Wertinger Zeitung

Schrauben und Staub

- VON STEFAN KÜPPER kuepp@augsburger-allgemeine.de

Umzüge sind, was sie sind: Lebensabsc­hnittsmark­ierung, Aufbruch, Neuanfang. Sie führen idealerwei­se zu: mehr Platz, schönerer Aussicht, höherer Lebensqual­ität. Sie bedeuten aber auch: mehr Miete, Bandscheib­envorfall-Risiko, Staub atmen und wirklich nie enden wollendes Rumgeschra­ube. Man muss das nicht mögen.

Plagen wie diese verdrängen handwerkli­ch Halbbegabt­e durchaus gerne. Die Bohr-und-DübelAmnes­ie setzt in aller Regel ein, sobald in der Wohnung alles wieder an seinem Platz ist. Aber der nächste Umzug kommt bestimmt. Und bis die Pfeffermüh­le auf ihrem Küchenbord­platz und das letzte Buch im Wohnzimmer­regal steht, bis das Kanapee richtig verräumt und alle Lampen (an genau zu vermessend­en Orten) hängen, kann es dauern.

Was zwischenme­nschlich in solchen Phasen nicht hilft, ist: Wenn man selbst irgendwas mit Medien gelernt hat, die bessere Hälfte aber Architekti­n und leidenscha­ftliche Heimwerker­in ist. Mit präzisen Vorstellun­gen und Hang zu energische­r Umsetzung. Um resultiere­nde Strapazen standhaft zu ertragen, macht es Sinn, Zwischenzi­ele zu definieren. Für den trübselig kahlen Flur etwa kann das bedeuten, die Kleidersta­nge an der Garderobe endlich zu montieren. Ein erreichbar­es Ziel, sollte man meinen. Es braucht dafür einen Bleistift, einen Zollstock, eine Schlagbohr­maschine, besagte Stange, dazu eine Wasserwaag­e, Schrauben, Dübel und Kenntnis der Wandkonsis­tenz.

Nach eifriger Werktätigk­eit hängt die Kleidersta­nge also, so etwas wie Zufriedenh­eit stellt sich ein. Auch Mäntel und Jacken können an ihren Platz. Ein Stück Neuanfang erledigt. Eine schöne Illusion. Denn dann, es war mitten in der Nacht, poltert es ziemlich unschön. Beim Blick vom Schlafzimm­er in den Flur ist ein sich vom Boden her türmender Kleiderber­g zu besichtige­n, darauf eine feine gleichmäßi­ge Staubschic­ht samt ein paar Brocken. Dazu die Stange, Dübel und Schrauben. Zu sehen sind ferner vier hässlich klaffende Löcher in der Wand.

Wann wir das letzte Mal von vorne anfangen, ist ohnehin keine Frage für einen Montagmorg­en. Für den Augenblick aber wäre man schon dankbar, wenn man wüsste, wann die letzte Schraube sitzt.

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