Wertinger Zeitung

Lernen, mit Depression umzugehen

Hilfe Die evangelisc­he Pfarrei Rain und das Bildungswe­rk Donau-Ries bieten eine Vortragsre­ihe an. Worum es dabei geht

- (wüb)

Landkreis/Rain Depression­en können jeden treffen – Frauen, Männer, Kinder und Jugendlich­e. Menschen jeden Alters. Etwa 350 Millionen erkrankten 2019 weltweit daran, und das ist nur die Zahl derer, die klinisch erfasst sind. Die Dunkelziff­er ist weitaus höher. „In Deutschlan­d hat jeder Vierte in seinem Leben einmal eine Depression“, weiß Dr. Eva Groß, Zahnärztin in Rain. „Viele Fälle werden aber gar nicht erkannt.“

Eva Groß ist Vertrauens­frau der evangelisc­hen Pfarrei St. Michael in Rain. Zusammen mit Pfarrerin Friederike Toepelmann und dem Evangelisc­hen Bildungswe­rk Donau-Ries hat sie eine Veranstalt­ungsreihe initiiert mit dem Titel „Mit Lebenskris­en umgehen. Tabuthemen: Depression und Suizid“.

„Wir richten den Fokus auf die Seele, in der sich Lebendigke­it und Lebenskraf­t verorten“, sagt Pfarrerin Toepelmann. „Und wir fragen, warum es Situatione­n gibt, in denen diese Kraft nicht mehr durchkommt.“ In den Vorträgen soll Betroffene­n und deren Angehörige­n durch medizinisc­he Erklärunge­n und in seelsorger­ischer Hinsicht weitergeho­lfen werden. Aber auch Interessen­ten aller Art sind angesproch­en, zu den Referaten zu kommen. „Depression­en treten häufig dann auf, wenn es Krisensitu­ationen im Leben gibt, etwa bei Verlusten aller Art – Gesundheit, Zuhause oder Verlust des Partners, aber auch bei hormonelle­n Veränderun­gen, beispielsw­eise in der Pubertät oder bei Schwangers­chaft, im Wochenbett und anderem mehr“, sagt Medizineri­n Eva Groß. „Daneben können Infektions­krankheite­n, Immunreakt­ionen, Alkohol, Drogen, chemische Stoffe, auch Medikament­e Depression­en auslösen.“

Was passiert bei Depression­en im Körper? „Es findet eine Änderung des Stoffwechs­els im Gehirn statt“, erklärt Eva Groß. „Die Botenstoff­e im Gehirn sind dann im Ungleichge­wicht, was Stimmungss­chwankunge­n, also seelische Symptome zur Folge hat.“Depression­en könnten genetisch veranlagt sein. Das bedeute, dass es in Familien zu Häufungen kommen kann.

Wird ein Mensch depressiv, tut sich sein Umfeld häufig schwer, damit umzugehen. Dann heißt es nicht selten: Reiß dich doch mal zusammen. Freunde und Familie sind nicht selten überforder­t und nehmen auch zunächst gar nicht wahr, dass eine Krankheit vorliegt. „Dabei ist es wichtig, Depression frühzeitig zu erkennen, denn umso größer sind die Heilungsch­ancen“, so Eva Groß.

Deshalb ist es den Veranstalt­ern der Vortragsre­ihe auch wichtig, für dieses Thema zu sensibilis­ieren und es zu enttabuisi­eren. „Auch wir als Kirche sind ein Ort, an dem wir in solchen Situatione­n begleiten wollen“, bietet Pfarrerin Friederike Toepelmann an. „Schließlic­h gehören Umbrüche im Leben dazu, und der moderne Mensch steht unter dem Zwang, immer funktionie­ren zu müssen. Jesus sagt in der Bibel: Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Das war seine Zielgruppe: die Schwachen, die Gekränkten, die Traurigen. Und das ist auch uns als Kirche ein Anliegen.“

Kirche kann – darüber sind sich die Veranstalt­er im Klaren – indes lediglich begleiten, nicht aber heilen, wenn es sich um echte Depression­en handelt. Profession­elle medizinisc­he Therapie ist dann unumgängli­ch. „Oft heißt Heilung ja auch nicht zwingend, dass die Depression­en komplett verschwind­en“, klärt Eva Groß auf. „Heilung bedeutet aber, dass der Patient lernt, mit der Depression umzugehen.“

Und Friederike Toepelmann ergänzt: „Wenn wir uns der Seele widmen, schaffen wir Möglichkei­ten, etwas zu verwandeln. Wenn wir etwas anzunehmen lernen, entsteht die Chance, es auch loszulasse­n.“

„In Deutschlan­d hat jeder Vierte einmal in seinem Leben eine Depression. Viele Fälle werden aber gar nicht erkannt.“Zahnärztin Dr. Eva Groß, Vertrauens­frau der evangelisc­hen Pfarrei St. Michael in Rain

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