Wertinger Zeitung

„Ich bin ein Fan von Finnbogaso­n“

Fußball Arnd Zeigler ist TV-Moderator, Stadionspr­echer und Fan von Werder Bremen. Vor dem Spiel gegen den FC Augsburg spricht er über die Krise seines Klubs und mögliche Wechsel

- Interview: Florian Eisele

Werder Bremen ist mit der Zielsetzun­g Europa League gestartet, die Realität heißt jedoch Abstiegska­mpf. Was ist da schiefgega­ngen?

Arnd Zeigler: Wir Fans sind da eigentlich auch relativ ratlos. Das Gefühl, dass der Kader gut ist – das hatten wir auch. Letztlich ist es aber ein Dominoeffe­kt gewesen. Die Mannschaft hat alleine in der Hinrunde 18 Verletzung­en gehabt, darunter waren viele Schlüssels­pieler dabei wie Niclas Füllkrug, Philipp Bargfrede oder reihum unsere gesamte Verteidigu­ng. Ich habe mal ein bisschen recherchie­rt: 18 Verletzte in einer Hinrunde hat noch kein Verein gehabt. Das kann man zwar ein paar Wochen auffangen, aber dauerhaft steckt man so was nicht weg. Und das hat zu einer Art Sog geführt, einem Kopfproble­m.

Werder steht für einen offensivbe­jahenden Fußball. Kann die Mannschaft überhaupt Abstiegska­mpf? Zeigler: Ich weiß nicht, ob es für einen Sportler im Spiel einen Unterschie­d macht, ob sein Team gerade auf Platz elf oder auf Platz 17 steht. Aber klar: Man steht mehr unter Druck, wenn man keine Tore schießt. Wenn man merkt, dass man als Kollektiv versagt, dann geht auch die Leichtigke­it verloren. Im Moment hat man das Gefühl: Alle Spieler haben so viel mit sich zu tun, dass sie ihre Leistung nicht bringen.

Immerhin hat den Bremern Fortuna Düsseldorf einen Gefallen getan und Funkel entlassen.

Zeigler: Ja, das ich finde ich etwas dubios. Wenn du einen Trainer hast, von dem du generell überzeugt bist und der mit seiner Arbeit auch schon einiges erreicht hat im Verein – so einen sollte man einfach nicht entlassen. Freiburg ist da ein Positivbei­spiel. Es gibt zwar auch Gegenbeisp­iele: Als Köln sich von Beierlorze­r getrennt hat – das habe ich verstanden, weil man das Gefühl hatte, dass es nicht passt. Aber Funkel und die Fortuna – das hat doch als etwas Gewachsene­s funktionie­rt. Ich weiß nicht, ob es in Düsseldorf noch andere Gründe dafür gab, aber das erschließt sich mir überhaupt nicht.

Am Samstag um 15.30 Uhr steht für Werder das Spiel beim FC Augsburg an. Für beide Klubs geht es um viel. Zeigler: Das ist zwar jetzt eine Phrase, aber es ist so: Ab jetzt ist für Werder jedes Spiel wichtig, wir dürfen jetzt nicht mehr zwischen vermeintli­ch wichtigere­n und unwichtige­ren Spielen unterschei­den. Aber ein Wort zu Augsburg: Ich finde es fasziniere­nd, dass sie an ihrem Trainer festgehalt­en haben. Da dachte zu Saisonbegi­nn auch jeder: Jetzt ist er bald fällig. Es ist ein gutes Beispiel dass man manche Dinge auch mit Überzeugun­g und Ruhe besser lösen kann als mit Hektik und ständigen Trainerwec­hseln.

Ein Spieler, den Bremen vor der Saison gerne gehabt hätte, ist Michael Gregoritsc­h. Wie haben Sie das Wechselthe­ater erlebt?

Zeigler: Aus Bremer Sicht hatte ich das Gefühl: Der hätte ganz gut gepasst. Es lagen offenbar Welten zwischen der Ablöseford­erung des FCA und dem, was Werder zu zahlen bereit war. Wenn wirklich um die 16 Millionen gefordert wurden, dann ist klar, dass Gregoritsc­h für diesen Preis nicht wechseln wird – dafür hat er bislang einfach zu wenig über einen längeren Zeitraum gerissen. Er ist ein guter Spieler, aber er hat in Augsburg auch nur sehr punktuell geglänzt und immer mal wieder Phasen gehabt, in denen er durchhing. Wenn man ihn mit Max Kruse vergleicht, dessen Nachfolge er hier angetreten hätte: Der hatte eine ganz andere Präsenz.

Die Abwehrspie­ler Kevin Vogt und Sebastian Langkamp sind aktuell zwei Werder-Spieler mit einer FCA-Vergangenh­eit. Wen aus dem aktuellen

FCA-Kader hätten Sie gerne in Bremen?

Zeigler: Ich bin seit Jahren ein großer Fan von Alfred Finnbogaso­n. Der war ja dem Vernehmen nach auch hier in Bremen im Gespräch, bevor er nach Augsburg gegangen ist. Wenn der mal ein paar Monate am Stück gesund wäre, wäre das ein absolut herausrage­nder Stürmer der Bundesliga. Der hat das, was Gregoritsc­h vielleicht noch fehlt: diese Persönlich­keit, um ein Sturmführe­r zu sein. Außerdem scheint er auch als Charakter clever und geerdet zu sein.

Florian Kohfeldt schien bei Werder Bremen für eine neue Ära zu stehen. Jetzt scheint sein Stuhl zu wackeln. Zeigler: Ich setze nach wie vor große Hoffnungen in ihn. Und ich finde: Manchmal muss eine tiefe Überzeugun­g mehr wert sein als ein Tabellenpl­atz. Er ist empathisch, schlau, kein Phrasendre­scher und hat eine große Begeisteru­ng für diesen Verein, die sich überträgt. Viele Werder-Neuzugänge haben zum Beispiel über ihn gesagt: „Ich war unschlüssi­g, aber als ich zum ersten Mal mit diesem Trainer geredet habe, wollte ich unbedingt da hin.“Wenn wir uns einen Trainer schnitdafü­r, zen würden, wäre es Kohfeldt. Die jetzige Phase ist für ihn sicher schwierig, weil er so etwas als Coach noch nicht erlebt hat.

Noch ein Wort zum Titelrenne­n: Das sah lange Zeit sehr spannend aus – und scheint sich jetzt wieder zugunsten des FC Bayern zu drehen.

Zeigler: Ich fürchte auch, dass es die Bayern wieder machen. Ich glaube, dass es Leipzig so gehen wird wie vielen Mannschaft­en, die einen tollen Fußball spielen: Am Ende stehen sie nicht ganz oben. Bei den Bayern ist jetzt Ruhe, sie haben personell nachgelegt und einen guten Trainer. Die haben so eine Wucht im Kader und so eine Qualität und werden am Ende wieder Meister. Letzte Woche saßen Leute wie Coutinho oder Gnabry da auf der Bank – das Fundament ist da einfach unkaputtba­r.

● Arnd Zeigler, 54, ist seit 2002 Stadionspr­echer von Werder Bremen. Im WDR moderiert der gebürtige Bremer seit 2007 die Sendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“, die Sonntagabe­nd um 23 Uhr zu sehen ist.

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Foto: Ben Knabe/WDR, dpa Der Fußball und Humor – das passt nicht immer zusammen. Bei Arnd Zeigler schon: Jeden Sonntagabe­nd präsentier­t er die Kuriosität­en des Geschehens auf dem Rasen.

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