Schrauben und Staub
Umzüge sind, was sie sind: Lebensabschnittsmarkierung, Aufbruch, Neuanfang. Sie führen idealerweise zu: mehr Platz, schönerer Aussicht, höherer Lebensqualität. Sie bedeuten aber auch: mehr Miete, Bandscheibenvorfall-Risiko, Staub atmen und wirklich nie enden wollendes Rumgeschraube. Man muss das nicht mögen.
Plagen wie diese verdrängen handwerklich Halbbegabte durchaus gerne. Die Bohr-und-DübelAmnesie setzt in aller Regel ein, sobald in der Wohnung alles wieder an seinem Platz ist. Aber der nächste Umzug kommt bestimmt. Und bis die Pfeffermühle auf ihrem Küchenbordplatz und das letzte Buch im Wohnzimmerregal steht, bis das Kanapee richtig verräumt und alle Lampen (an genau zu vermessenden Orten) hängen, kann es dauern.
Was zwischenmenschlich in solchen Phasen nicht hilft, ist: Wenn man selbst irgendwas mit Medien gelernt hat, die bessere Hälfte aber Architektin und leidenschaftliche Heimwerkerin ist. Mit präzisen Vorstellungen und Hang zu energischer Umsetzung. Um resultierende Strapazen standhaft zu ertragen, macht es Sinn, Zwischenziele zu definieren. Für den trübselig kahlen Flur etwa kann das bedeuten, die Kleiderstange an der Garderobe endlich zu montieren. Ein erreichbares Ziel, sollte man meinen. Es braucht dafür einen Bleistift, einen Zollstock, eine Schlagbohrmaschine, besagte Stange, dazu eine Wasserwaage, Schrauben, Dübel und Kenntnis der Wandkonsistenz.
Nach eifriger Werktätigkeit hängt die Kleiderstange also, so etwas wie Zufriedenheit stellt sich ein. Auch Mäntel und Jacken können an ihren Platz. Ein Stück Neuanfang erledigt. Eine schöne Illusion. Denn dann, es war mitten in der Nacht, poltert es ziemlich unschön. Beim Blick vom Schlafzimmer in den Flur ist ein sich vom Boden her türmender Kleiderberg zu besichtigen, darauf eine feine gleichmäßige Staubschicht samt ein paar Brocken. Dazu die Stange, Dübel und Schrauben. Zu sehen sind ferner vier hässlich klaffende Löcher in der Wand.
Wann wir das letzte Mal von vorne anfangen, ist ohnehin keine Frage für einen Montagmorgen. Für den Augenblick aber wäre man schon dankbar, wenn man wüsste, wann die letzte Schraube sitzt.