Wertinger Zeitung

Ratlosigke­it über die Leiharbeit

Regierung weiß nicht, wo Autobauer kürzen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin In der Krise müssen sie zuerst gehen: Leiharbeit­er oder Beschäftig­te mit Werkverträ­gen. In der erfolgsver­wöhnten Autoindust­rie stellt der langsame Abschied von Diesel und Benziner Gewissheit­en auf die Probe. In den vergangene­n Jahren hatte die Branche immer mehr Personal eingestell­t, jetzt werden zehntausen­de Stellen gestrichen. Die Bundesregi­erung lädt Hersteller und Gewerkscha­ften regelmäßig zu Gesprächen auf höchster Ebene, wie der wichtigste Industriez­weig des Landes den Wandel meistern kann, ein. Doch sie hat keine Ahnung davon, wie viele Leiharbeit­er oder Werkverträ­gler gehen mussten. Das hat eine Anfrage der Linken an die Regierung ergeben. „Der Bundesregi­erung liegen hierzu keine statistisc­hen Erkenntnis­se vor“, lautete die Antwort. Linken-Chef Bernd Riexinger hält das für sträfliche Ignoranz.

„Dass die Bundesregi­erung in einem so zentralen Bereich keine Daten über das Schicksal dieser Beschäftig­ten erhebt, offenbart ein schockiere­ndes Maß an Desinteres­se“, sagte er unserer Redaktion. Die Leiharbeit­er dürften nicht vergessen werden. „In unsicheren Zeiten leiden immer zuerst die Menschen in unsicheren Arbeitsver­hältnissen.“Nach der Schätzung der IG Metall sind derzeit noch 53000 Leiharbeit­er bei Hersteller­n und Zulieferer­n eingesetzt. Wegen neuer Einsparung­en wie zuletzt bei Daimler sind ihre Stellen besonders bedroht.

Der Absatz in China, dem wichtigste­n Automarkt der Welt, ist im Januar um 20 Prozent eingebroch­en. So oder so werden in den nächsten Jahren weitere Arbeitsplä­tze gekürzt werden, wenn die Experten mit ihren Prognosen recht behalten. Für den Bau von Elektromot­oren braucht es weniger Hände als für Verbrenner­maschinen. Ein Extremszen­ario sorgte jüngst für Schlagzeil­en, als von über 400000 wegfallend­en Stellen die Rede war. Die Autoindust­rie selbst hält eine mildere Entwicklun­g für realistisc­h. Demnach muss bis 2030 mit einem Verlust von 79 000 bis 88 000 Stellen gerechnet werden. Das sind immerhin zehn Prozent der festen Stellen in der Autobranch­e.

In den anstehende­n Tarifgespr­ächen steht für die Gewerkscha­ft die Sicherung von Beschäftig­ung an erster Stelle, nicht die Lohnsteige­rung. Die IG Metall hat den Arbeitgebe­rn ein Zukunftspa­ket vorgeschla­gen. Die Unternehme­n sollen auf Personalab­bau und Standortsc­hließungen verzichten, für einzelne Fabriken sollen Zusagen für Investitio­nen festgeschr­ieben werden. Die Bundesregi­erung hat Gewerkscha­ften und Unternehme­n zugesicher­t, sie im schwierige­n Umbruch zu unterstütz­en. Das Kurzarbeit­ergeld soll leichter als bisher von zwölf auf 24 Monate verlängert werden, wenn es nötig ist. Die Arbeitsämt­er sollen außerdem die Weiterbild­ung von Mitarbeite­rn stärker fördern können.

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