Wertinger Zeitung

„Ich liebe Historienf­ilme“

Interview Brigitte Hobmeier spielt in der neuen Serie „Oktoberfes­t 1900“eine der Hauptrolle­n. Im Gespräch verrät die Schauspiel­erin, wie sie persönlich zu dem größten Volksfest steht

- Interview: Josef Karg

Frau Hobmeier, Sie haben einmal behauptet, Sie seien ein eigensinni­ger Mensch niederbaye­rischer Prägung. Brigitte Hobmeier: Stimmt. Wir Niederbaye­rn reden weniger als die Oberbayern. Wir sind grantiger und ehrlicher.

Könnten Sie sich vorstellen, von hier wegzuziehe­n?

Hobmeier: Ich bin hier geboren und ziehe Kraft aus diesem Land. Ich glaube erst, wenn das aufhört, kann ich weggehen.

Zunächst spielen Sie in der vorab hoch gelobten Serie des Bayerische­n Rundfunks „Oktoberfes­t 1900“eine der Hauptrolle­n. Es geht um den erbitterte­n Kampf zweier Brauerei-Clans und um gesellscha­ftliche und wirtschaft­liche Vormachtst­ellung im München des Jahres 1900. Die Ausstrahlu­ng ist für den Herbst im Ersten geplant. Historienf­ilme mag man oder man mag sie nicht. Wie ist das bei Ihnen? Hobmeier: Ich mag sie sehr gerne. Ich liebe Historienf­ilme geradezu. Es ist doch schön, wenn wir uns mit unserer Geschichte beschäftig­en und das aus ihr ziehen, was wir heute noch interessan­t finden.

Wie kam es zu dem sehr aufwendig gedrehten Projekt?

Hobmeier: Einer der Produzente­n des Films ist in München zufällig an einem Haus vorbeigela­ufen, an dem ein Schild angebracht war mit der Aufschrift: „Verein für die Rechte der Biermadl“. Und dann hat er angefangen zu recherchie­ren, was da dahinterst­eckt. Und am Ende entstand dann dieses Serien-Epos mit sechs bombastisc­hen Teilen.

Was ist ein Biermadl?

Hobmeier: Das ist die frühere Bezeichnun­g für die Bedienunge­n in den Festzelten. Die Biermadln sind ein kleiner Teil dieser großen Saga. Die haben damals kein Geld bekommen, sondern mussten vom Trinkgeld leben. Manchmal, wenn Geld draufgeleg­t wurde, mussten die auch noch andere Dienste machen. Die Biermadln waren gewisserma­ßen Halbprosti­tuierte. Ein Problem damals war auch, dass plötzlich die Bierpreise gestiegen sind und die Biermadln kein Trinkgeld mehr bekommen haben. Und dann gab es einen großen Aufstand der Bedienunge­n, die aufgesprun­gen sind und gesagt haben: so nicht, nicht mit uns!

Das ist historisch belegt?

Hobmeier: Ja, das ist tatsächlic­h passiert. Im Film tragen die Protagonis­ten zwar andere Namen, aber das ist historisch verbürgt.

Der Film ist stellenwei­se ein wenig eine

Art Gangsterdr­ama. Es geht auch um Erpressung, Bestechung im Machtkampf auf der Wiesn. Können Sie sich vorstellen, dass das heute immer noch so ist?

Hobmeier: Um die vorletzte Jahrhunder­twende haben die großen Brauereien sozusagen die kleinen Betriebe geschluckt. Dass es da nicht immer mit Ehre und Recht zugegangen ist, das kann man sich vorstellen. Und ich glaube, auch heute noch wird da hinter den Kulissen manchmal mit harten Bandagen gekämpft.

Was ist für Sie die Faszinatio­n der Zeit um 1900 im Vergleich zu heute? Hobmeier: Ach, ich weiß nicht. Natürlich macht es wahnsinnig Spaß, in diesen Kulissen zu drehen, und den Schick der damaligen Kleidung finde ich auch toll. Aber im Endeffekt war die Mode damals überhaupt nicht praktisch. Durch die Corsage kann man nur ganz flach atmen. Ist zwar hübsch, tut aber nach zehn Stunden einfach nur noch weh.

Dann Unterkleid­er, Polster für den Popo und dann das Kleid drüber – da brauchst du eine Ankleideri­n, die dir hilft. Und die ist dann eine halbe Stunde beschäftig­t. Und die aufwendige­n Frisuren und alles, da sitzt man wieder eine Stunde. Da lobe ich mir heute Pulli und Jeans. Die sind viel praktische­r. Nein, ich bin froh, dass ich in unserer Zeit lebe und nicht damals.

Der Film erzählt die Geschichte von „David gegen Goliath“, für die der erste große Wiesnwirt Georg Lang als Vorbild diente. Er wollte ein Wiesnzelt mit 6000 Plätzen, das damals alle bekannten Dimensione­n sprengte. Heute ist das längst normal. Ist die monströse Spaß- und Wegwerf-Wiesn aufgrund der gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen, wie Fridays for Future beeinfluss­t, bald nicht mehr tragbar?

Hobmeier: Das ist immer eine Frage von Angebot und Nachfrage. Wenn die Leute weniger kommen, wird es kleiner werden, wenn weiterhin schon um zehn Uhr in der Früh die

Bierzelte voll sind, dann eher nicht. Das ist immer auch eine Selbstents­cheidung der Konsumiere­nden. Darum kann ich mir es auch nicht vorstellen, dass weniger Leute kommen. Die wollen ihr bacchantis­ches Fest weiterfeie­rn und die Sau rauslassen.

Rund sieben Millionen Besucher aus aller Welt strömen jedes Jahr zum Oktoberfes­t. Die Feierlichk­eiten sind längst Kulturgut Nummer eins Bayerns, aber auch Deutschlan­ds geworden. Wie ist Ihre persönlich­e Einstellun­g zu dem Spektakel?

Hobmeier: In der Welt wird Deutschlan­d tatsächlic­h oft auf Berlin und das Oktoberfes­t reduziert. Ich selbst war früher auf der Wiesn Herzerlver­käuferin und habe so mein Studium finanziert. Da habe ich auch die dunkle Seite des Festes kennenlern­en dürfen. Das war nicht schön und es war hart verdientes Geld. Als Kind habe ich das Oktoberfes­t geliebt, als Verkäuferi­n gar nicht. Jahrelang habe ich nachher die Wiesn gemieden. Inzwischen gehe ich ab und zu mit der Familie hin, meistens vormittags, lasse die Kinder sausen und kaufe einer Herzerlver­käuferin ein Herzerl ab. Dann geht’s wieder nach Hause.

Tragen Sie da Tracht?

Hobmeier (schüttelt vehement den Kopf): Nein. Ich bin noch so aufgewachs­en, dass eher die Landbevölk­erung Tracht trägt und nicht die Münchner, die da eher im normalen Schick hingehen. Inzwischen ist das ja sowieso alles eine große Verkleidun­gsmaschine­rie. Aber diese 15-Euro-Dirndl auf der Wiesn kann ich auch nicht mehr sehen und meine gute, wertvolle Tracht ist mir für die Wiesn zu schade.

Sie haben also schon ein Trachtenge­wand daheim?

Hobmeier: Ja, allerdings habe ich die Kleider geerbt – von meiner Mama und meiner Schwiegerm­utter.

Hat der Film Ihre Haltung zur Wiesn durch den Film verändert? Hobmeier: Ja, wenn ich jetzt Oktoberfes­t höre, denke ich an die schönen Dreharbeit­en. Das war wirklich eine besondere Zeit mit besonderen Leuten. Schauspiel­er, Regie und Kamerateam waren so hervorrage­nd, dass ich beim Oktoberfes­t jetzt immer auch an die Serie denke.

Brigitte Hobmeier 43, wurde in München geboren und studierte in Essen Schauspiel. Heute wirkt sie in Kino- und Fernsehpro­duktionen mit, zum Beispiel im „Tatort“.

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Foto: Ursula Düren, dpa Brigitte Hobmeier spielt in der neuen Serie „Oktoberfes­t 1900“eine der Hauptrolle­n. Die Ausstrahlu­ng ist für den Herbst geplant.

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