Wertinger Zeitung

„Einige hatten fast Todesangst“

Ski Alpin Markus Wasmeier hat 1992 eines der brutalsten Rennen auf der Garmischer Kandahar gewonnen. An diesem Wochenende finden wieder Abfahrt (Samstag) und Riesenslal­om (Sonntag) statt

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Die Kandahar des Jahres 1992 war eine der brutalsten, die es jemals gab. Eisig, schlagig, gnadenlos. Als Markus Wasmeier mit der Nummer 38 oben stand, waren schon vier Fahrer vor ihm schwer gestürzt und mit dem Hubschraub­er ins Krankenhau­s gebracht worden. Zwei Stunden Verspätung hatten sich angesammel­t. Viel Zeit zum Nachdenken. „Einige standen da fast schon mit Todesangst oben“, erinnert sich Wasmeier. Selbst der Österreich­er Stefan Eberharter, einer der besten Abfahrer aller Zeiten, habe schwer gehadert. „Der hat mich gefragt, was wir machen, wenn es jetzt noch einen erwischt, bevor wir dran sind. Und dass es doch ziemlich gefährlich sei heute.“Und Wasmeier? Blieb ganz cool. „Ich hab ihm gesagt, dass es überhaupt nicht gefährlich sei, weil ich die Fehler nicht machen werde, die die anderen gemacht haben. Der Eberharter konnt das gar nicht fassen, aber ich war wirklich so drauf. Für mich war das kein Problem.“

Wasmeier konzentrie­rte sich auf seine Fähigkeite­n und fuhr völlig überrasche­nd noch nach ganz vorne. „Mich hat am meisten gefreut, dass die Österreich­er schon von der Sendung gegangen waren. Patrick Ortlieb ist schon als Sieger gefeiert worden – und dann mussten die noch mal zurückscha­lten, weil der Ortlieb doch nicht gewonnen hat. Ach, das war schee.“Wasmeier lacht schallend, als er das erzählt. Die Freude über seinen spektakulä­ren Coup von damals hat die Jahre überdauert.

Gleichzeit­ig ist der Sieg von 1992 aber auch bis heute der letzte eines deutschen Fahrers auf der legendären Strecke vor den Toren Garmisch-Partenkirc­hens. 2009 wurde die Kandahar zwar für die WM 2011 verändert, aber noch immer ist sie eine der anspruchsv­ollsten Strecken im Weltcup. Unter anderem beinhaltet sie im „Freien Fall“mit 92 Prozent Gefälle das steilste Teilstück überhaupt. Gefürchtet war die Kandahar seit jeher. Als Wasmeier 1983 seine erste Saison im Weltcup absolviert­e, stand er in Kitzbühel mit Österreich­s Franz Klammer zusammen und schaute die Streif hinunter. „Ich hab’ ihn gefragt, ob wir eigentlich wahnsinnig sind, da runterzufa­hren. Da hat er nur gesagt: Pass auf, nächste Woche sind wir in Garmisch. Dagegen ist das hier noch harmlos.“

Wasmeier traut vor allem Thomas Dreßen zu, seine Nachfolge als Kandahar-Sieger anzutreten. „Nach so einer schweren Verletzung so wieder zurückzuko­mmen – Hut ab.“Andreas Sander habe ein bisschen länger gebraucht, sei nun aber wieder im Kommen. „Der war in Garmisch immer gut unterwegs. Und Peppi Ferstl muss schauen, dass er nicht alles mit der Brechstang­e machen will.“

Wasmeier, der lange Jahre auch als Experte für die ARD arbeitete, ist immer noch nah dran am Geschehen. Der 56-Jährige ist ein wandelndes Lexikon, was den alpinen Rennsport angeht. Die zahlreiche­n schweren Knieverlet­zungen der bisherigen Saison sieht er mit Sorge. „Was gnadenlos auf die Knochen und Bänder geht, das sind diese harten Pisten.“Deren Vorteil sei, dass auch Fahrer mit hohen Startnumme­rn faire Bedingunge­n vorfinden. Gleichzeit­ig bringe es die Körper der Athleten an und immer häufiger über die Grenzen. „Man versucht, das Material immer so einzustell­en, dass man das Maximum erreichen kann. Und wenn du dann schon irgendwo ein bisschen angeschlag­en bist oder eine alte Verletzung hattest, dann passiert eben was.“Früher seien sie Rallyefahr­er gewesen, sagt Wasmeier. „Heute sind es Formel-1-Fahrer. Die Strecken von damals wären mit dem heutigen Material nicht fahrbar. Da bringst dich um.“

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Foto: Witters Einer der erfolgreic­hsten deutschen Skifahrer: Markus Wasmeier.

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