Neuaufstellung
Höfliche Menschen drängeln nicht. Sie wählen das Hintanstellen und wissen, ihren Ehrgeiz zu zügeln. Allerdings ist solche Zurückhaltung taktisch unklug, wenn es um die Neuaufstellung geht. Wer sich da nicht robust in Stellung bringt, landet schnell auf dem Abstellgleis. Angesichts der anstehenden Neuaufstellung der CDU lassen sich Stellungsspiele der unterschiedlichsten Qualität beobachten. Es gibt die forschen Hut-inden-Ring-Werfer wie Norbert Röttgen, der mit seiner Kandidatur die Stellschrauben für die Konkurrenten angezogen hat. Die müssen jetzt gleichsam aus der Deckung kommen und die Wartestellung aufgeben, wollen sie nicht in der dicht bevölkerten Abstellkammer der Geschichte landen.
Armin Laschet, so finden seine Unterstützer, soll sich nicht anstellen und sich endlich unmissverständlich in Stellung bringen. Das hat Friedrich Merz irgendwie schon getan, auch wenn es Zweifel gibt, ob er, der Austragsbauer der CDU, das Feld für die Union wirklich wieder bestellen soll. Und Spahn? Seine Stellproben lassen Raum für Interpretation. Doppelspitze? Team? Aber wer ist dann Stellvertreter, wer tritt nach vorne, wer bestellt, wer ist Koch, wer Kellner? Sprengt ein weiterer Überraschungskandidat die nebulöse Vorstellungsrunde der vier Kandidaten aus NRW? Stellt sich noch wer quer? Muss man nicht doch Markus Söder Ambitionen unterstellen?
Die Neuaufstellung wird als Allheilmittel in Krisen aller Art bemüht. Schwächelnde Fußballmannschaften werden neu formiert – und die Nichtaufstellung von Spielern kann Wunder bewirken. „Wir sind gut aufgestellt“ist eine der meistverschlissenen Phrasen der vergangenen Jahre. Keine Betriebsversammlung, keine Bilanzpressekonferenz eines Unternehmens, auf der dieses Mantra ungesagt bliebe. „Wir sind gut aufgestellt.“Wahlweise für die Zukunft, die durchwachsenen Konjunkturaussichten, die großen Herausforderungen und/oder den Konkurrenzkampf.
Von Aufstellungen verspricht sich der Mensch offenbar immer Erkenntnisgewinn, wie die inflationär sich ausbreitende „Familienaufstellung“gezeigt hat. Mit der richtigen Aufstellung, so die allgemeine Vorstellung, lassen sich Probleme abstellen. Und ist die Neuaufstellung erst einmal installiert, kommt es auf die richtige Einstellung an. Um den alten Fontane zu zitieren: „In der Aufstellung unserer Grundsätze sind wir strenger als in ihrer Befolgung.“