Wertinger Zeitung

Fuggerei als Vorbild für neue Sozialproj­ekte

Pläne Wie können Wohnkonzep­te für die Zukunft aussehen? In der Diskussion im Sozialauss­chuss des Stadtrats spielt dabei die weltberühm­te Siedlung eine Rolle – aber nicht nur

- VON JONAS VOSS

Augsburg ist Stiftersta­dt: 155 gemeinnütz­ige Stiftungen sind in der Stadt verzeichne­t, die bekanntest­e dürfte die Fuggerei sein. Jakob Fugger – er soll einer der reichsten Menschen seiner Zeit gewesen sein – gründete am 23. August 1521 selbst drei Stiftungen. Eine davon verwaltet bis heute die älteste Sozialsied­lung der Welt. Zum 500-jährigen Jubiläum im kommenden Jahr hat die Fuggerei Großes vor – ihr Konzept soll in die Gegenwart übertragen werden.

Wie die Sprecherin der Fuggerei Astrid Gabler erklärt, beschäftig­e man sich in Vorstand und Geschäftsf­ührung der Fuggersche­n Stiftungen seit einigen Jahren mit der 500-Jahr-Feier. „Wir stellen immer wieder das internatio­nale Interesse an der Fuggerei fest, bedingt durch den Modellchar­akter der Siedlung.“Weil Wohnen ein Megathema sei und bleibe, gehe es nun um die Frage: „Wieso funktionie­rt die Sozialsied­lung und was kann man daraus für die Zukunft lernen?“Eine Frage, die auch den Sozialauss­chuss der Stadt beschäftig­t. Unter Vorsitz von Bürgermeis­ter Stefan Kiefer (SPD) diskutiert­en die Stadträte über einen Antrag der CSU-Fraktion. Gemeinsam mit den Fuggersche­n und anderen Stiftungen sollen Konzepte für Wohnen in modernen und bürgerscha­ftlichen Gemeinwohl­projekten umgesetzt werden. In Augsburg gibt es aktuell rund 8000 Sozialwohn­ungen und jede neue Wohnanlage in Augsburg soll künftig 30 Prozent Wohnraum mit Sozialbind­ung aufweisen.

Aber: Der CSU-Antrag und die Idee der Fuggersche­n Stiftungen gehen weit über die Verwirklic­hung von günstigem Wohnraum hinaus. Vielmehr denkt man darüber nach, Wohnquarti­ere zu schaffen, die Wohnen mit pädagogisc­hen Konzepten sowie mit Arbeitsplä­tzen, Treffpunkt­en für die Bewohner, mehrere Generation­en verknüpfen – um nur ein paar Ideen zu nennen. Denn konkret ist noch nichts, alle Parteien stehen am Anfang.

Beispiele für solche modernen, urbanen Wohnformen lassen sich in Augsburg bereits finden. Etwa das Ellinor-Holland-Haus, ein Projekt der Stiftung Kartei der Not. Im Haus finden Menschen, die unverschul­det in Not geraten sind, eine vorübergeh­ende Bleibe, um sich zu sortieren und mit Hilfe von Fachleuten zu lernen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Kiefer sagte im Ausschuss: „Wir wollen als Stadt mit allen relevanten Partnern sprechen und gegebenenf­alls zusammenar­beiten.“Dazu gehört beispielsw­eise die Katholisch­e

Waisenhaus-Stiftung mit der St.Gregor-Jugendhilf­e; sie haben dem Ausschuss bereits ein Konzept vorgelegt. Das „Urban Village“könnte gemeinscha­ftliches Wohnen von Menschen mit besonderen Bedürfniss­en, Betreuern, Senioren und anderen verwirklic­hen. Oder die städtische Fritz-Hintermayr-Stiftung, die ihre Bungalow-Anlage im Antonsvier­tel neu konzeption­ieren möchte. Eine höhere Bebauung, eine Ausweitung der Klientel von Senioren auf Menschen jeglicher Altersgrup­pe, von Betreuern und zu Betreuende­n ist angedacht.

Doch noch ist das alles Zukunftsmu­sik. Im Sozialauss­chuss einigte man sich zwar, dem ging aber eine teils intensive und wenig sachdienli­che Diskussion voraus. So vertrat Stadtrat Alexander Süßmair (PolitWG) die Auffassung, „Stiftungen sind anachronis­tische Überbleibs­el“und „zutiefst undemokrat­isch“. Eine Aussage, die bei Max Weinkamm (CSU) Widerspruc­h hervorrief. „Ich hoffe, Leute wie Herr Süßmair erhalten niemals die Macht in diesem Staat.“Schließlic­h wurde der Mehrheitsb­eschluss getroffen, das Transforma­tionsproje­kt „Fuggerei 2.0“der Fuggersche­n Stiftung in der Entwicklun­g zu begleiten. Das Gleiche gilt für Ideen von St. Gregor, der AWO Augsburg und der Hintermayr-Stiftung. Darüber hinaus sollen auch andere Stiftungen und Interessie­rte mit den Verantwort­lichen zusammenge­bracht werden. Potenzial gebe es zur Genüge, sagte Kiefer. Wo dann letztendli­ch gebaut werden soll, in welcher Form und was die Stadt finanziell dazu beitragen kann (und muss), das alles wird in den kommenden Monaten eruiert, so viel wurde während der Ausschuss-Sitzung bereits klar.

Auch der Fuggersche Stiftungsa­dministrat­or Wolf-Dietrich Graf von Hundt bekräftigt­e im Ausschuss die Bereitscha­ft der Stiftung, mit allen relevanten Playern zu sprechen. Im Telefonat fügt Fugger-Sprecherin Gabler hinzu: „Wir haben natürlich Wunschszen­arien.“

Warum gerade jetzt diese Konzepte Stadt und (Privat-)Stiftungen beschäftig­en, liegt auf der Hand: Wenn am 23. August 2021 der 500. Geburtstag der Fuggerei gefeiert wird, ist Aufmerksam­keit garantiert. Sowohl die Stadträte im Sozialauss­chuss als auch die Fugger-Stiftung erklärten, wie wichtig die Feierlichk­eiten rund um diesen Jahrestag für das Marketing der sozialen Wohnkonzep­te sind. So sollen aber nicht nur potente Geldgeber aus aller Welt auf die Ideen aufmerksam werden, bestenfall­s finden sie Nachahmer in anderen Städten. Denn das „Megathema Wohnen“treibt nicht nur Augsburg um.

 ?? Foto: Marianne Stenglein ?? Die Fuggerei ist die älteste Sozialsied­lung der Welt. Seit bald 500 Jahren führt die Fugger-Stiftung ihre Geschäfte. Nun will diese Stiftung das Konzept der „Fuggerei 2.0“entwickeln, um auch im 21. Jahrhunder­t moderne soziale Wohnformen anbieten zu können. Mit diesem Gedanken ist sie nicht allein.
Foto: Marianne Stenglein Die Fuggerei ist die älteste Sozialsied­lung der Welt. Seit bald 500 Jahren führt die Fugger-Stiftung ihre Geschäfte. Nun will diese Stiftung das Konzept der „Fuggerei 2.0“entwickeln, um auch im 21. Jahrhunder­t moderne soziale Wohnformen anbieten zu können. Mit diesem Gedanken ist sie nicht allein.

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