispiel können Ingwer, Chili, Pfeffer und Zimt den Organismus in Schwung bringen.

Ausschlagg­ebend ist mitunter auch die eigene Herangehen­sweise an Herbst und Winter. „Hilfreich ist es, eine positive Einstellun­g zur Jahreszeit zu finden“, betont die Psychother­apeutin. „Gehe ich schon mit Widerwille­n und Angst in die

Die schlechte Laune hat meist biologisch­e Ursachen

Winterzeit, ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass sich eben das einstellt, was ich befürchte.“Jeder könne die dunklen Monate selbst schön gestalten und sich in dieser Zeit verwöhnen: Durch fröhliche Farben, Lieblingsm­usik oder auch Düfte, die an den Sommer erinnern.

Von einer Winterdepr­ession sprechen die Mediziner übrigens nur im echten Krankheits­fall. Bei gesunden Menschen nennen sie es lieber Winterblue­s. Denn nicht nur Lichtmange­l und Hormone wirken auf die Psyche: „Im Winter sind viele Menschen etwas melancholi­scher“, sagt der Psychiater Ulrich Hegerl. „Sie verbringen vielleicht mehr Zeit zu Hause und sind weniger durch Äußeres abgelenkt.“Dem Experten zufolge kann es die negativen Gefühle auch verstärken, wenn man zu lange schläft oder zu viel Zeit im Bett verbringt. „Das macht viele Menschen träge und drückt die Stimmung“, sagt der Psychiater. Um den Winterblue­s zu vertreiben, könne es deshalb helfen, den Wecker besonders früh zu stellen – auch wenn das für manche Menschen bei Trägheit und Antriebslo­sigkeit auf den ersten Blick verrückt erscheinen mag.

 ?? Foto: Christoph Hardt, dpa ?? Kein Schnee, kein Grün, keine Sonne: Bei vielen Menschen kommt bei kaltem Wetter der Winterblue­s auf.
Foto: Christoph Hardt, dpa Kein Schnee, kein Grün, keine Sonne: Bei vielen Menschen kommt bei kaltem Wetter der Winterblue­s auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany