Gute Aussichten für München?
Hintergrund Ministerpräsident Söder hat mit seinem Vorschlag, die Landeshauptstadt aus Oberbayern herauszulösen und zu einem eigenen Regierungsbezirk zu machen, für einige Verwirrung gesorgt. Wo das Problem liegt
München Was für eine Vision! München soll für Bayern sein, was Paris für Frankreich ist: strahlende Weltstadt, pulsierende Metropole, kräftig schlagendes Leistungsherz. Das stellt sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für die Zukunft vor. In München soll alles schneller gehen – vom Wohnungsbau über den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. München soll Leuchtturm sein – in Wissenschaft, Kunst und Kultur. Und München soll dies Seite an Seite mit dem Freistaat erreichen – „auf Augenhöhe“, wie Söder sagt.
Im Weg steht dem Ministerpräsidenten dabei seine eigene Verwaltung, genauer: die Einteilung Bayerns in Regierungsbezirke. Die kreisfreie Stadt München mit ihren knapp 1,5 Millionen Einwohnern ist nämlich nicht nur traditionell, sondern auch laut Verfassung ein Teil des Regierungsbezirks Oberbayern. Und dieser Bezirk mit seinen insgesamt fast 4,7 Millionen Bürgern ist weit größer als jeder andere in Bayern. Zum Vergleich: In Schwaben leben knapp 1,9 Millionen Menschen. Die fünf weiteren Regierungsbezirke sind noch kleiner.
Doch es ist nicht nur die schiere Größe Oberbayerns, die der Staatsverwaltung die Arbeit schwer macht. Die Regierung von Oberbayern ist mit ihren 1600 Mitarbeitern
nicht nur für ein riesiges Gebiet zuständig. Es reicht von Landsberg im Westen bis Burghausen im Osten, von Garmisch im Süden bis Beilngries im Norden. Sie ist auch mit ganz unterschiedlichen Aufgaben betraut. Nur ein Beispiel: Als Genehmigungsbehörde muss sie sich um das Milliardenprojekt „2. S-Bahn-Stammstrecke“in München genauso kümmern wie um einen Wanderweg in Schneizlreuth.
Söder will das entzerren und kleinere Einheiten schaffen. Ein erster Schritt dahin ist die räumliche Aufteilung der Regierung von Oberbayern. 500 Mitarbeiter sollen nach Ingolstadt, 500 nach Rosenheim. Doch das soll nur der Anfang sein. Söder schlägt darüber hinaus vor, München aus Oberbayern herauszulösen und zu einem eigenen Regierungsbezirk zu machen. Es wäre der achte in Bayern. Und damit beginnen die Schwierigkeiten.
Ein Regierungsbezirk nämlich ist nicht nur eine staatliche Verwaltungseinheit, sondern zugleich eine kommunalpolitische Einheit mit einem vom Volk gewählten Bezirkstag und einem Bezirkstagspräsidenten an der Spitze. Der Bezirk kümmert sich um überörtliche Angelegenheiten wie zum Beispiel Bezirkskrankenhäuser, Berufsschulen, Sozialhilfe für Behinderte oder das Fischereiwesen. Das Geld dafür bekommt der Bezirk von den kreisfreien Städten und Landkreisen. In Oberbayern ist München der größte Nettozahler. Im Jahr 2018 überwies die Stadt 573 Millionen Euro an den Bezirk und damit mehr als ein Drittel der gesamten Bezirksumlage in Höhe von rund 1,5 Milliarden.
Söder hat, seit er seine Idee bei der CSU-Klausur in Kloster Seeon verkündet hat, einen Heidenspaß daran, wenn er auf Leute trifft, die den Unterschied zwischen Bezirksregierung und Bezirk nicht kennen. Zunehmend genervt aber reagiert er, wenn er mit Bedenken und kritischen Fragen konfrontiert wird. Man solle doch, so hält er Kritikern entgegen, mutiger sein und sich offener zeigen für neue Lösungen.
Ob seine Lösung allerdings zu den Problemen passt, die er beschreibt, ist mindestens offen. Beispiel Verkehr. Einer der Auslöser für Söders Vorstoß waren, wie er sagt, die schwierigen Verhandlungen über eine Tarifreform des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV). Die Stadt München und die umliegenden Landkreise konnten sich nicht darüber einigen, wer wie viel zur Finanzierung beisteuert und was die Fahrkarten in der Stadt und im Umland kosten sollen. Der Konflikt sei nur mit zusätzlichem Geld von der Staatsregierung zu lösen gewesen.
Eine Antwort auf die Frage, was da anders gelaufen wäre, wenn es den eigenen Regierungsbezirk München schon gegeben hätte, aber blieb er schuldig. Tatsächlich nämlich ist es so, dass die Regierung von Oberbayern bei den Verhandlungen gar nicht mit am Tisch sitzt. Sie ist in dieser Frage nur Genehmigungsbehörde. Ob es mit zwei Genehmigungsbehörden in München und Oberbayern einfacher wäre?
Neben dem Verkehr gibt es in der Landeshauptstadt und ihrer Umgebung ein zweites dominierendes Problem, das mit der Schaffung eines eigenen Regierungsbezirks München wohl nicht zu lösen ist: die Wohnungsnot. Die freie Fläche im Stadtgebiet ist begrenzt. In einigen Jahren wird in München kein zusätzlicher Wohnraum mehr zu schaffen sein. Nur im Umland gibt es noch Platz. Die meisten Kommunen im „Speckgürtel“rund um die Landeshauptstadt aber sind peinlich darauf bedacht, ihren Charakter als Kleinstädte zu wahren. Immer wieder scheitern größere Bauvorhaben am Widerstand vor Ort.
Grundsätzlich ändern könnte daran wahrscheinlich nur eine Gebietsreform etwas, also eine Vergrößerung der Stadt durch Eingemeindung umliegender Kommunen. Doch daran traut sich offenbar nicht einmal Söder ran. Der Ärger über die Gebietsreform in den 70er Jahren steckt der CSU bis heute in den Knochen.
Dass seine Vision für München nicht einfach zu realisieren sein wird, räumt Söder ein. Deshalb soll sich jetzt erst einmal eine Arbeitsgruppe mit den komplizierten Fragen befassen. Eine Reform, die sich auf die Regierung von Oberbayern beschränkt, so heißt es aus dem Kreis der Beteiligten, wäre relativ einfach. So wie es in Oberbayern drei Polizeipräsidien gibt, so könnte auch – per Verwaltungsakt – die Staatsverwaltung dreigeteilt werden. Der Bezirk als politische Einheit könnte unangetastet bleiben.
Für eine Änderung der Bezirksgrenzen dagegen wäre eine Verfassungsänderung nötig – und eine sachliche Begründung. Bisher, so sagte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), könne er weder Vor- noch Nachteile erkennen.
Lesen Sie dazu auch unsere Reportage „Wenn das Herz Oberbayerns fehlt“auf der Dritten Seite.
Die Regierung ist das eine, der Bezirk das andere