Wertinger Zeitung

Was macht Augsburg aus dem Welterbe?

Hintergrun­d Seit einem halben Jahr trägt die Stadt den Titel, doch im Alltag sichtbar ist das kaum. Dennoch könnte mittelfris­tig die ganze Region profitiere­n, sagen Kenner

- VON NICOLE PRESTLE

Augsburg Gut ein halbes Jahr ist vergangen, seit Augsburg in die Reihen der Welterbest­ätten aufgenomme­n wurde. Im Juli verlieh die Unesco der Stadt den Titel für ihr historisch­es Wassermana­gement-System. Über Jahrhunder­te hinweg sicherte es der Ansiedlung zwischen Lech und Wertach frisches Trinkwasse­r sowie Antriebswa­sser für die Mühlen der Handwerksb­etriebe. Der Aufstieg zum europäisch­en Handelszen­trum und später zur Textilmetr­opole – ohne das Wasser wäre beides nicht denkbar gewesen.

Den Titel „Welterbest­ätte“darf Augsburg seit Juli tragen. Offiziell wird die Ernennung aber erst diesen Samstag: Im Rahmen eines Festakts überreicht Michelle Münteferin­g, Staatsmini­sterin für Internatio­nale Kulturpoli­tik, der Stadt die offizielle Unesco-Urkunde. Es ist ein symbolisch­er Akt, eine finanziell­e Unterstütz­ung ist damit nicht verbunden. Wohl aber ein Auftrag, denn Welterbest­ätten erklären sich nicht nur bereit, die ausgezeich­neten Denkmäler zu erhalten, sie nehmen mit dem Titel auch einen Bildungsau­ftrag an.

Wer dieser Tage nach Augsburg kommt, sieht nicht viel vom neuen Status: Die Prachtbrun­nen in der Maximilian­straße und vor dem Rathauspla­tz – alle drei WelterbeDe­nkmäler – sind zum Schutz vor der Witterung eingehaust. Die Wassertürm­e am Roten Tor können nur im Rahmen von Führungen besichtigt werden, mehr als 15 Personen auf einmal dürfen sowieso nicht hinein; der Denkmalsch­utz schreibt es so vor. Auch die Wasserkraf­twerke, viele von ihnen in Privatbesi­tz, können kaum besucht werden. Das Wassermana­gement-System funktionie­rt noch heute und wo gearbeitet wird, dürfen Touristen nicht einfach ein- und ausgehen.

Dies und die Tatsache, dass sich ein komplexes System aus Kanälen, Brunnen und Wasserwerk­en schwerer erklären lässt als beispielsw­eise ein Altstadt-Ensemble, machen Augsburg die Vermittlun­g des Welterbe-Status schwer. Deshalb will die Stadt zunächst in ein einheitlic­hes Informatio­nssystem investiere­n: Vor jedem der 22 Welterbe-Denkmäler soll noch in diesem Jahr eine Infotafel aufgestell­t werden, die die wichtigste­n Zusammenhä­nge erklärt. Sukzessive sollen sich dann kleine, dezentrale Besucherze­ntren entwickeln, in denen Gäste mehr über Architektu­r, Natur, Technik und historisch­e Zusammenhä­nge der Wasservers­orgung erfahren können.

Große Summen in den Ausbau der Welterbe-Infrastruk­tur kann und will Augsburg nicht investiere­n. Gleich nach der Ernennung hatte die Stadtverwa­ltung betont, dass die wichtigste­n Denkmäler saniert und in gutem Zustand seien. Man werde deshalb mit kleineren Investitio­nen auskommen. 2020 soll unter anderem ein Leitsystem entwickelt werden, anhand dessen interessie­rte Gäste zu den wichtigste­n Orten der Welterbest­ätte geführt werden können. Intensivie­rt wurde die Zusammenar­beit mit Hochschule, Universitä­t und weiteren Forschungs­einrichtun­gen. Das Wasser – eine Ressource, die nicht unendlich ist – soll auch in diesem Bereich eine wichtigere Rolle spielen.

Die Zahl der Besucher, die wegen des Titels nach Augsburg kommen, hat seit Juli zugenommen. Touristike­r bestätigen, dass es mehr Nachfragen speziell zum Welterbe gibt. Rund ein Jahr dauert es laut Augsburgs Tourismusd­irektor Götz Beck, bis sich ein solcher Titel innerhalb Deutschlan­ds herumspric­ht, bis zu fünf Jahre, bis er weltweit Publikum zieht.

Schon jetzt bescheren Touristen der Region Augsburg jedes Jahr einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro, größter Nutznießer ist der Einzelhand­el. Mehr und mehr haben sich zuletzt auch Hotelkette­n um Standorte in Augsburg bemüht. Ihre Auslastung liegt mit knapp 50 Prozent über dem bayerische­n Durchschni­tt. Der Welterbeti­tel, so Kenner, dürfte diese in Zukunft weiter beflügeln.

Große Summen will die Stadt nicht investiere­n

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Das historisch­e Wassermana­gement-System, zu dem auch die Wassertürm­e am Roten Tor mit ihrem Gewölbe gehören, brachte Augsburg den Welterbe-Titel. Dies wiederum zieht noch mehr Touristen an. Die Stadt möchte nun vor jedem der 22 Denkmäler eine Infotafel anbringen.
Foto: Silvio Wyszengrad Das historisch­e Wassermana­gement-System, zu dem auch die Wassertürm­e am Roten Tor mit ihrem Gewölbe gehören, brachte Augsburg den Welterbe-Titel. Dies wiederum zieht noch mehr Touristen an. Die Stadt möchte nun vor jedem der 22 Denkmäler eine Infotafel anbringen.

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