Cheftrainer kritisiert Colleges
Förderung Für den Leichtathletik-Verband haben Stipendien einen Haken
Augsburg Für viele klingt es wie ein Traum: Nach dem Abitur in die USA, am College studieren, auf dem Campus leben. Der Haken: Ein Studienplatz kostet in der Regel 20000 Dollar pro Jahr, mindestens. Die Lösung: ein Sportstipendium. Dank ihres Talentes werden auch deutsche Athleten in Sportteams amerikanischer Universitäten aufgenommen, wo sie zugleich studieren, ohne Gebühren zahlen zu müssen. Doch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) kritisiert das System.
Rund 1000 deutsche Sportler erhalten jährlich eines der Stipendien in den USA, schätzt André Heine. Er arbeitet für die Agentur Monaco Sports, die Stipendien in den USA vermittelt. Der Augsburger Hiob Gebisso etwa studierte als Stipendiat von 2014 bis 2017 Mathematik an der Universität von St. Louis, kürzlich wurde er bayerischer Meister im Crosslauf. Über seine Geschichte und das Geschäftsmodell der Agenturen haben wir vergangene Woche berichtet. Nun hat der DLV in Person von Nachwuchs-Chefbundestrainer Dietmar Chounard darauf reagiert. Seinen Spitzensportlern des Bundeskaders rate er von einem Stipendium ab. Der Grund: Die Wettkampf- und Trainingspläne der US-Sportler seien nicht nachhaltig. Innerhalb weniger Wochen absolvierten die Sportler zahlreiche Wettkämpfe in mehreren Disziplinen, um den Hochschulen Ergebnisse zu bringen. Langfristig die Leistung der Sportler zu entwickeln sei dabei nicht wichtig, sagt Chounard.
Gebisso stimmt dem in Teilen zu. Er selbst gehörte vor seinem Studium zum C-Kader des DLV, Athleten des deutschen A- oder B-Kaders seien tatsächlich in den USA sehr oft eingesetzt worden. Manche Universitäten nähmen jedoch Rücksicht. „Als Kaderathlet muss man sich besonders gut informieren und schauen, welche Trainer einen nicht verheizen“, sagt er. Sinnvoll ist ein Stipendium in den Augen von Chounard für Sportler, die nicht zur Spitze zählen und deshalb für internationale Meisterschaften und Olympia nicht infrage kommen. Sie könnten sich in den USA persönlich weiterentwickeln, ein Stipendium sei für sie eine „tolle Chance“.
Aus dem Bundeskader gingen jährlich zwischen zehn und 15 Athleten als Stipendiaten in die USA, schätzt Chounard. Die wenigsten davon würden sich dort verbessern, eher verschlechtern. Eine Athletin habe ihr Studium als „sportlich katastrophal, menschlich herausragend“beurteilt. Für Spitzensportler seien die Trainingsbedingungen in Deutschland zudem besser als an amerikanischen Universitäten. Außerdem stört Chounard, dass amerikanische Hochschulen europäische Athleten rekrutierten, die hierzulande von Verbänden und Vereinen gefördert worden seien – unter anderem mit Steuermitteln.
Bei den deutschen Hallenmeisterschaften am Wochenende in Leipzig startet mit der Berlinerin Leonie Reuter mindestens eine Athletin, die in den USA studiert. Seit diesem Jahr ist die 22-jährige Hochspringerin an der Washington State University.