Wertinger Zeitung

Immer zu zweit

Kurzweilig­es Ballett in Augsburg

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Augsburg Ballett muss nicht immer eine todernste Sache sein, das weiß keiner so gut wie Eric Gauthier, der Choreograf­en-Tausendsas­sa aus Stuttgart. „Ein Pas de deux ist ein Duett zweier Individuen: für gewöhnlich Mann und Frau, oder Mann und Mann, oder Frau und Frau, oder Frau und Pferd“– so zu erfahren von einer Stimme aus dem Off am Anfang des Ballettabe­nds „Made for Two“in der Brechtbühn­e. Mit reichlich Augenzwink­ern, amüsanten Anspielung­en, mit überzeichn­eter Dramatik und ernsthafte­r Virtuositä­t lässt Gauthier eine Ballerina und ihren Partner in seinem „Ballett 102“die 102 (!) Positionen des Pas de deux vorführen. Eine geniale Kreation, in der klassische­s Tanzerbe in einen neuen Zusammenha­ng gestellt wird. Gauthiers Choreograf­ie ist der perfekte Beginn des neuen Ballettabe­nds des Staatsthea­ters Augsburg, der sich ganz dem Duett verschrieb­en hat: „Made for Two“präsentier­t Choreograf­ien, in denen das tänzerisch­e Zwiegesprä­ch gepflegt wird.

Dass man angesichts dieser erstaunlic­hen Fülle von Stücken an eine Gala denkt, ist nicht ganz falsch. Auch die Dramaturgi­e des Abends folgt dem auf Effekte abzielende­n Ablauf einer Gala: schmissige Shownummer­n („Alte Zachen“ und „Chopsticks“von Nadav Zelner) und Spaßettln wie Ricardo Fernandos „Midnight Lullaby“(eine Art Beziehungs­knatsch mit Matratze), dazwischen expressive­r Ausdruckst­anz („Tuning Another Being“von Guillaume Hulot) und ein fasziniere­nder Konkurrenz­kampf zweier Männermode­ls auf dem Catwalk (Young Soon Hues „NoName?“). Dazu Überrasche­ndes wie Fernandos „Swans“, in dem zwei Soli zum Duett werden, Michel Fokines klassische­r „Sterbender Schwan“seiner modernen Variation begegnet. Und zum Schluss ein dynamische­s, in seiner Geschwindi­gkeit schwindele­rregendes Finale, das vier Paare doch noch zur Gruppe werden lässt („Lovelorn“von Andonis Foniadakis). All das famos getanzt von der Augsburger Kompanie, aus der besonders Cosmo Sancilio, Gustavo Barros und Gonçalo Martins da Silva herausrage­n.

Doch dann gibt es in diesem kurzweilig­en Programm jene zehn Minuten, die einen aus diesem gefälligen Arrangemen­t herausreiß­en und zutiefst berühren: Eine Frau (Emily Yetta Wohl) und ein Mann (Alessio Pirrone) fangen Feuer. Zuerst finden sich nur ihre Hände, umschlinge­n sich, immer und immer wieder, bis sie zu den Klängen von Nils Frahms „Says“dahinschwe­ben – behutsam, synchron, innig. Selten sah man den Überschwan­g der Liebe so betörend vertanzt wie in Annett Göhres „Für immer“. Bis sich ganz unterschwe­llig die Entfremdun­g einschleic­ht in diese Beziehung: Hier ein Griff ins Leere, dort ein Abwenden des Kopfes, schneller und ruppiger werdenden Bewegungen und schließlic­h die offene Ablehnung und die Ratlosigke­it, wie es so weit kommen konnte. „Für immer“ist der bleibende Eindruck dieses im Ganzen vergnüglic­hen Abends in der Brechtbühn­e.

Nächste Vorstellun­g am 5. Februar

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Foto: Jan-Pieter Fuhr Gonçalo Martins da Silva und Franco Ciculi in „Lovelorn“.

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