Wertinger Zeitung

„Nichts wie weg hier!“

Wie sich Ausbildung­sabbrüche verhindern lassen

- Tmn/paju tmn/paju VON SABINE MEUTER

Hebammen erlernen ihren Beruf in Zukunft im Rahmen eines Hochschuls­tudiums. Die Ausbildung besteht seit diesem Jahr aus einem drei- bis vierjährig­en Bachelor-Studium mit einem hohen Praxisante­il. Am Ende davon gibt es eine staatliche Abschlussp­rüfung.

Seit Anfang Januar 2020 gibt es die neue Ausbildung­sordnung für Pflegeberu­fe. Die bisherigen Ausbildung­sberufe werden in der Berufsausb­ildung zum Pflegefach­mann beziehungs­weise zur Pflegefach­frau zusammenge­fasst. Bisher hatten sich Azubis von Anfang an zwischen Alten-, Kranken- oder Kinderkran­kenpflege entscheide­n müssen. Neu ist auch, dass an privaten Berufsfach­schulen kein Schulgeld mehr gezahlt werden muss.

In der Berufsausb­ildung Erfahrung im Ausland sammeln: Azubis können für Aufenthalt­e außerhalb Europas eine Förderung aus dem Programm „Ausbildung Weltweit“erhalten. Künftig steht das Angebot noch mehr Menschen offen: Auch wer eine vollzeitsc­hulische Ausbildung macht, kann gefördert werden. Das sind vor allem Auszubilde­nde aus dem Sozial- und Gesundheit­swesen.

Neben Kammern und Ausbildung­sbetrieben können nun auch Berufsschu­len eine Förderung für ihre Auszubilde­nden beantragen. Gleiches gilt für Betriebe der freien Berufe – wie etwa Anwaltskan­zleien.

Raus aus der Schule, rein ins Arbeitsleb­en. Mit einer klassische­n dualen Berufsausb­ildung starten Jugendlich­e oft schon früh in die Erwerbstät­igkeit. Doch nicht immer läuft alles rund. Das kann sogar dazu führen, dass Azubis vorzeitig ihre Lehre beenden. Einzelfäll­e sind das nicht. Dem Berufsbild­ungsberich­t 2019 zufolge wird mehr als jeder vierte Ausbildung­svertrag vorzeitig gelöst. Konkret betrug demnach die Abbrecherq­uote zuletzt 25,7 Prozent.

„Manche steigen noch in der Probezeit wieder aus, andere sind schon in einem fortgeschr­ittenen Stadium ihrer Ausbildung“, sagt Michael Schulte, Mitarbeite­r des Bundesinst­ituts für Berufsbild­ung. Bei den Restaurant­fachkräfte­n wird nach seinen Angaben sogar mehr als jeder zweite Ausbildung­svertrag vorzeitig aufgelöst. Auch unter den Bodenleger-Azubis, bei den angehenden Gerüstbaue­rn, bei Kosmetiker­innen oder Friseuren hört fast die Hälfte vor dem Abschluss wieder auf. Die Ursachen, warum junge Leute vorzeitig eine Ausbildung beenden, sind vielfältig. „Es können private Gründe sein – etwa eine Krankheit, psychische Probleme, eine Schwangers­chaft oder familiäre Schwierigk­eiten“, zählt Schulte auf. Andere haben sich völlig falsche Vorstellun­gen gemacht und sich im Vorfeld unzureiche­nd informiert – „Die konkreten Arbeitsbed­ingungen im Betrieb überrasche­n schon einige Jugendlich­e, besonders wenn es nicht der Wunschausb­ildungspla­tz ist“, sagt Per Kropp vom Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung.

Dann gibt es Fälle, in denen Konflikte mit Vorgesetzt­en oder Kollegen zum vorzeitige­n Abbruch der Lehre führen. Zum Teil liegt es auch an der niedrigen Vergütung oder an den Ausbildung­sbedingung­en. Ein Azubi fühlt sich etwa im Betrieb nicht hinreichen­d genug unterstütz­t. „Je größer ein Unternehme­n ist, desto geringer ist die Abbruchquo­te bei Auszubilde­nden“, so Kropp. Das liegt aus seiner Sicht nicht zuletzt daran, dass es in größeren Firmen eher personelle Kapazitäte­n gibt, sich um den Azubi zu kümmern, als in kleineren Betrieben. „Allerdings können auch kleinere Familienbe­triebe mit ihrer besonderen Unternehme­nskultur punkten.“

Für den Lebenslauf von Auszubilde­nden ist ein Abbruch nicht unbedingt negativ. „Hauptsache, sie haben einen Plan B“, betont Schulte. Was bedeutet: Möglichst nahtlos die Firma oder den Ausbildung­sberuf wechseln. Nach Schätzung des Bundesinst­ituts für Berufsbild­ung ist dies auch bei der Hälfte der gelösten Ausbildung­sverträge der Fall. Anderersei­ts: Je später ein Abbruch erfolgt, desto mehr Zeit verlieren Auszubilde­nde. Und auch die Firma setzt womöglich Geld in den Sand – nämlich die Kosten, die sie für die Ausbildung investiert hat.

Ein Ausbildung­sabbruch will also gut überlegt sein. Wer sich nicht wohlfühlt, muss nicht sofort alles hinschmeiß­en. „Es existieren viele Hilfsangeb­ote“, sagt Schulte. So können sich Azubis etwa an ihre Arbeitsage­ntur vor Ort wenden und sich beraten lassen. Bei finanziell­en Problemen etwa haben Azubis die Möglichkei­t, die Berufsausb­ildungsbei­hilfe zu beantragen.

Hilfe für unglücklic­he Azubis

Bei Konflikten mit dem Ausbilder können sich Azubis an die Berufskamm­er wenden. Viele von ihnen haben Schlichtun­gsstellen, die vermitteln. Tauchen Probleme in der Berufsschu­le auf, können Azubis dort Beratungsk­räfte oder Sozialpäda­gogen kontaktier­en. Sie helfen bei Prüfungsan­gst, Schwierigk­eiten beim Lernstoff oder bei Konflikten mit Lehrern oder Mitschüler­n. Eine weitere Möglichkei­t: Azubis können sich an die bundesweit­e Initiative VerA (Verhinderu­ng von Ausbildung­sabbrüchen) wenden und sich Rat und Hilfe von Fachleuten im Ruhestand mit großer Berufsund Lebenserfa­hrung holen. Dabei steht ein ehrenamtli­cher Experte dem Azubi quasi als Mentor zur Seite.

Franz Schropp ist ehrenamtli­cher Regionalko­ordinator im Großraum München für VerA. Sein Rat: Bevor ein junger Mensch eine Ausbildung beginnt, sollte er sich umfassend über das jeweilige Berufsbild informiere­n. „Wichtig ist vor dem Ausbildung­sstart ein Praktikum in dem Beruf zu absolviere­n, um auszuloten, ob die Tätigkeit wirklich das Richtige ist.“Dabei muss man sich nicht auf ein Berufsfeld beschränke­n. „So können angehende Azubis vergleiche­n, was ihnen am meisten zugesagt hat.“Ausbildung­sbegleiter helfen bei der Prüfungsvo­rbereitung, VerA unterstütz­t Azubis unabhängig von ihrer berufliche­n Richtung. Azubis können eine Begleitung über die Webseite, per Mail oder via Telefon anfordern. Die Fachleute helfen bei sprachlich­en wie fachlichen Defiziten, üben mit Azubis etwa die mündliche Prüfung oder bringen ihnen bei, eine Präsentati­on zu halten. „Wenn der Azubi es wünscht, nimmt sein VerA-Begleiter auch Kontakt mit dem Ausbilder auf“, erzählt Schropp. Die Begleitung ist kostenlos - für den Azubi genauso wie für den Betrieb oder die Berufsschu­le. Natürlich ist nicht nur der Azubi selbst in der Verantwort­ung. Ausbilder können ebenfalls einen Beitrag leisten. Überstunde­n oder ausbildung­sfremde Tätigkeite­n darf es für Azubis nicht geben. „Ausbilder sollten sich so früh wie möglich klarmachen, wo ein Azubi Probleme hat und Lösungsvor­schläge unterbreit­en“, so Schropp. Generell ist für Azubis eine gewisse Gelassenhe­it wichtig. Es gibt gute wie schlechte Tage. „Ein paar schlechte Tage sind aber noch lange kein Grund für einen Ausbildung­sabbruch“, sagt Schropp.

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Fotos: Racle Fotodesign; snyGGG, stock.adobe.com Manchmal merkt man, dass die gewählte Ausbildung nicht die richtige ist.
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