Wertinger Zeitung

Auf dem Arbeitsmar­kt wird es kühler

Beschäftig­ung Der Jahresbegi­nn markiert einen Wandel. Und die Zahl der Kurzarbeit­er steigt

-

Nürnberg Jahrelang kamen vom deutschen Arbeitsmar­kt vor allem Jubelbotsc­haften: sinkende Arbeitslos­igkeit, unbesetzte Stellen, genügend Geld für allerlei Maßnahmen, um regionale oder branchensp­ezifische Probleme zu bekämpfen. Doch der Rückenwind der vergangene­n Jahre hat sich für 2020 gedreht. Im Januar waren nicht nur 200000 Menschen mehr ohne Job als noch im Dezember 2019, sondern auch rund 20000 mehr als vor einem Jahr, wie die Bundesagen­tur für Arbeit am Donnerstag mitteilte. Insgesamt waren 2,426 Millionen Personen arbeitslos gemeldet. Die Quote stieg im Januar um 0,4 Punkte im Vergleich zum Dezember 2019 auf 5,3 Prozent – das gleiche Niveau wie vor einem Jahr.

Die Bundesagen­tur sieht deswegen keinen Anlass zur Panik. „Die konjunktur­elle Schwäche hinterläss­t weiterhin Spuren auf dem Arbeitsmar­kt“, sagte der Vorstandsv­orsitzende der Bundesagen­tur, Detlef Scheele. Aber die saisonalen Aspekte beim Januar-Anstieg überwögen. Die Beschäftig­ung wachse noch immer, wenn auch nicht mehr so stark wie bisher. Insgesamt sehen Volkswirte und Arbeitsmar­ktexperten weiterhin einen robusten Arbeitsmar­kt in Deutschlan­d. Mit einer sich leicht erholenden Konjunktur – vor allem in der Industrie – und einem weiterhin hohen Bedarf an Fachkräfte­n könnte mittelfris­tig die Zahl der Arbeitslos­en weiter abnehmen.

Die Bundesagen­tur sieht den Mangel an Fachkräfte­n weiterhin als entscheide­nde Wachstumsb­remse in Deutschlan­d an. Der Stellenind­ex des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung ist in der Summe weiter leicht positiv. „Die meisten Beschäftig­ten in Deutschlan­d brauchen sich auch 2020 um ihren Arbeitspla­tz nicht zu sorgen“, sagte die Chefvolksw­irtin der KfW-Bankengrup­pe, Fritzi Köhler-Geib. Jedoch warnt sie vor allzu großer Gelassenhe­it: „Eine Umkehr der schwachen Arbeitsmar­ktentwickl­ung ist wohl frühestens zum Jahresende zu erwarten.“Allgemein werde damit gerechnet, dass sich die Weltwirtsc­haft und der deutsche Export im Jahresverl­auf allmählich erholen. Doch die außenwirts­chaftliche­n Risiken blieben die Achillesfe­rse der sonst erfolgreic­hen deutschen Exportwirt­schaft.

Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) sprach von einem weiterhin robusten Arbeitsmar­kt und lobte vor allem den Abbau bei der Langzeitar­beitslosig­keit. „Die Zahl der Langzeitar­beitslosen ist weiter rückläufig und im Vergleich zum Vorjahresm­onat um 50 000 auf 724 000 gesunken“, sagte Heil. Hierzu trage auch das neue Teilhabech­ancengeset­z bei, durch das mittlerwei­le rund 44 000 Personen in sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung gekommen seien. Ein Anstieg der Arbeitslos­igkeit im Januar ist in Deutschlan­d normal. Unter anderem fallen wegen des Winterwett­ers Jobs auf dem Bau weg.

Der Anstieg der Arbeitslos­igkeit zu Jahresbegi­nn hat nach Angaben der Bundesagen­tur in diesem Jahr aber auch damit zu tun, dass die Nachfrage nach Arbeitskrä­ften im Vergleich zum Vorjahr deutlich nachgelass­en hat – obwohl sie sich weiter auf hohem Niveau befindet. Der Statistik zufolge waren im Januar 2020 rund 90 000 offene Stellen weniger gemeldet als vor einem Jahr.

Auch

Arbeitsage­ntur-Chef

Scheele sieht Zeichen, die nicht nur rosige Zeiten voraussage­n: Die Zahl der Kurzarbeit­er etwa dürfte nach Hochrechnu­ngen der Bundesagen­tur auf ein Niveau steigen, dass das aus dem Euro-Schuldenkr­isenjahr 2013 noch übertrifft. Die jüngsten belastbare­n Zahlen stammen aus dem November 2019: Damals waren 96 000 Menschen bundesweit in Kurzarbeit. Die Bundesagen­tur gehe auf der Grundlage von Hochrechnu­ngen davon aus, dass sich die Zahl bis Januar auf 107 000 und bis Februar um weitere 10 000 erhöht habe. Damit wäre der Höchstwert von 2013 – damals waren es mehr als 103 000 – überschrit­ten. Zum Vergleich: Zur Zeit der großen Finanzkris­e 2009 waren mehr als 1,4 Millionen Menschen in Deutschlan­d in Kurzarbeit. Einen solchen Anstieg erwartet Scheele im Jahresverl­auf nicht annähernd. „Wir gehen nicht von einer Explosion nach oben aus, wir gehen eher von gleichblei­benden Zahl aus“, betonte er. Auch wenn er etwa in der Autoindust­rie Probleme durch den Zusammenpr­all strukturel­ler und konjunktur­eller Probleme sieht. Er begrüßt in diesem Zusammenha­ng die Bemühungen der Großen Koalition, Kurzarbeit­ergeld auf bis zu 24 Monate verlängern, wenn die Kurzarbeit an berufliche Fortbildun­g gekoppelt wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany