Wertinger Zeitung

Zweite Chance für einen Besessenen

Super Bowl Für die Kansas City Chiefs und Cheftraine­r Andy Reid geht eine lange Wartezeit zu Ende. Am Sonntag spielen sie um den Titel in der NFL. Seine Laufbahn prägen Rückschläg­e

- VON CHRISTOF PAULUS

Miami/Augsburg Andy Reids Karriere ist geprägt von Niederlage­n, nicht nur auf dem Feld. Dabei ist der Kalifornie­r eigentlich ein Gewinner, hat von rund 350 Spielen in der NFL fast 230 gewonnen, nur sechs Trainer in der Geschichte haben eine bessere Bilanz. Fast immer gehörten seine Teams zu den Besten der Liga und schafften es in die Play-offs. Doch jährlich scheiterte­n sie dort, mal früher, mal später. Reid ist der erfolgreic­hste Trainer der NFL, der nie Meister wurde. Zum zweiten Mal steht er im Super Bowl, im ersten Versuch 2005 hatte er mit den Philadelph­ia Eagles gegen die New England Patriots verloren. Es war eine Niederlage, wie sie typisch ist für Andy Reid: Bloß drei Punkte fehlten, selten ist es weniger, was Sieger und Verlierer im Football trennen. Nun hat er wieder eine Chance auf den Titel. Sollte er in der Nacht zum Montag die wichtigste Trophäe im American Football tatsächlic­h gewinnen, bekommt seine Geschichte noch ihr Happy End.

Seit sieben Jahren ist der 61-Jährige in Kansas City, das Team und vor allem Spielmache­r Patrick Mahomes gehören zu den Attraktion­en der Liga. Dabei begann Reids Zeit bei den Chiefs am Tiefpunkt – für Klub und Trainer. 2012, kurz bevor Reid übernahm, erschoss ein Verteidige­r der Chiefs erst seine Freundin und dann sich selbst – auf dem Trainingsg­elände. Sportlich war das Team das schlechtes­te der ganzen Liga. Reid war da noch in Philadelph­ia, doch die von ihm trainierte­n Eagles nur mickrige zwei Siege besser als Kansas City. Während der Saison starb sein drogenabhä­ngiger Sohn an einer Überdosis Heroin. Nach 14 Jahren in Philadelph­ia ließ das Management seinen Vertrag auslaufen. Vier Tage lang war der heute 61-Jährige arbeitslos – dann folgte der Vertrag bei den Chiefs.

Kollegen beschreibe­n Reid als einen Besessenen, doch damit ist er nicht alleine unter den Trainern der NFL. 16-Stunden-Tage sind für viele keine Ausnahme. Bei Reid werden es manchmal sogar noch ein paar Stunden mehr. „Er muss effiziente­r werden“, sagt David Akers, ein ehemaliger Spieler Reids. „Auch, um sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern zu können. Im Leben geht es um mehr als darum, ein fantastisc­her Coach zu sein.“Das ist Reid ohne Frage. Immer wieder gelang es ihm, schwierige Typen in seine Teams zu integriere­n: Michael Vick zum Beispiel, der Hundekämpf­e organisier­t hatte und deshalb zwei Jahre im Gefängnis gesessen war. Oder Tyreek Hill, der wegen häuslicher Gewalt auf Bewährung war und im Halbfinale vor zwei Wochen zwei TouchdownP­ässe fing.

Gleich im ersten Jahr richtete Reid die am Boden liegenden Chiefs auf, führte sie in die Play-offs. Fünf Jahre in Folge haben sie es nun dorthin geschafft. Teils brillanten Football hat Reid in Kansas City etabliert, aber auch immer wieder schmerzhaf­te Niederlage­n erlebt. Vor einem Jahr platzte der SuperBowl-Traum erst in der Verlängeru­ng des Halbfinale­s.

Heuer waren es Mahomes, im Vorjahr noch zum wertvollst­en Spieler der Liga gewählt, eine starke Offensive und eine solide Defensive, die Reid seine zweite Super-BowlTeilna­hme einbrachte­n. 15 Jahre musste er darauf warten. Für seinen Arbeitgebe­r waren es sogar 51. Immerhin: Ihren bis dato letzten Super-Bowl-Auftritt gewannen die Chiefs.

Wenn sie es am Montag um 0.30 Uhr (Pro Sieben) in Miami mit den San Francisco 49ers aufnehmen, wartet der schwerstmö­gliche Gegner. Kein Team hielt die gegnerisch­en Spielmache­r besser in Schach, mit acht Siegen in Serie startete San Francisco in die Saison. Liganeulin­g Nick Bosa und der erfahrene Richard Sherman führen die Verteidung an, in ihrem Schatten könnte der Ansbacher Mark Nzeocha zum dritten deutschen Super-Bowl-Sieger werden. Die Offensive der 49ers ist weniger beeindruck­end als ihre Verteidigu­ng – und doch die viertbeste der Liga.

Dass Spielmache­r Jimmy Garoppolo jetzt um den Titel spielt, steht symptomati­sch für das Ende einer Ära: Bis 2017 war er Ersatzmann von Seriensieg­er Tom Brady bei den Patriots. Der ist inzwischen 42 Jahre alt, hatte mit der Meistersch­aft in diesem Jahr nichts zu tun, nun wird über seine Zukunft spekuliert. Doch Garoppolo spielt weniger spektakulä­r als sein Super-Bowl-Gegner Mahomes, ist in San Francisco einer von vielen Top-Akteuren.

Die 49ers werden Trainer Reid auch in Miami wieder zum tragischen Helden machen wollen. Der lässt indes keinen Zweifel daran, dass für ihn nur die Meistersch­aft zählt, vorher gibt es keinen Grund zu feiern. „Ich hatte einen Cheeseburg­er und bin ins Bett“, sagte er nach dem Finaleinzu­g. Seinen Platz in der Geschichte des Sports hat er schon – bis jetzt als Gescheiter­ter. Mit einem Sieg in Miami könnte Reid das ändern. » TENNIS Australian Open Eurosport, 5.55 Uhr Finale MännerDopp­el, 9.30 Uhr Finale Männer, aus Melbourne

» WINTERSPOR­T ZDF, 10.15 – 17 Uhr

» SNOOKER World Main Tour Eurosport, 14/20 Uhr German Masters: Finale aus Berlin

» EISHOCKEY NHL

Sport1, 20.45 Uhr Montréal Canadiens – Columbus Blue Jackets

» AMERICAN FOOTBALL Pro7, 22.45 Uhr NFL Super Bowl: Kansas City Chiefs – San Francisco 49ers

» RADSPORT Vuelta a San Juan Eurosport, 23 Uhr 7. Etappe

» BLICKPUNKT SPORT

BR, 21.45 Uhr u.a. Fußball, Winterspor­t

 ?? Foto: Jeff Roberson, dpa ?? Seit sieben Jahren trainiert Andy Reid die Kansas City Chiefs. Er gehört zu den besten Trainern der Liga, doch zum großen Titel hat es bislang noch nicht gereicht.
Foto: Jeff Roberson, dpa Seit sieben Jahren trainiert Andy Reid die Kansas City Chiefs. Er gehört zu den besten Trainern der Liga, doch zum großen Titel hat es bislang noch nicht gereicht.

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