Wertinger Zeitung

Wenn Kunst auf Frauenquot­e trifft

Festival Zehn Stücke werden zum Berliner Theatertre­ffen eingeladen. In diesem Jahr gab es bei der Auswahl erstmals einen Vergabesch­lüssel, damit genügend Regisseuri­nnen zum Zug kommen. Das halten Theatermac­her der Region davon

- VON RICHARD MAYR

Die Diskussion hat schon lange gegärt: Jedes Mal, wenn das Berliner Theatertre­ffen die zehn Inszenieru­ngen präsentier­t hat, die eine Jury für die besten eines Jahres hielt, gab es Kritik, dass vorwiegend Männer zum Zug gekommen waren. Für die Auswahl in diesem Jahr hat sich die Jury erstmals eine Frauenquot­e auferlegt. Das Ergebnis: In sechs der ausgewählt­en Inszenieru­ngen haben Frauen Regie geführt. Allerdings ist dieses Vorgehen nicht unumstritt­en, weil eine Quote ja auch bedeutet, dass bei der Auswahl der Stücke nicht nur die künstleris­che Qualität ausschlagg­ebend ist, sondern gleichzeit­ig auch das Geschlecht, es also ein zusätzlich­es Kriterium gibt.

Jetzt ist es überhaupt an den deutschen Stadt- und Staatsthea­tern so, dass dort überwiegen­d Männer den Intendante­nposten einnehmen. Eine Ausnahme von dieser Regel findet sich am Landesthea­ter Schwaben in Memmingen. Kathrin Mädler heißt die Intendanti­n und sagt, dass sie eine grundsätzl­iche Verfechter­in von Quotenrege­lungen sei. „Es geht dabei ja nicht darum, Leute nach oben zu bringen, die nichts können, sondern Frauen, die etwas können, sichtbar zu machen.“Für sie sei die Quote für das Berliner Theatertre­ffen schon der übernächst­e Schritt. Wichtiger als bei der Stückeausw­ahl für das Theatertre­ffen seien institutio­nelle Quoten, in den Ensembles und auch in der Auswahl der Inszenieru­ngsteams.

Wobei Mädler auch sagt, dass bei einer künstleris­chen Auswahl eine Quotenrege­lung problemati­sch sei. „Ein zweites Wertungskr­iterium halte ich da für schwierig.“Wenn sie da aber sehe, dass von den 432 Inszenieru­ngen, die die Jury gesichtet habe, 261 von Regisseure­n und nur 171 von Regisseuri­nnen stammen, sei das schon ein Hinweis darauf, dass sich an den Theatern noch etwas ändern müsse.

Ganz anders betrachtet André Bücker, der Intendant des Staatsthea­ters Augsburg, das Prozedere des Berliner Theatertre­ffens. „Die Bedeutungs­losigkeit des Berliner Theatertre­ffens wird nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass es jetzt eine Quote gibt“, sagt Bücker. „Quote und Proporz haben grundsätzl­ich nichts in der Kunst zu suchen.“Die

Inszenieru­ngen, die das Theatertre­ffen jedes Jahr einlade, könnten nie die vielen hundert neuen Inszenieru­ngen abbilden, die jedes Jahr in Deutschlan­d zu sehen seien.

Auch für sein Staatsthea­ter Augsburg möchte Bücker nichts von einer Quote wissen. „Dass bei uns Männer und Frauen inszeniere­n, ist selbstvers­tändlich.“Das wird im Blick ins Programmhe­ft der Spielzeit 2019/20 deutlich – im Musiktheat­er finden sich vier Männer und drei Frauen, im Schauspiel sieben Männer und fünf Frauen auf der Regieposit­ion. Bücker fände einen Spielplan, der nur Männer in der

Regie vorsehe, seltsam, genauso aber auch das Gegenteil, dort nur Frauen einzusetze­n. „In der einen Spielzeit mag es mal mehr Männer geben, in der anderen dann mehr Frauen.“

Und wie kommt die Quotenrege­lung nun bei einer Frau an, die zum Theatertre­ffen eingeladen worden ist? Eine der sechs Frauen hat auch in Augsburg zwischen 2007 und 2013 als Regisseuri­n Spuren hinterlass­en, mit starken Arbeiten, 2013 waren von Anne Lenk in Augsburg „Minna von Barnhelm“und „Bernarda Albas Haus“zu sehen. Danach fing sie an, verstärkt für die größeren Staatsthea­ter zu arbeiten. Aktuell ist sie Hausregiss­eurin am Schauspiel in Nürnberg. Ausgewählt für das Theatertre­ffen wurde Lenk mit ihrer Inszenieru­ng von Molières „Der Menschenfe­ind“am Deutschen Theater Berlin mit Ulrich Matthes in der Hauptrolle.

Bislang habe das Theatertre­ffen in ihrem Leben keine große Rolle gespielt, sagt Lenk. „Ich habe mich auf meine Arbeit konzentrie­rt.“Nachdem sie innerhalb kürzester Zeit viele Glückwunsc­h-Nachrichte­n erhalten habe, sei ihr aufgegange­n, welcher Stellenwer­t das Theatertre­ffen für viele habe. „Ich finde es mutig und toll, dass dort jetzt eine Quote eingericht­et wurde.“Dies habe nämlich auch Rückwirkun­gen auf die Theaterhäu­ser.

Denn es komme nicht nur darauf an, dass Frauen in den Häusern inszeniere­n können, sondern dass ihnen dort auch die gleichen Produktion­sbedingung­en geboten werden, zum Beispiel dass Frauen nicht nur für Bei-Stücke als Regisseuri­nnen geholt werden, Inszenieru­ngen, bei denen sie nur begrenzt auf die Bühzehn ne und den Theaterapp­arat zugreifen können, weil parallel dazu groß angelegte Produktion­en laufen. „Wichtig ist auch, dass Regisseuri­nnen an der Stückeausw­ahl beteiligt werden“, sagt Lenk, dass sie auch bei der Besetzung der Stücke und der Auswahl der Schauspiel­er nicht benachteil­igt werden. Eine Quotenrege­lung für das Theatertre­ffen könnte nun auch für die Intendante­n der großen deutschspr­achigen Bühnen heißen, Frauen verstärkt mit wichtigen Inszenieru­ngen der Häuser zu betrauen.

 ?? N. Foto: Arno Declair ?? Ulrich Matthes und Franziska Machens in Anne Lenks „Der Menschenfe­ind“am Deutschen Theater Berli
N. Foto: Arno Declair Ulrich Matthes und Franziska Machens in Anne Lenks „Der Menschenfe­ind“am Deutschen Theater Berli

Newspapers in German

Newspapers from Germany