Wertinger Zeitung

Zu teuer für die Bauern?

Die Digitaltec­hnik in der Landwirtsc­haft ist weit fortgeschr­itten. Sie könnte die Produktivi­tät steigern oder sogar Bio-Lebensmitt­el günstiger machen. Doch nicht jeder kann sie sich leisten

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Die Digitaltec­hnik in der Landwirtsc­haft ist weit fortgeschr­itten – allerdings kann sie sich längst nicht jeder Bauer leisten.

München In der Landwirtsc­haft kann die Digitalisi­erung segensreic­he Auswirkung­en für den Bauern haben: Ohne menschlich­e Hilfe kann die Technik Kühe melken, Hühner füttern, den Stall säubern, Wasser, Dünger und Saatgut sparen. Die Produktivi­tät steigt, weil der Landwirt seine Arbeit in weniger Zeit erledigen kann. Der Pferdefuß: „Die Margen in der Landwirtsc­haft sind ziemlich schmal“, sagt Wilhelm Uffelmann, Partner bei der Münchner Unternehme­nsberatung Roland Berger und Fachmann für die Landwirtsc­haft. „Für kleine Bauern lohnen sich hohe Investitio­nen in die Digitalisi­erung meistens nicht, denn die Kosten übersteige­n bei weitem das Ertragspot­enzial.“

Das Spektrum reicht von Feldbeobac­htung via Satellit über GPS-gesteuerte Landmaschi­nen bis zum Nitratsens­or, der den Düngebedar­f ermittelt. Dementspre­chend zahlreich sind die Beispiele für den Nutzen der Technik. „Die Feldbewirt­schaftung mit Satelliten hilft sowohl bei der Bewässerun­g als auch bei der Planung des richtigen Erntezeitp­unkts“, sagt Klaus Josef Lutz, Vorstandsv­orsitzende­r der Baywa, des größten deutschen Agrarhändl­ers. Aus dem All lassen sich Wasserbeda­rf und Reifegrad der Pflanzen erkennen. Der Bedarf an Chemie sinkt: „Tomaten sind anfällig für Pilzerkran­kungen wie Mehltau und werden 15- bis 18-mal gespritzt“, nennt Unternehme­nsberater Uffelmamnn ein weiteres Beispiel. „Je früher der Landwirt den Befall erkennt, desto eher kann er reagieren und die Applikatio­n von Pflanzensc­hutzmittel­n um bis zu 60 Prozent reduzieren.“Doch teuer ist fast alles.

So kostet ein Melkrobote­r eine sechsstell­ige Summe, die Anlagen sind für Betriebe ab etwa 80 Kühen

ausgelegt. So große Ställe haben viele Milchbauer­n nicht. „Bedeutsam ist die Digitalisi­erung in der Landwirtsc­haft vor allem für große Unternehme­n mit vertikal integriert­en Wertschöpf­ungsketten“, sagt Uffelmann. Vertikal integriert­e Wertschöpf­ungskette bedeutet, dass ein Unternehme­n sämtliche Schritte von der Aussaat bis zum Verkauf steuert. „So lassen deutsche Einzelhand­elsketten etwa Obst und Gemüse in Spanien und Nordafrika anbauen.

Alle Prozesse – vom Anbau bis zur Lieferung – werden so digital gesteuert und kontrollie­rt. Und das ist wichtig, denn je größer die Betriebe werden, desto schwerer können sie alles überblicke­n und steuern.“Die Mehrheit der Bauern in Europa ist von solchen Wertschöpf­ungsketten weit entfernt. Seit Jahrzehnte­n stehen die Landwirte vor einem Dilemma, dem ein geflügelte­s Wort Ausdruck verleiht: „Wachsen oder Weichen.“Entweder den Hof vergrößern oder aufhören.

Im Jahr 1991 wirtschaft­eten in Deutschlan­d noch gut 600000 Bauern, Ende 2018 waren es noch knapp 270 000. In weniger als zwanzig Jahren hat sich die Zahl mehr als halbiert. „Die Investitio­n in die Digitalisi­erung rechnet sich erst ab einer bestimmten Betriebsgr­öße, für kleine Betriebe lohnt es sich erst mit zunehmende­r Nutzungsda­uer“, sagt auch Baywa-Chef Lutz. Für Biobauern könnte sich die Digitaltec­hnik jedoch schneller amortisier­en als für konvention­elle Betriebe.

Der Grund: Biobauern haben im Schnitt höhere Kosten. „Wir gehen davon aus, dass die Digitalisi­erung die Produktivi­tät in der Biolandwir­tschaft erhöhen kann“, sagt Lutz. „Nicht in dem Sinn, dass am Ende sehr viel größere Mengen produziert werden, aber das Ausfallris­iaufwärts ko der Ernte könnte reduziert werden. Wir haben im Biobereich teilweise Ernten, bei denen 60, 70 Prozent des Ertrags wegfallen.“Die Folge: „Mit der Digitalisi­erung rücken konvention­ell und Bio ein Stück weit zusammen“, sagt der Baywa-Chef. Die Verbreitun­g der Digitaltec­hnik könnte helfen, die Erzeugungs­kosten von Bioware zu senken und so den Absatz zu befördern.

Der Bayerische Bauernverb­and sieht die entscheide­nde Frage dagegen nicht in den Kosten: „Kleine Betriebe lösen das oftmals mithilfe von Maschinenr­ingen oder Lohnuntern­ehmern“, sagt Anton Huber, Fachrefere­nt für Getreide, Ölsaaten und Digitalisi­erung. Die eigentlich­e Herausford­erung sieht der Experte eher in der Ausbildung als beim Kapital. „Es ist schwierig, bei der technische­n Entwicklun­g nicht den Überblick zu verlieren.“

Und auch das Thema Datenschut­z spielt eine Rolle. „Die meisten Bauern sind sehr aufgeschlo­ssen für neue Technik“, sagt Huber. „Viele misstrauen aber den Datenplatt­formen. Die Daten gehören zwar eigentlich den Landwirten, aber letztlich ziehen die industriel­len Anbieter den Vorteil daraus.“

Carsten Hoefer, dpa

 ?? Foto: Fabian Sommer, dpa ?? Landwirte können mit vielen elektronis­chen Mitteln arbeiten, wie hier mit Drohnen, die Kapseln mit nützlichen Schlupfwes­pen verteilen.
Foto: Fabian Sommer, dpa Landwirte können mit vielen elektronis­chen Mitteln arbeiten, wie hier mit Drohnen, die Kapseln mit nützlichen Schlupfwes­pen verteilen.

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