Webasto-Mitarbeiter werden ausgegrenzt
Medizin II Mitarbeiter des Unternehmens, in dem die ersten Fälle bekannt wurden, klagen über Diskrimierung im alltäglichen Leben. In Landsberg wehrt sich der Landrat gegen Kritik
Stockdorf/Landsberg Die Angst vor dem Coronavirus führt offenbar zur Ausgrenzung von Webasto-Mitarbeitern und deren Angehörigen. „Uns erreichen vermehrt Meldungen von Mitarbeitern, die nicht zur Risikogruppe gehören, dass sie und ihre Familien von Institutionen, Firmen oder Geschäften abgewiesen werden, wenn bekannt wird, dass sie bei Webasto arbeiten“, sagte der Vorstandsvorsitzende Holger Engelmann am Freitag. „Wir verstehen, dass die aktuelle Situation Menschen verunsichert und auch ängstigt, aber das ist eine enorme Belastung für die Familien unserer Mitarbeiter.“
Einer Sprecherin zufolge haben Mitarbeiter unter anderem berichtet, dass ihre Eltern oder Ehepartner von deren Arbeitgebern nach Hause geschickt worden seien. Kinder seien von Kindergärten nicht mehr angenommen worden. In einem Fall habe es zudem eine Autowerkstatt mit Verweis auf das Virus abgelehnt, das Auto eines Mitarbeiters zu reparieren.
Das neuartige Virus 2019-nCoV breitet sich seit einigen Wochen rasant aus. Obwohl die neue Lungenkrankheit in den meisten Fällen sehr mild verläuft, ist die Sorge mancher Menschen angesichts von inzwischen mehr als 8100 Infizierten und 170 Todesopfern im Hauptverbreitungsland China groß. In Deutschland wurde bisher bei sechs Mitarbeitern des Automobilzulieferers Webasto sowie bei dem Kind eines dieser Mitarbeiter das Virus nachgewiesen. Alle Betroffenen in Deutschland befinden sich nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums derzeit in einem stabilen gesundheitlichen Zustand.
In Landsberg am Lech sah sich derweil am Freitag Landrat Thomas Eichinger genötigt, eine Pressekonferenz anzuberaumen und dabei das Vorgehen seiner Behörde im Zusammenhang mit dem Virus zu verteidigen. Das Landratsamt war unter anderem in die Kritik geraten, weil zunächst nicht öffentlich gemacht worden war, woher der 33-jährige Mann, der als erster Corona-Fall Deutschlands gilt, genau stammt – nämlich aus Kaufering. Auch die Entscheidung des Amtes, den – zunächst ebenfalls nicht näher benannten – Kindergarten, den das
Kind des infizierten Mannes besucht, nicht zu schließen, war insbesondere bei Eltern in der Region auf Unverständnis gestoßen. Man habe eine Stigmatisierung der betroffenen Familie vermeiden wollen, erklärte Eichinger am Freitag. Die Öffentlichkeit habe ja auch kein Recht darauf zu erfahren, wo ein Grippekranker lebe. Das Kind des Infizierten habe zudem keinen positiven Befund, „es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung“.
Zudem handle es sich bei einer Ansteckung durch das Coronavirus um keinen lebensbedrohlichen Infekt, betonte Eichinger. Die Sorge gelte eher der Verbreitung des Virus, da es mutieren könne. Eichinger verwies auch darauf, dass die Entscheidungen, wie vor Ort vorgegangen wird, in Absprache mit den Seuchenexperten in München getroffen werden. „Die Task Force Infektiologie hat das Heft in der Hand“, sagte der Landrat dazu wörtlich.