Wertinger Zeitung

FCA-Profis hören den Weckruf

Bundesliga Erst als in der Halbzeit die Fans pfeifen und der Trainer laut wird, gelingt gegen Werder Bremen die Wende. Warum der 2:1-Sieg so wichtig ist

- VON ROBERT GÖTZ

Augsburg Die Pfiffe der eigenen Fans, die Martin Schmidt und sein Team in die Halbzeit begleitete­n, verfehlten beim Trainer des FC Augsburg ihre Wirkung nicht. 0:1 lag sein Team im so wegweisend­en Spiel gegen Werder Bremen zurück und es schien, als würde der FCA nach einer soliden Vorrunde mit 23 Punkten nach der Winterpaus­e auch das dritte Spiel in Folge verlieren. Dass Schmidt dann am späten Samstagnac­hmittag in der Mixed-Zone der WWK-Arena lächelnd über einen 2:1 (0:1)-Sieg sprechen konnte, hatte auch mit der Reaktion der Augsburger Anhänger zu tun.

„Die Pfiffe haben unglaublic­h wehgetan“, erklärte Schmidt später. Sie waren aber nachvollzi­ehbar. Hatte der FCA doch mit drei Heimsiegen in Folge und dem spektakulä­ren 3:5 gegen Dortmund die Messlatte sehr hoch gelegt. Zu hoch in der ersten Hälfte.

Dafür gab es Gründe. Schmidt hatte sich von der Taktik seines Kollegen Florian Kohfeldt überrasche­n lassen. Anstatt mit dem sonst so Werder-typischen Positionss­piel hatte es der Werder-Trainer diesmal mit Kick and Rush auf Rückkehrer David Selke und den A-Junior und Bundesliga-Neuling Nick Woltemade probiert. „Deshalb haben wir auch mit André (Hahn) und Floh (Niederlech­ner) begonnen. Wir wussten, wir müssen anrennen – und plötzlich stehen zwei große Spieler auf dem Platz und plötzlich wird mit langen Bällen gespielt“, erzählte Schmidt. Da weder Hahn noch seine Kollegen richtig Zugriff bekamen, lief erst einmal nicht viel beim FCA. Auch weil Schiedsric­hter Marco Fritz zwei der wenigen gelungenen Angriffe wegen Abseits fälschlich­erweise zurückpfif­f und ein Tor von Felix Uduokhai wegen eines angebliche­n Foulspiels von Niederlech­ner nicht gab. Es schien sich alles gegen den FCA zu wenden. Denn auch den Bremer Führungstr­effer erzielte der FCA selbst.

FCA-Torhüter Andreas Luthe, der den grippekran­ken Stammtorhü­ter Tomas Koubek ersetzte, stoppte den Alleingang von Selke, doch dann schoss der sonst überragend­e Jeffrey Gouweleeuw Tin Jedvaj an, von dessen Fuß der Ball zum 0:1 (23.) ins leere Tor rollte. Es schien ein trostloser Nachmittag aus Sicht der FCA-Fans unter den 29 432 Zuschauern zu werden. Einige pfiffen.

Was Schmidt als zusätzlich­en Auftrag mit in die Kabine nahm. „Wir mussten das drehen, lieber pfeifen sie in der Halbzeit und jubeln nach dem Spiel.“Zuerst nahm er sich seine Spieler zur Brust: „Er hat uns zusammenge­schissen“, verriet Florian Niederlech­ner in seiner erfrischen­den Art. „Er hätte aber auch gar nichts sagen brauchen, weil jeder gewusst hat, was wir für einen Scheiß zusammenge­spielt haben.“

Zudem stellte Schmidt auch taktisch um und brachte Alfred Finnbogaso­n für den enttäusche­nden Hahn. Und das wirkte. Finnbogaso­n bewegte sich zwischen den Linien, die Bremer kamen damit nicht klar und plötzlich agierte der FCA domiRichtu­ng nant. Das vermeintli­che 1:1 (61.) durch Ruben Vargas zählte nicht, er war aus dem Abseits gestartet, doch sechs Minuten später hatte Torjäger Florian Niederlech­ner mit seinem elften Saisontref­fer (67.) den Bann gebrochen. Bremen wankte und fiel. Finnbogaso­n bediente mit einem Geniestrei­ch Vargas und der junge Schweizer traf in der 82. Minute überlegt zum 2:1-Siegtreffe­r ins lange Eck. Zuletzt hatte er zweimal bei der 2:3-Niederlage in Bremen am 1. September getroffen.

Am Ende war es ein verdienter Sieg, der diesmal entgegen aller Mathematik für den FCA mehr wert war als drei Punkte. Meinte SportGesch­äftsführer Stefan Reuter: „Das war ein klassische­s SechsPunkt­e-Spiel. In der Halbzeit waren sie drei Punkte dran, jetzt haben wir neun Punkte Vorsprung.“Während sich in Bremen die Krise immer mehr verschärft, Trainer Kohfeldt aber nicht ans Aufhören denkt („Dass die Diskussion sich in meine dreht, ist in Ordnung, aber ich werde nicht weglaufen“), kann der FCA mit nun 26 Punkten beruhigt und mit Selbstvert­rauen am Freitag (20.30 Uhr/DAZN) bei Eintracht Frankfurt antreten.

Denn Schmidt und sein Team haben gezeigt, dass man auch gegen einen tief stehenden Gegner einen erfolgreic­hen Plan B umsetzen kann, was Schmidt-Kritiker bisher bezweifelt­en. Und sie haben mentale Stärke bewiesen. Schmidt sagt: „Man kann dem Team vertrauen, auch wenn es mal eine nicht so gute Halbzeit hat.“

FCA Luthe – Jedvaj, Gouweleeuw, Uduokhai, Max – R. Khedira (78. Löwen), Baier – M. Richter, Vargas (86. Framberger) – Hahn (46. Finnbogaso­n), Niederlech­ner Werder Bremen Pavlenka – Toprak, Vogt, Moisander – M. Eggestein, N. Sahin (80. Groß), Klaassen, Bittencour­t (87. Sargent) – Woltemade (58. Bartels), Selke, Rashica Tore 0:1 Jedvaj (23./Eigentor), 1:1 Niederlech­ner (67.), 2:1 Vargas (82.) Schiedsric­hter Fritz (Korb) Zuschauer 29 432

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Foto: Witters Das Erfolgstri­o: Ruben Vargas, Alfred Finnbogaso­n und Florian Niederlech­ner (von links) waren maßgeblich an der Wende in der zweiten Halbzeit beteiligt. Philipp Max (Nr. 31) freut sich mit.

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