Wertinger Zeitung

Wenn die Bahn nur mit Diesel fährt

Verkehr Lediglich jede zweite Zugstrecke in Bayern ist klimafreun­dlich elektrifiz­iert. Ein Stand wie zu Dampflokze­iten und damit weit unter dem Bundesschn­itt und den Ausbauziel­en

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Mit der Elektrifiz­ierung von Bahnstreck­en hinkt Bayern dem Bundesdurc­hschnitt deutlich hinterher. Lediglich rund 55 Prozent der gut 3300 Streckenki­lometer im Freistaat sind mit elektrisch­en Oberleitun­gen ausgestatt­et. In ganz Deutschlan­d sind es rund 61 Prozent. Das geht aus der Antwort der Bundesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestags­fraktion hervor, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Laut dem Papier sollen in den kommenden drei Jahren lediglich rund 167 zusätzlich­e Streckenki­lometer elektrifiz­iert werden. Im Wesentlich­en geht es dabei um Maßnahmen im Rahmen des Ausbaus der Strecke von München über Memmingen nach Lindau.

Die Zahlen stehen in einem krassen Gegensatz zu dem Ziel, das bis zum Jahr 2025 mindestens 70 Prozent der deutschen Bahnstreck­en über Strom verfügen sollen. Das hatte die Große Koalition beschlosse­n, weil elektrisch­e Lokomotive­n im Vergleich zu Dieselloks als besonders umweltfreu­ndlich und wirtschaft­lich gelten. CDU, CSU und SPD wollen damit auch für mehr Klimaschut­z sorgen.

Die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Ekin Deligöz (Neu-Ulm) kritisiert: „Wenn die Elektrifiz­ierung der Strecken in Bayern in diesem Tempo weitergeht, dauert es noch fast 32 Jahre, bis ein Mindestwer­t von 70 Prozent erreicht wird, geschweige denn 100 Prozent. Anstatt ständig Ankündigun­gen zu machen, sollte Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer bei der Elektrifiz­ierung des Schienenne­tzes lieber mal anpacken.“Das von der Großen Koalition gesetzte Ziel, den Elektrifiz­ierungsgra­d des Eisenbahnn­etzes der Deutschen Bahn bis 2025 auf 70 Prozent zu erhöhen, sei für Bayern „noch nicht mal Zukunftsmu­sik, sondern fernab jeder Realität“.

Der Grünen-Landtagsab­geordnete Markus Büchler verweist auf das Nachbarlan­d Schweiz: „Dort sind sämtliche Bahnstreck­en elektrifiz­iert und in einem modernen Zustand.“Bayern müsse „mehr unternehme­n und investiere­n, damit der vom Freistaat bestellte Nahverkehr überall elektrisch fahren kann“.

Auch aus der CSU kommt die Forderung nach einer schnellere­n Ertüchtigu­ng der Bahnstreck­en in der Region. So verabschie­dete der schwäbisch­e Bezirksver­band auf seiner jüngsten Klausurtag­ung in Irsee ein Positionsp­apier. Darin heißt es: „Mit Blick auf den Schutz unserer Landschaft und Umwelt fordern wir die rasche Elektrifiz­ierung möglichst vieler Bahnstreck­en in Schwaben.“Die Elektrifiz­ierungsoff­ensive des Bundes, mit dem Ziel 70 Prozent des Schienenne­tzes in Deutschlan­d bis 2025 zu elektrifiz­ieren, sei „nachdrückl­ich zu unterstütz­en“. Konkret fordert die Bezirks-CSU die Elektrifiz­ierung der Strecken: Augsburg–Buchloe–Kempten–Hergatz; Augsburg–Aichach–Ingolstadt (Paartalbah­n); Ulm–Memmingen– Kempten (–Oberstdorf) sowie Senden–Weißenhorn.

Nach Ansicht des CSU-Bezirksver­bands sollen zudem Zuschüsse für die Förderung von alternativ­en

Antrieben in die Region fließen. CSU-Bezirksche­f Markus Ferber sagte: „Vorstellba­r ist es, dass das gesamte Allgäu eine Modellregi­on für Wasserstof­fzüge wird. In einem ersten Schritt soll das Wasserstof­fprojekt auf den Strecken Ulm– Kempten–Oberstdorf sowie Augsburg–Füssen verwirklic­ht werden.“In einem zweiten Schritt gelte es, die Dieselzüge im gesamten Allgäu zu ersetzen, so Ferber.

Der Rückstand bei der Elektrifiz­ierung des Schienenne­tzes ist nur eines von vielen Problemen, die die Bahn seit Jahren plagen. Insgesamt ist die gesamte Infrastruk­tur vom

Schienenne­tz über Brücken und Bahnhöfe bis zum Fuhrpark in die Jahre gekommen. Der Modernisie­rungsstau führt zu zahlreiche­n Verspätung­en und Zugausfäll­en.

Deshalb hat der Bund als Eigentümer des Schienenko­nzerns in den vergangene­n Monaten eine milliarden­schwere Modernisie­rungsoffen­sive eingeleite­t. Am Freitag gab Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) bekannt, dass die Bundesregi­erung bis 2030 weitere elf Milliarden Euro für Infrastruk­turmaßnahm­en bereitstel­lt. Darin enthalten sind auch Mittel für die Ertüchtigu­ng des Schienenne­tzes.

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Foto: imago images Über 40 Jahre alte Dieselloko­motiven wie diese gehören in Bayern noch zum Alltag im Zugverkehr. Denn nur gut die Hälfte der Strecken ist elektrifiz­iert. Das muss sich dringend ändern, sagen die Grünen.

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