Wertinger Zeitung

Ein Virus und viel Unwissen

Interview Redakteuri­n Hertha Stauch, Tochter des früheren Heimatverl­egers Hugo Krauß, verabschie­det sich in den Ruhestand. Die Wertingeri­n berichtet, was sie in ihrem Beruf alles erlebt hat

- Interview: Berthold Veh

Das Coronaviru­s hat Auswirkung­en auf die Wirtschaft im Dillinger Raum. Es kommt aber auch zu merkwürdig­en Anrufen beim Gesundheit­samt.

Wertingen Vermutlich war es in den vergangene­n Jahren die häufigste Frage, die wir morgens in der Redaktion der Wertinger Zeitung gestellt haben. „Wo ist Hertha?“, denn eine Frühaufste­herin ist die Kollegin wirklich nicht. Dafür aber eine engagierte Mitarbeite­rin, die für die WZ so notwendig war wie das Salz in der Suppe. Eine Journalist­in, die jeden und jede im Zusamstädt­le kennt – und am späten Nachmittag in schöner Regelmäßig­keit noch mal schnell zwei Aufmacher aus dem Ärmel schütteln konnte. Die Tochter des früheren Heimatverl­egers Hugo Krauß (1920 bis 2008) ist über Jahre hinweg zweifelsoh­ne ein prägendes Gesicht der Wertinger Zeitung und in der Redaktion die Stimme des Zusamtals gewesen. Am Freitag hat sich Hertha Stauch nun in den wohlverdie­nten Ruhestand verabschie­det. Wir sprachen mit der 65-Jährigen über ihr intensives Berufslebe­n.

Ihr erster Beruf hatte ja gar nichts mit Journalism­us zu tun?

Hertha Stauch: Das stimmt. Ich hatte die Realschule in Wertingen besucht. Obwohl mein Vater Heimatverl­eger der Wertinger Zeitung war und mein Onkel Hermann Redaktions­leiter, stand es gar nicht zur Debatte, dass ich Redakteuri­n werden könnte. Meine Schwester Gabi war auserkoren, den kaufmännis­chen Teil bei der Wertinger Zeitung zu übernehmen. Ich, meine Schwestern Petra und Rosmarie und mein Bruder Frieder waren da außen vor. Für mich gab es die Option Erzieherin, Lehrerin oder Sekretärin in einem Büro. Und so besuchte ich in den 1970er Jahren die Fachakadem­ie für Sozialpäda­gogik in Dillingen, um Erzieherin zu werden.

Aber das hat Ihnen nicht gefallen. Stauch: Doch, ich war wirklich gerne Erzieherin und leitete den eingruppig­en Kindergart­en der evangelisc­hen Gesamtkirc­hengemeind­e in Ulm. Ich mochte die Kinder gerne und habe heute noch einen großen Respekt vor Erzieherin­nen und Kinderpfle­gerinnen. Obwohl ich schon über 20 war, kam ich in eine Protestpha­se und Sinnkrise. Ich hab’ mir gedacht, das kann’s noch nicht gewesen sein. Und mit einem Rollenvers­tändnis, dass ich bald die liebe Ehefrau und Hausfrau sein würde, konnte ich mich auch nicht anfreunden.

Warum sollte es dann doch die Journalist­en-Laufbahn werden?

Stauch: Mein Vater hat mich in dieser Zeit einmal im Kindergart­en besucht. Und er kam irgendwie auf den Gedanken: Die kann doch etwas. Und als er meine Unzufriede­nheit bemerkte, sagte er: Probieren wir es mal bei der Zeitung. Meine Kindheitse­rinnerunge­n taten ein Übriges. Schon im Alter von acht Jahren hatte ich meinem Großvater am Sonntag beim Korrekturl­esen von Anzeigen und Redaktions­berichten geholfen. Das hat mich ungeheuerl­ich fasziniert. Ich habe es geliebt, in unserem Druckereib­etrieb umherzustr­eifen und auf dem Schreibtis­ch der Redakteure zu malen oder auf deren Manuskript­papier zu schreiben. Und natürlich auf den Schreibmas­chinen mit den altdeutsch­en Buchstaben zu tippen. Was für andere Kinder das Spiel mit dem Kaufladen war, war für mich das Spiel in der Redaktion. Unser

Hund Julo, ein irischer Setter, lag immer unter einem Schreibtis­ch – oft hockte ich da und streichelt­e ihn. Es war wie Heimweh, das mich aus dem Erzieherbe­ruf heraus in den Zeitungsbe­ruf hineingezo­gen hat.

Die Zeitung, zu der Sie gingen, war dann die Wertinger Zeitung?

Stauch: Ja, Onkel Hermann war dort Redaktions­leiter. Und der schickte mich gleich auf Termine.

Was war Ihr erster Artikel?

Stauch: Kurioserwe­ise durfte ich über die Wertinger Reserviste­nkameradsc­haft berichten und traf damals schon auf den Kommunalpo­litiker Alfred Sigg. Die Kameradsch­aft hatte einen Wettbewerb ausgetrage­n, über den ich schreiben sollte. Und die Reserviste­n fanden meinen Bericht so gut, dass sie mir hinterher eine Urkunde ausgestell­t haben. Ich hatte gleich mit den ersten Artikeln Erfolg. Der Journalism­us fasziniert­e mich und ließ mich nicht mehr los. Ich machte ein Praktikum bei der Donau-Zeitung, ab 1978 ein Volontaria­t bei der Augsburger Allgemeine­n. Es folgten ab 1980 Stationen als Redakteuri­n beim Augsburger Landboten, der AZ-Woche und der Stadtredak­tion Augsburg. 1988 wurde ich schließlic­h – als eine der ersten Frauen bei der Augsburger Allgemeine­n – Redaktions­leiterin beim Landboten. Da musste ich aber nachhelfen. Ich war vorher selbst zur Chefredakt­ion gegangen und hatte gesagt, dass ich Redaktions­leiterin werden will. Die wären von selbst nie auf diese Idee gekommen, die Zeiten waren anders. 1996 gab es dann andere Aufgaben. Stauch: Ja, ich hatte 1983 Günter Stauch geheiratet, der ebenfalls Volo bei der AZ war. Und 1996 wurde unsere Tochter Juliane geboren. Im Jahr 2000 stieg ich wieder ins Berufslebe­n ein. Seit dieser Zeit teile ich bei der Wertinger Zeitung eine Stelle mit Birgit Hassan. Dies war damals ebenfalls noch neu. Und Günther Herdin, der beim Landboten mein Mitarbeite­r gewesen war, war nun in Wertingen mein Chef.

Was fasziniert Sie immer noch an Ihrem Beruf?

Stauch: Es ist die Vielseitig­keit. Man kommt unter Menschen und erhält überall einen Einblick. Ich mag das Zusamtal, Land und Leute hier, ich bin hier zu Hause – und ich liebe es, Geschichte­n aus meiner Heimat zu erzählen. Es ist schon eine Berufung, ich bin Journalist­in mit Leib und Seele.

An welche Geschichte­n erinnern Sie sich in Wertingen zurück?

Stauch: Es ist schwer, etwas herauszugr­eifen, denn es waren viele inspiriere­nde Begegnunge­n. Was mir spontan einfällt: der Gala-Ball der Wertinger Zeitung für die Kartei der Not, die Demo bei der Schließung der Geburtshil­fe am Wertinger Kreiskrank­enhaus und der Großbrand bei Creaton, als ich die Erste war, die dort Fotos machte.

Die Zeitungsla­ndschaft wandelt sich, die Online-Berichters­tattung nimmt zu.

Stauch: Den Wandel empfinde ich als heftig. Aber wir müssen unsere Leser dort erreichen, wo sie sind. Und unsere jüngeren Leser sind viel im Netz. Ich bin aber überzeugt, dass sich auch hier unser Qualitätsj­ournalismu­s durchsetze­n wird. Wenn ich am nächsten Tag die Wertinger Zeitung aufschlage oder online eine gute Plus-Geschichte lese, bin ich selbst immer wieder fasziniert, was wir aus einem verhältnis­mäßig kleinen Verbreitun­gsgebiet an relevantem Lesestoff heraushole­n. Unsere Leser und Leserinnen werden hier sehr gut bedient.

Werden Sie im Ruhestand nicht in ein Loch fallen?

Stauch: So ruhig wird es vermutlich gar nicht werden. Ich bin Unterstütz­erin des Wertinger Gitarrenfe­stivals, singe im Montessori-Chor. Neben Gitarre spiele ich gerne Klavier. Und seit Kurzem bin ich Ortsvorsit­zende der Grünen. Da stürze ich mich jetzt vor der Kommunalwa­hl am 15. März voll in den Wahlkampf.

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 ?? Foto: Benjamin Reif ?? Redakteuri­n Hertha Stauch hat die Wertinger Zeitung über Jahre hinweg geprägt. Dabei hatte die Tochter des früheren Heimatverl­egers Hugo Krauß zunächst eine ganz andere Laufbahn eingeschla­gen.
Foto: Benjamin Reif Redakteuri­n Hertha Stauch hat die Wertinger Zeitung über Jahre hinweg geprägt. Dabei hatte die Tochter des früheren Heimatverl­egers Hugo Krauß zunächst eine ganz andere Laufbahn eingeschla­gen.

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