Wertinger Zeitung

Zugeständn­is oder Mogelpacku­ng?

Hintergrun­d Der Islamverba­nd Ditib bildet seit Januar einen Teil seiner Imame in Deutschlan­d aus. Kritiker sehen darin nur einen symbolisch­en Akt, der nichts daran ändere, dass die Türkei die Moscheen instrument­alisiert

- VON ARNE BENSIEK

Frankfurt am Main 22 junge Männer und Frauen begannen Anfang des Jahres eine zweijährig­e Ausbildung zu Religionsb­eauftragte­n an der Ditib-Akademie in Köln sowie in Dahlem in der Eifel. Ein Novum, da der Islamverba­nd den Nachwuchs für das theologisc­he Personal in seinen bundesweit 960 Gemeinden bisher in der Türkei schulte. Ist es auch ein Zugeständn­is? Der türkisch-islamische Verband hat in den vergangene­n Jahren hierzuland­e viel Vertrauen eingebüßt. Nach dem Putschvers­uch von Teilen des Militärs in der Türkei 2016 wies die staatliche türkische Religionsb­ehörde Diyanet Mitarbeite­r von Ditib an, in den deutschen Moscheegem­einden zu spitzeln. Sympathisa­nten von Fethullah Gülen – für Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan der Drahtziehe­r des Putsches – wurden in die Türkei gemeldet.

Die Bundesregi­erung kritisiert­e das scharf; der Verfassung­sschutz schaltete sich ein. Wie sehr in DitibMosch­een Religion und Politik miteinande­r verquickt werden, zeigte sich zuletzt im Oktober im hessischen Bad Vilbel, wo ein Imam in seinem Freitagsge­bet das völkerrech­tswidrige Einmarschi­eren türkischer Truppen in Nordsyrien und den Märtyrerto­d lobte. Dass 90 Prozent der Religionsb­eauftragte­n in den Ditib-Moscheen kein Deutsch sprechen können, wird dem Verband schon lange vorgehalte­n.

Für Seyda Can, Leiterin der Ditib-Akademie, hat nun ein neues Kapitel mit der Ausbildung von muslimisch­en Religionsb­eauftragte­n in Deutschlan­d begonnen. „Eine historisch­e Entwicklun­g“, sagt sie. Ihre Auszubilde­nden würden überwiegen­d in deutscher Sprache unDrei von ihnen hätten zuvor islamische Theologie an deutschen Universitä­ten studiert, sieben weitere machten derzeit ein Masterstud­ium an hiesigen Hochschule­n. Islamische Fachbegrif­fe auf Deutsch, Stimmeinsa­tz, Rhetorik, Seelsorge und das Verfassen von Predigten, das steht laut Akademiele­iterin Can in insgesamt 18 Präsenzwoc­hen auf dem Stundenpla­n.

Wer die Menschen sind, die sich an der Ditib-Akademie ausbilden lassen, und wie diese ihre zukünftige Rolle in den deutschen Moscheen verstehen, das ist bis auf weiteres jedoch nicht zu erfahren. „Das große mediale Interesse zum Start der Ausbildung war für viele von uns irritieren­d“, erklärt Can. Die Teilnehmer­innen und Teilnehmer des Lehrgangs sollten sich nun auf die Inhalte konzentrie­ren können. „Transparen­z ist gut“, beteuert Can, „aber dafür ist es zu früh.“

Susanne Schröter vom Frankfurte­r Forschungs­zentrum Globaler Islam zeigt sich überrascht von der plötzliche­n Verschloss­enheit der Akademie. Die wesentlich­en Kritikpunk­te an Ditib sieht die Professori­n durch die Ausbildung von Religionsb­eauftragte­n auf deutschem Boden nicht ausgeräumt. „Die deutterric­htet. sche Sprache hindert niemanden daran, eine reaktionär­e Theologie zu vertreten“, betont Schröter. Der beste Beweis dafür seien die Salafisten, die bei Konvertite­n nachweisli­ch beliebt seien, weil sie größtentei­ls deutsch sprächen. „Ditib bleibt die Auslandsde­pendance einer türkischen Behörde und ermöglicht Präsident Erdogan, mittels politische­r Propaganda in den Moscheen Wahlen zu entscheide­n“, sagt Schröter. Solange Ditib-Mitarbeite­r als Beamte weiterhin dem türkischen Staat unterstell­t und von ihm finanziert würden, bleibe ein entscheide­ndes Problem bestehen.

„Es wäre wünschensw­ert, dass die gläubigen Muslime in Deutschlan­d das theologisc­he Personal in ihren Moscheen selbst bezahlen, wie das in der islamische­n Gemeinscha­ft Ahmadiyya bereits der Fall ist“, sagt Filiz Polat, Ansprechpa­rtnerin für die „Belange des Islam“der grünen Bundestags­fraktion. Die ImamAusbil­dung solle in freier Trägerscha­ft stattfinde­n wie am neu geschaffen­en Islam-Kolleg Deutschlan­d in ihrer Heimatstad­t Osnabrück. 400000 Euro Anschubfin­anzierung gab es dafür vom Bundesinne­nministeri­um, das den Zentralrat der Muslime in Deutschlan­d für dieses Projekt eingebunde­n hat. „Ein Meilenstei­n, wenn man bedenkt, dass Minister Horst Seehofer vor seinem Amtsantrit­t noch gesagt hat,

Die anfänglich­e Transparen­z ist schon wieder vorbei

der Islam gehöre nicht zu Deutschlan­d“, sagt Polat.

Entscheide­nd wird allerdings sein, ob Imame made in Germany in den von türkischen Organisati­onen wie Ditib oder Millî Görüs beherrscht­en Moscheen unterkomme­n. „Mit finanziell­em Druck wird das nicht klappen“, sagt Islamforsc­herin Schröter. Schon jetzt erhält Ditib, das nach eigenen Angaben die Interessen von rund 800000 Muslimen in Deutschlan­d vertritt, keine Fördergeld­er mehr; 2016 waren es noch mehr als drei Millionen Euro. „Der Verband wird erst Zugeständn­isse machen, wenn er um seinen Einfluss bangen muss“, glaubt Schröter. „Wie zum Beispiel in Hessen, wo an weiterführ­enden Schulen eine Zusammenar­beit mit Ditib beim Religionsu­nterricht bis auf Weiteres ausgesetzt ist.“

 ?? Foto: Marijan Murat, dpa ?? Türkischer Imam in deutscher Moschee: Künftig wird überwiegen­d in deutscher Sprache unterricht­et.
Foto: Marijan Murat, dpa Türkischer Imam in deutscher Moschee: Künftig wird überwiegen­d in deutscher Sprache unterricht­et.

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