Das hilft gegen den Winterblues
Psychologie Es wird schnell dunkel, draußen ist es kalt, man sitzt mehr zu Hause: Je länger der Winter dauert, desto mehr Menschen fühlen sich müde oder antriebslos. Doch jeder kann selbst einfache Dinge tun, um die Stimmung zu heben
Kälte, Nässe, nicht mal romantische Schneelandschaften, sondern wochenlang Schmuddelwetter. Und dass die Tage wieder länger werden sollen, merkt man um kurz nach fünf Uhr nachmittags auch nicht wirklich. Der Winter, so gemütlich er manchmal auch sein kann, schlägt vielen Menschen auf die Stimmung, je länger er sich hinzieht. Und tatsächlich ist vor allem die lange Dunkelheit schuld daran, dass die Laune in der kalten Jahreszeit oft vermiest wird. „Licht ist entscheidend für unsere Stimmung“, erklärt die Nürnberger Schlafmedizinerin Kneginja Richter. „Es sorgt für die Freisetzung verschiedener Hormone, die über unsere Gefühlslage entscheiden“, erklärt die Professorin.
Wer tagsüber nicht genug helles Licht aufnimmt, kann als Folge unangenehme Symptome spüren. „Viele Menschen fühlen sich müde und antriebslos, grundsätzlich ist die Stimmung gedrückt“, erklärt Medizinerin Richter. Wie sehr jemand darauf reagiert, ist individuell unterschiedlich. „Besonders stark betroffen können nachtaktive Personen sein, die bis spät in die Nacht unterwegs sind und am nächsten Vormittag lange schlafen, wodurch sie helle Stunden verpassen“, erklärt die Expertin.
Das Tageslicht spielt eine wesentliche Rolle für die Gemütslage. Ist es dunkel, produziert der Körper Melatonin, das müde macht und nachts für guten Schlaf sorgt. Licht dagegen, das über die Augen aufgenommen wird, unterdrückt die Melatonin-Ausschüttung. Wird es nun an trüben Wintertagen morgens gar nicht so richtig hell und spielt sich das Leben vor allem im Haus ab, dann tut Melatonin auch tagsüber seine Wirkung: Das Hormon macht uns träge und schlapp.
„Weniger Tageslicht bringt uns in eine Art Winterschlaf“, umschreibt es der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley. Unsere urzeitlichen Vorfahren passten ihre Lebensweise noch an die Jahreszeiten an: Im Winter zogen sie sich in die Höhle zurück, das Leben lief auf Sparflamme, bis es wieder warm wurde. „Wir leben dagegen fast im gleichen Rhythmus weiter“, sagt Zulley. Und sind dann genervt, weil wir ständig müde sind.
Doch umgekehrt gilt: Viel Licht weckt die Lebensgeister auch wieder. Sich an der frischen Luft zu bewegen und jeden Tag mindestens halbe Stunde rauszugehen, sei das beste Mittel gegen den Winterblues, sagt Zulley. Es muss dabei gar nicht sonnig sein, selbst ein verhangener Tag bietet genug Licht, um die Melatoninproduktion zu bremsen. Denn auch wenn das Auge kaum Unterschiede wahrnimmt, bekommt es draußen um ein Vielfaches mehr Licht ab als im Zimmer, betont Zulley.
Eine gute Möglichkeit wäre es, öfter mal das Auto stehen zu lassen und mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, empfiehlt die Psychotherapeutin Hannah Friedl trotz des kalten Wetters. „Wenn der Weg zu lang ist, könnte man auch die Mit
für einen kleinen Spaziergang nutzen. Mit etwas Fantasie lassen sich kleine Veränderungen finden, die alleine schon wohltuend sind.“Auch Joggen in der Natur sei natürlich optimal.
Wer es partout nicht raus schafft, kann auf technische Hilfe setzen. Sogenannte Tageslichtlampen oder Lichtduschen versprechen Besserung bei Winterblues. „Sie wirken aktivierend und können die Stimmung heben“, bestätigt Schlafforscher Zulley. Allerdings müssen sie hell genug sein, die normale Schreibtischlampe reicht nicht aus: Mindestens 3000 Lux sollten es sein, noch besser sind 10000 Lux, empeine fiehlt Zulley. Doch viele WellnessLampen erreichten diesen Wert nicht. Der Blick sollte sich direkt in die Lampe richten, denn die aktivierende Strahlung wird über die Netzhaut aufgenommen. Dem Auge schade das nicht: Das Licht der Tageslichtlampen ist frei von UVStrahlung: „Den besten Effekt hat die Lichttherapie, wenn man sie direkt nach dem Aufwachen durchführt“, sagt auch die SchlafmedizinProfessorin Richter. „Es ist aber auch möglich, die Lampe am Arbeitsplatz einzuschalten, am besten 60 Minuten täglich.“Bei krankhafter Winterdepression verleihen sogar Krankenhäuser, die Lichttheratagspause pien anbieten, die Geräte. Für Menschen, die unter normalem Winterblues leiden, sind sie eine gute Investition: „Wenn man das jeden Tag mit einer Lampe in guter Qualität macht, dann spürt man schnell, wie das Licht Energieniveau und Stimmung hebt“, sagt Ärztin Richter.
Psychotherapeutin Friedl empfiehlt auch, auf die richtige Ernährung zu achten: „In dieser Zeit helfen Lebensmittel, die den Körper nicht noch zusätzlich belasten und träge machen.“Sie empfiehlt Bananen, Ananas, Datteln, Feigen, Avocados, Nüsse, Haferflocken, Fisch, Sojabohnen, ungeschälten Reis und – in Maßen – dunkle Schokolade. „Auch Gewürze, die uns innerlich „aufheizen“, helfen unserem etwas wintermüden Stoffwechsel“, sagt Friedl. Zum Beispiel können Ingwer, Chili, Pfeffer und Zimt den Organismus in Schwung bringen.
Ausschlaggebend ist mitunter auch die eigene Herangehensweise an Herbst und Winter. „Hilfreich ist es, eine positive Einstellung zur Jahreszeit zu finden“, betont die Psychotherapeutin. „Gehe ich schon mit Widerwillen und Angst in die
Die schlechte Laune hat meist biologische Ursachen
Winterzeit, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich eben das einstellt, was ich befürchte.“Jeder könne die dunklen Monate selbst schön gestalten und sich in dieser Zeit verwöhnen: Durch fröhliche Farben, Lieblingsmusik oder auch Düfte, die an den Sommer erinnern.
Von einer Winterdepression sprechen die Mediziner übrigens nur im echten Krankheitsfall. Bei gesunden Menschen nennen sie es lieber Winterblues. Denn nicht nur Lichtmangel und Hormone wirken auf die Psyche: „Im Winter sind viele Menschen etwas melancholischer“, sagt der Psychiater Ulrich Hegerl. „Sie verbringen vielleicht mehr Zeit zu Hause und sind weniger durch Äußeres abgelenkt.“Dem Experten zufolge kann es die negativen Gefühle auch verstärken, wenn man zu lange schläft oder zu viel Zeit im Bett verbringt. „Das macht viele Menschen träge und drückt die Stimmung“, sagt der Psychiater. Um den Winterblues zu vertreiben, könne es deshalb helfen, den Wecker besonders früh zu stellen – auch wenn das für manche Menschen bei Trägheit und Antriebslosigkeit auf den ersten Blick verrückt erscheinen mag.