„Einige hatten fast Todesangst“
Ski Alpin Markus Wasmeier hat 1992 eines der brutalsten Rennen auf der Garmischer Kandahar gewonnen. An diesem Wochenende finden wieder Abfahrt (Samstag) und Riesenslalom (Sonntag) statt
Augsburg Die Kandahar des Jahres 1992 war eine der brutalsten, die es jemals gab. Eisig, schlagig, gnadenlos. Als Markus Wasmeier mit der Nummer 38 oben stand, waren schon vier Fahrer vor ihm schwer gestürzt und mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht worden. Zwei Stunden Verspätung hatten sich angesammelt. Viel Zeit zum Nachdenken. „Einige standen da fast schon mit Todesangst oben“, erinnert sich Wasmeier. Selbst der Österreicher Stefan Eberharter, einer der besten Abfahrer aller Zeiten, habe schwer gehadert. „Der hat mich gefragt, was wir machen, wenn es jetzt noch einen erwischt, bevor wir dran sind. Und dass es doch ziemlich gefährlich sei heute.“Und Wasmeier? Blieb ganz cool. „Ich hab ihm gesagt, dass es überhaupt nicht gefährlich sei, weil ich die Fehler nicht machen werde, die die anderen gemacht haben. Der Eberharter konnt das gar nicht fassen, aber ich war wirklich so drauf. Für mich war das kein Problem.“
Wasmeier konzentrierte sich auf seine Fähigkeiten und fuhr völlig überraschend noch nach ganz vorne. „Mich hat am meisten gefreut, dass die Österreicher schon von der Sendung gegangen waren. Patrick Ortlieb ist schon als Sieger gefeiert worden – und dann mussten die noch mal zurückschalten, weil der Ortlieb doch nicht gewonnen hat. Ach, das war schee.“Wasmeier lacht schallend, als er das erzählt. Die Freude über seinen spektakulären Coup von damals hat die Jahre überdauert.
Gleichzeitig ist der Sieg von 1992 aber auch bis heute der letzte eines deutschen Fahrers auf der legendären Strecke vor den Toren Garmisch-Partenkirchens. 2009 wurde die Kandahar zwar für die WM 2011 verändert, aber noch immer ist sie eine der anspruchsvollsten Strecken im Weltcup. Unter anderem beinhaltet sie im „Freien Fall“mit 92 Prozent Gefälle das steilste Teilstück überhaupt. Gefürchtet war die Kandahar seit jeher. Als Wasmeier 1983 seine erste Saison im Weltcup absolvierte, stand er in Kitzbühel mit Österreichs Franz Klammer zusammen und schaute die Streif hinunter. „Ich hab’ ihn gefragt, ob wir eigentlich wahnsinnig sind, da runterzufahren. Da hat er nur gesagt: Pass auf, nächste Woche sind wir in Garmisch. Dagegen ist das hier noch harmlos.“
Wasmeier traut vor allem Thomas Dreßen zu, seine Nachfolge als Kandahar-Sieger anzutreten. „Nach so einer schweren Verletzung so wieder zurückzukommen – Hut ab.“Andreas Sander habe ein bisschen länger gebraucht, sei nun aber wieder im Kommen. „Der war in Garmisch immer gut unterwegs. Und Peppi Ferstl muss schauen, dass er nicht alles mit der Brechstange machen will.“
Wasmeier, der lange Jahre auch als Experte für die ARD arbeitete, ist immer noch nah dran am Geschehen. Der 56-Jährige ist ein wandelndes Lexikon, was den alpinen Rennsport angeht. Die zahlreichen schweren Knieverletzungen der bisherigen Saison sieht er mit Sorge. „Was gnadenlos auf die Knochen und Bänder geht, das sind diese harten Pisten.“Deren Vorteil sei, dass auch Fahrer mit hohen Startnummern faire Bedingungen vorfinden. Gleichzeitig bringe es die Körper der Athleten an und immer häufiger über die Grenzen. „Man versucht, das Material immer so einzustellen, dass man das Maximum erreichen kann. Und wenn du dann schon irgendwo ein bisschen angeschlagen bist oder eine alte Verletzung hattest, dann passiert eben was.“Früher seien sie Rallyefahrer gewesen, sagt Wasmeier. „Heute sind es Formel-1-Fahrer. Die Strecken von damals wären mit dem heutigen Material nicht fahrbar. Da bringst dich um.“