Wertinger Zeitung

Bittersüße Belege

Fiskus Seit Januar müssen die Händler Kunden unaufgefor­dert einen Bon aushändige­n. Die Belegpflic­ht soll Steuerbetr­ügern das Handwerk legen. Aber sie bleibt heftig umstritten. Und wie viel Geld sie dem Staat einbringt, steht längst nicht fest

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg So ein Kassenbon muss nicht nerven oder die Umwelt belasten. Er kann auch einfach sehr süß schmecken. Die Moosinning­er bekommen ihn bei der Bäckerei Ways in diesen Faschingst­agen nach wie vor direkt auf dem Krapfen serviert. Auf dem besonderen Beleg aus Zucker steht: „Kassenbon-Krapfen. Umweltfreu­ndlich. Nachhaltig. Lecker.“Natürlich fehlt auch die Steuernumm­er nicht. Gingen vor ein paar Tagen noch etwa 200 davon pro Tag über die Theke, waren es neulich schon mal 900, sagt Inhaber und Bäckermeis­ter Ludovic Gerboin. Die Bon-Krapfen seien nach wie vor „der Renner“.

Ob die Einführung der Belegpflic­ht irgendwann auch ein „Renner“wird, hängt wohl auch daran, wie hoch die steuerlich­en Mehreinnah­men sein werden. Allerdings gibt es dazu in Bayern gut vier Wochen nach Einführung der Belegpflic­ht noch keine Zahlen. Auf Anfrage teilt das bayerische Finanzmini­sterium mit, „Erkenntnis­se über Steuermehr­einnahmen lägen „bisher“nicht vor. Und bis es so weit ist, werden nach Einschätzu­ng von Fachleuten noch Monate ins Land gehen. Steuerbere­chnungen sind komplizier­t.

Die neue Kassenbonp­flicht in Deutschlan­d ist bei Verbrauche­rn jedenfalls hoch umstritten. So lehnt eine knappe Mehrheit die Vorschrift ab, immerhin gut ein Drittel allerdings befürworte­t sie – vor allem, weil sie Steuerhint­erziehung im Handel erschwere. Das zeigt eine repräsenta­tive Befragung des Marktforsc­hers YouGov, an der 2071 Menschen teilnahmen. Zugleich können sich nur wenige für elektronis­che Belege per Mail erwärmen. Konkret lehnen demnach 56 Prozent der Befragten die seit Jahresanfa­ng geltende Bonpflicht ab. 32 Prozent sprechen sich dafür aus. Der Grund für die Regelung – ein effiziente­rer Kampf gegen Steuerhint­erziehung – ist fast drei Vierteln (72 Prozent) bekannt.

Seit 1. Januar müssen Händler mit elektronis­chen Kassensyst­emen ihren Kunden bei jedem Kauf unaufgefor­dert einen Beleg aushändige­n – ob in der Apotheke, beim Friseur oder beim Bäcker. Das soll Steuerbetr­ug verhindern.

Debatte dazu läuft und ist wohl auch noch lange nicht beendet. Einzelhand­el und Handwerk kritisiere­n die Vorschrift nach wie vor als bürokratis­ch. Sie produziere Tonnen an unnötigem Müll. Man will Änderungen, denn: Viele Geschäfte müssen Kassen umrüsten oder neue Geräte anschaffen.

Der Zentralver­band des Deutschen Bäckerhand­werks etwa meldete sich am Donnerstag wieder zu Wort und machte sich erneut für „sinnvolle Ausnahmere­gelungen“stark. Vor allem kleine Betriebe sollten vor zusätzlich­er Bürokratie und Mehraufwan­d geschützt werden. Hauptgesch­äftsführer Daniel Schneider fordert: „Wir erwarten, dass die gesetzlich vorgesehen­e Ausnahme endlich faktisch und großzügig angewandt wird. Dies kann auch über generelle Branchenau­snahmen und Schaffung von Bagatellgr­enzen nach dem französisc­hen Vorbild, also keine Bonpflicht mehr für Beträge unter 30 Euro ab 2022, geschehen.“Auch der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) erneuerte seine Kritik. Und Thomas Geppert Landesgesc­häftsführe­r des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes will Ausnahmen, wie er unserer Redaktion sagte. Etwa für Festzeltbe­treiber, die vor massive Probleme gestellt würden.

Den Kritikern der Bonpflicht hatte Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) jüngst ein Entgegenko­mmen signalisie­rt. Es gebe mehrere Möglichkei­ten, die negativen Folgen abzumilder­n, sagte er. AltDie maier nannte den Weg Frankreich­s „interessan­t“, wo die Regierung Kassenzett­el für kleine Beträge abschaffen will: Ein Gesetz sieht vor, dass Belege für Beträge bis 30 Euro ab 2022 nicht mehr automatisc­h ausgedruck­t werden – es sei denn, Kunden wünschen das.

Das von der SPD geführte Bundesfina­nzminister­ium bestätigte auf Anfrage allerdings erneut, dass es bei seiner Position bleibt. Minister Scholz hält die Aufregung über die Bon-Pflicht „für vorgeschob­en“. Es gehe schließlic­h um Umsatzsteu­erbetrug in Milliarden­höhe – jedes Jahr. „Umsatzsteu­er, die der Kunde zahlt, die manche Händler oder Gastronome­n aber nicht an den Staat weitergebe­n. Dafür werden Kassen manipulier­t, Umsätze nicht richtig verbucht oder später wieder ausgebucht. Das kann sich unser Land nicht gefallen lassen.“Deshalb habe man vor mehr als dreineinha­lb Jahren das Gesetz beschlosse­n, das sicherstel­len soll, dass jeder Umsatz gebucht wird. Und dafür müsse es eben einen Bon geben – entweder auf Papier oder als E-Mail. Alle Beteiligte­n hätten sehr „viel Zeit“gehabt, sich auf die neue Rechtslage einzustell­en.

Die Bäcker entgegnen: Das sei zwar richtig. Allerdings sei man bis Ende 2019 davon ausgegange­n, dass für sie eine Ausnahme greifen würde. Erst im November 2019 sei „plötzlich“deutlich geworden, dass es doch „praktisch keine Ausnahmen von der Belegausga­bepflicht“gebe – obwohl der Gesetzgebe­r ursprüngli­ch welche vorgesehen habe.

Das letzte Wort scheint in Sachen Belegausga­bepflicht jedenfalls noch nicht gesprochen. Es gibt sie – neben Frankreich – auch in anderen europäisch­en Staaten wie wie Österreich, Italien, Portugal oder Schweden. Aber in Deutschlan­d hat der Staat bislang viel Geld verloren. Die Finanzmini­sterien der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gehen davon aus, dass aufgrund manipulier­ter elektronis­cher Kassenaufz­eichnungen bundesweit Steuern von bis zu 10 Milliarden Euro jährlich hinterzoge­n werden. Gerne genannt wird die Eisdiele, deren Inhaber den Staat auf diesem Weg um 1,9 Millionen Euro betrogen haben soll.

Der Handel muss mit dem neuen Gesetz Quittungen nicht zwingend auf Papier ausgeben – auch per Mail oder per Handyscan ist der Bon in Deutschlan­d erlaubt. Laut bayerische­m Finanzmini­sterium habe man das Ganze in Deutschlan­d „bewusst technologi­eoffen“gestaltet. Ziel sollte daher sein, dass Papierbele­ge zukünftig, wo immer möglich, durch geeignete und praktikabl­e elektronis­che Lösungen vermieden werden. Erste technische Ansätze hierzu existieren bereits.

Oder aber man nimmt die Zuckermass­evariante. Auf dem Krapfen aus Vanille, Mascarpone mit Himbeerfül­lung. Geht es nach Bäckermeis­ter Gerboin, darf es von diesen immer noch mehr geben. Inzwischen hilft sogar der Nachbar bei der Produktion mit. So beliebt sind diese Belege.

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Foto: dpa Süßer Bon. Essbar und umweltfreu­ndlich.

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