FCA-Profis hören den Weckruf
Bundesliga Erst als in der Halbzeit die Fans pfeifen und der Trainer laut wird, gelingt gegen Werder Bremen die Wende. Warum der 2:1-Sieg so wichtig ist
Augsburg Die Pfiffe der eigenen Fans, die Martin Schmidt und sein Team in die Halbzeit begleiteten, verfehlten beim Trainer des FC Augsburg ihre Wirkung nicht. 0:1 lag sein Team im so wegweisenden Spiel gegen Werder Bremen zurück und es schien, als würde der FCA nach einer soliden Vorrunde mit 23 Punkten nach der Winterpause auch das dritte Spiel in Folge verlieren. Dass Schmidt dann am späten Samstagnachmittag in der Mixed-Zone der WWK-Arena lächelnd über einen 2:1 (0:1)-Sieg sprechen konnte, hatte auch mit der Reaktion der Augsburger Anhänger zu tun.
„Die Pfiffe haben unglaublich wehgetan“, erklärte Schmidt später. Sie waren aber nachvollziehbar. Hatte der FCA doch mit drei Heimsiegen in Folge und dem spektakulären 3:5 gegen Dortmund die Messlatte sehr hoch gelegt. Zu hoch in der ersten Hälfte.
Dafür gab es Gründe. Schmidt hatte sich von der Taktik seines Kollegen Florian Kohfeldt überraschen lassen. Anstatt mit dem sonst so Werder-typischen Positionsspiel hatte es der Werder-Trainer diesmal mit Kick and Rush auf Rückkehrer David Selke und den A-Junior und Bundesliga-Neuling Nick Woltemade probiert. „Deshalb haben wir auch mit André (Hahn) und Floh (Niederlechner) begonnen. Wir wussten, wir müssen anrennen – und plötzlich stehen zwei große Spieler auf dem Platz und plötzlich wird mit langen Bällen gespielt“, erzählte Schmidt. Da weder Hahn noch seine Kollegen richtig Zugriff bekamen, lief erst einmal nicht viel beim FCA. Auch weil Schiedsrichter Marco Fritz zwei der wenigen gelungenen Angriffe wegen Abseits fälschlicherweise zurückpfiff und ein Tor von Felix Uduokhai wegen eines angeblichen Foulspiels von Niederlechner nicht gab. Es schien sich alles gegen den FCA zu wenden. Denn auch den Bremer Führungstreffer erzielte der FCA selbst.
FCA-Torhüter Andreas Luthe, der den grippekranken Stammtorhüter Tomas Koubek ersetzte, stoppte den Alleingang von Selke, doch dann schoss der sonst überragende Jeffrey Gouweleeuw Tin Jedvaj an, von dessen Fuß der Ball zum 0:1 (23.) ins leere Tor rollte. Es schien ein trostloser Nachmittag aus Sicht der FCA-Fans unter den 29 432 Zuschauern zu werden. Einige pfiffen.
Was Schmidt als zusätzlichen Auftrag mit in die Kabine nahm. „Wir mussten das drehen, lieber pfeifen sie in der Halbzeit und jubeln nach dem Spiel.“Zuerst nahm er sich seine Spieler zur Brust: „Er hat uns zusammengeschissen“, verriet Florian Niederlechner in seiner erfrischenden Art. „Er hätte aber auch gar nichts sagen brauchen, weil jeder gewusst hat, was wir für einen Scheiß zusammengespielt haben.“
Zudem stellte Schmidt auch taktisch um und brachte Alfred Finnbogason für den enttäuschenden Hahn. Und das wirkte. Finnbogason bewegte sich zwischen den Linien, die Bremer kamen damit nicht klar und plötzlich agierte der FCA domiRichtung nant. Das vermeintliche 1:1 (61.) durch Ruben Vargas zählte nicht, er war aus dem Abseits gestartet, doch sechs Minuten später hatte Torjäger Florian Niederlechner mit seinem elften Saisontreffer (67.) den Bann gebrochen. Bremen wankte und fiel. Finnbogason bediente mit einem Geniestreich Vargas und der junge Schweizer traf in der 82. Minute überlegt zum 2:1-Siegtreffer ins lange Eck. Zuletzt hatte er zweimal bei der 2:3-Niederlage in Bremen am 1. September getroffen.
Am Ende war es ein verdienter Sieg, der diesmal entgegen aller Mathematik für den FCA mehr wert war als drei Punkte. Meinte SportGeschäftsführer Stefan Reuter: „Das war ein klassisches SechsPunkte-Spiel. In der Halbzeit waren sie drei Punkte dran, jetzt haben wir neun Punkte Vorsprung.“Während sich in Bremen die Krise immer mehr verschärft, Trainer Kohfeldt aber nicht ans Aufhören denkt („Dass die Diskussion sich in meine dreht, ist in Ordnung, aber ich werde nicht weglaufen“), kann der FCA mit nun 26 Punkten beruhigt und mit Selbstvertrauen am Freitag (20.30 Uhr/DAZN) bei Eintracht Frankfurt antreten.
Denn Schmidt und sein Team haben gezeigt, dass man auch gegen einen tief stehenden Gegner einen erfolgreichen Plan B umsetzen kann, was Schmidt-Kritiker bisher bezweifelten. Und sie haben mentale Stärke bewiesen. Schmidt sagt: „Man kann dem Team vertrauen, auch wenn es mal eine nicht so gute Halbzeit hat.“
FCA Luthe – Jedvaj, Gouweleeuw, Uduokhai, Max – R. Khedira (78. Löwen), Baier – M. Richter, Vargas (86. Framberger) – Hahn (46. Finnbogason), Niederlechner Werder Bremen Pavlenka – Toprak, Vogt, Moisander – M. Eggestein, N. Sahin (80. Groß), Klaassen, Bittencourt (87. Sargent) – Woltemade (58. Bartels), Selke, Rashica Tore 0:1 Jedvaj (23./Eigentor), 1:1 Niederlechner (67.), 2:1 Vargas (82.) Schiedsrichter Fritz (Korb) Zuschauer 29 432