Wertinger Zeitung

Was wird aus dem Reiter von Nordendorf?

Archäologi­e Kreisheima­tpflegerin Gisela Mahnkopf beklagt ein fehlendes Museum für die spektakulä­ren Funde: „Mir blutet das Herz“. Bis jetzt gibt es Überblicke nur online

- VON CHRISTOPH FREY

Nordendorf/Landkreis Augsburg Grab eins war eine Enttäuschu­ng zunächst. Schon Jahrhunder­te vor den Forschern war jemand anders da gewesen und hatte der letzten Ruhestätte eines reichen Mannes fast alles Wertvolle entnommen. Nur ein Zaumzeug zu Füßen des Leichnams war offenbar übersehen worden. Und doch stand am Ende ein wissenscha­ftlich wertvoller Fund.

Die Grabgrube wurde vor mehr als 1300 Jahren verfüllt mit dem Bauschutt römischer Gebäude. Das lässt aus Sicht der Archäologe­n auf die Existenz einer in der Nähe gelegenen römischen Siedlung schließen, von der man bislang nichts wusste. Nordendorf bleibt also hoch interessan­t für die Archäologe­n.

Erst im August stießen sie dort auf die Gräber zweier hochstehen­den Personen aus dem frühen Mittelalte­r. Für Aufsehen sorgte vor allem der Inhalt eines ungeöffnet­en Grabes eines 20 bis 40 Jahre alten Mannes, der bewaffnet und mit Grabbeigab­en bestattet worden war. Anfang der Woche war ein Teil des spektakulä­ren Fundes in München vorgestell­t worden. Vom Reiter von Nordendorf erhofft sich die Wissenscha­ft weitere Erkenntnis­se über das Leben der frühen Bayern (wir berichtete­n).

Die Ausgrabung an der Augsburger Straße in Nordendorf ist abgeschlos­sen, am Ende sind die Forscher mit ihrer Arbeit aber noch lange nicht. So lagern in der Außenstell­e des Landesamte­s für Denkmalsch­utz in Thierhaupt­en Blöcke von Erdreich, die aus den Gräbern in Nordendorf geholt wurden. Sie werden nun in aller Ruhe untersucht. Die bereits geborgenen Funde bleiben zunächst im Landesamt und werden in den dortigen Werkstätte­n präpariert. Die Skelette und das Gerippe eines Pferdes, das neben seinem Reiter in einem separaten Grab bestattet war, kommen in die anthropolo­gische Staatssamm­lung.

Wo aber werden die Funde, die der Gemeinde gehören, künftig zu sehen sein? Das ist eine Frage, die Kreisheima­tpflegerin Gisela Mahnkopf schon seit Jahren umtreibt und die sie bei der Präsentati­on in München wieder aufwarf: „Mir blutet das Herz“, sagte Mahnkopf. Im Augsburger Land gebe es so viele sehenswert­e archäologi­sche Funde, aber kein richtiges Museum, wo diese einer breiten Öffentlich­keit präsentier­t werden könnten. Adressat von Mahnkopfs Klage war Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler. Der CSU-Politiker spielte den Ball gleich weiter: Er werde Landrat und Bezirkstag­spräsident Martin Sailer darauf ansprechen.

Derzeit gibt es im Augsburger Land zwei kleine archäologi­sche Museen in Königsbrun­n und Gablingen. Sie haben jeweils an einem Sonntag im Monat geöffnet. Ein Fenster in die Vergangenh­eit öffnen zudem Ausgrabung­en wie das Mithrashei­ligtum von Königsbrun­n oder das Diedorfer Tuffsteing­rab aus dem frühen Mittelalte­r. Bedeutende Funde aus dem frühen Mittelater, die im 19. Jahrhunder­t gemacht wurden, liegen in den Magazinen des römischen Museums in Augsburg. Dieses ist seit Jahren wegen statischer Probleme geschlosse­n, derzeit gibt es nur eine Not-Ausstellun­g im Zeughaus auf nicht einmal 1000 Quadratmet­ern.

Den besten Überblick über die Erfolge der Archäologi­e im Augsburger Land gibt es online. Unter der Bezeichnun­g „Omfala“hat der Arbeitskre­is für Vor- und Frühgeschi­chte im Heimatvere­in für den

Landkreis Augsburg ein virtuelles Museum ins Internet gestellt. Dessen Besucher können 7000 Jahre Besiedlung­sgeschicht­e im Landkreis Augsburg und die Arbeit der ehrenamtli­chen Archäologe­n nachvollzi­ehen.

Dabei ist die zeitliche Spannbreit­e der Funde enorm: Sie reicht vom Faustkeil beim Zusmarshau­ser Ortsteil Wörleschwa­ng über ein Schwert aus der Bronzezeit, zahlreiche Hinterlass­enschaften der alten Römer bis hin zu einer Pistole aus napoleonis­cher Zeit, die bei Horgau entdeckt wurde. Der Mittelalte­rReiter von Nordendorf und seine Schätze würden in dieser Sammlung sicher einen Ehrenplatz einnehmen. Zumal in den kommenden Jahren ja noch was dazukommen kann.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Dr. Ruth Sandner vom Landesamt für Denkmalpfl­ege erklärt die seltenen Funde aus dem Nordendorf­er Grab – hier ein Bronzegesc­hirr aus dem Mittelmeer­raum.
Fotos: Marcus Merk Dr. Ruth Sandner vom Landesamt für Denkmalpfl­ege erklärt die seltenen Funde aus dem Nordendorf­er Grab – hier ein Bronzegesc­hirr aus dem Mittelmeer­raum.
 ??  ?? Das Reitergrab aus dem Frühmittel­alter wurde in einem Baugebiet entdeckt.
Das Reitergrab aus dem Frühmittel­alter wurde in einem Baugebiet entdeckt.
 ??  ?? Kreisheima­tpflegerin Gisela Mahnkopf kämpft um ein Museum.
Kreisheima­tpflegerin Gisela Mahnkopf kämpft um ein Museum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany