Wertinger Zeitung

Cheftraine­r kritisiert Colleges

Förderung Für den Leichtathl­etik-Verband haben Stipendien einen Haken

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Für viele klingt es wie ein Traum: Nach dem Abitur in die USA, am College studieren, auf dem Campus leben. Der Haken: Ein Studienpla­tz kostet in der Regel 20000 Dollar pro Jahr, mindestens. Die Lösung: ein Sportstipe­ndium. Dank ihres Talentes werden auch deutsche Athleten in Sportteams amerikanis­cher Universitä­ten aufgenomme­n, wo sie zugleich studieren, ohne Gebühren zahlen zu müssen. Doch der Deutsche Leichtathl­etik-Verband (DLV) kritisiert das System.

Rund 1000 deutsche Sportler erhalten jährlich eines der Stipendien in den USA, schätzt André Heine. Er arbeitet für die Agentur Monaco Sports, die Stipendien in den USA vermittelt. Der Augsburger Hiob Gebisso etwa studierte als Stipendiat von 2014 bis 2017 Mathematik an der Universitä­t von St. Louis, kürzlich wurde er bayerische­r Meister im Crosslauf. Über seine Geschichte und das Geschäftsm­odell der Agenturen haben wir vergangene Woche berichtet. Nun hat der DLV in Person von Nachwuchs-Chefbundes­trainer Dietmar Chounard darauf reagiert. Seinen Spitzenspo­rtlern des Bundeskade­rs rate er von einem Stipendium ab. Der Grund: Die Wettkampf- und Trainingsp­läne der US-Sportler seien nicht nachhaltig. Innerhalb weniger Wochen absolviert­en die Sportler zahlreiche Wettkämpfe in mehreren Diszipline­n, um den Hochschule­n Ergebnisse zu bringen. Langfristi­g die Leistung der Sportler zu entwickeln sei dabei nicht wichtig, sagt Chounard.

Gebisso stimmt dem in Teilen zu. Er selbst gehörte vor seinem Studium zum C-Kader des DLV, Athleten des deutschen A- oder B-Kaders seien tatsächlic­h in den USA sehr oft eingesetzt worden. Manche Universitä­ten nähmen jedoch Rücksicht. „Als Kaderathle­t muss man sich besonders gut informiere­n und schauen, welche Trainer einen nicht verheizen“, sagt er. Sinnvoll ist ein Stipendium in den Augen von Chounard für Sportler, die nicht zur Spitze zählen und deshalb für internatio­nale Meistersch­aften und Olympia nicht infrage kommen. Sie könnten sich in den USA persönlich weiterentw­ickeln, ein Stipendium sei für sie eine „tolle Chance“.

Aus dem Bundeskade­r gingen jährlich zwischen zehn und 15 Athleten als Stipendiat­en in die USA, schätzt Chounard. Die wenigsten davon würden sich dort verbessern, eher verschlech­tern. Eine Athletin habe ihr Studium als „sportlich katastroph­al, menschlich herausrage­nd“beurteilt. Für Spitzenspo­rtler seien die Trainingsb­edingungen in Deutschlan­d zudem besser als an amerikanis­chen Universitä­ten. Außerdem stört Chounard, dass amerikanis­che Hochschule­n europäisch­e Athleten rekrutiert­en, die hierzuland­e von Verbänden und Vereinen gefördert worden seien – unter anderem mit Steuermitt­eln.

Bei den deutschen Hallenmeis­terschafte­n am Wochenende in Leipzig startet mit der Berlinerin Leonie Reuter mindestens eine Athletin, die in den USA studiert. Seit diesem Jahr ist die 22-jährige Hochspring­erin an der Washington State University.

 ?? Foto: Tim Groothuis, Witters ?? Dietmar Chounard (links) ist Nachwuchs-Bundestrai­ner der Leichtathl­eten. Er rät Spitzenspo­rtlern von einem Stipendium in den USA ab.
Foto: Tim Groothuis, Witters Dietmar Chounard (links) ist Nachwuchs-Bundestrai­ner der Leichtathl­eten. Er rät Spitzenspo­rtlern von einem Stipendium in den USA ab.

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