Wertinger Zeitung

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Geld kann nichts wiedergutm­achen. Aber es kann helfen. Erst wenn die Bischöfe zu dieser Einsicht gelangen, übernehmen sie echte Verantwort­ung

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger-allgemeine.de

Aller Voraussich­t nach werden die deutschen Bischöfe an diesem Donnerstag einen Beschluss zum Thema „Opferentsc­hädigung“präsentier­en. Nach langen und kontrovers­en internen Diskussion­en. Noch am Mittwoch berieten sie in Mainz während ihrer Frühjahrs-Vollversam­mlung intensiv darüber.

Für die katholisch­e Kirche, vor allem aber für die Missbrauch­sopfer in ihren Reihen, geht es um viel. Die Bischöfe wissen das. Sie wissen: Wir müssen jetzt ein Signal senden. Nichts anderes kündigte der neue Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, gleich nach seiner Wahl am Dienstag an: Er hoffe auf ein Ergebnis, „das Betroffene­n gegenüber ein Signal ist“. Kaum im Amt, wird das Thema „Entschädig­ung“zu seiner ersten

Bewährungs­probe. Und darum muss es gehen – um Entschädig­ungen, nicht um „Leistungen in Anerkennun­g des erlittenen Leids“von in der Regel bis zu 5000 Euro, wie sie bisher gezahlt wurden. Die Wortwahl ist für Opfer deshalb so wichtig – und für Juristen problemati­sch –, weil sie eine grundlegen­d andere Haltung ausdrückt: Unter Anerkennun­g verstehen sie die eher unverbindl­iche Kenntnisna­hme von ihrem Schicksal. Unter Entschädig­ung verstehen sie die Übernahme von Verantwort­ung.

Das ist der Punkt. Die Kirche muss Verantwort­ung übernehmen für den systematis­chen Missbrauch durch ihre Vertreter – und Opfer entschädig­en. Das wäre in der Tat „Betroffene­n gegenüber ein Signal“. Eines, das zudem in die Gesellscha­ft hinein wirken würde, weil es Vorbildcha­rakter haben könnte.

Die Kirche ist eben nicht irgendeine Organisati­on. Ihr Oberhaupt, der Papst, ist nach ihrem Verständni­s „Stellvertr­eter Christi“, ihre Bischöfe direkte Nachfolger der Apostel, ihre Priester Mittler zwischen Gott und Menschen. Gerade beim Umgang mit den tausenden von Kindern und Jugendlich­en, die von Kirchenmän­nern begrapscht oder gar vergewalti­gt wurden, muss die Kirche also vorangehen: Sie muss mehr tun als jede weltliche Organisati­on. Das ist in vielen (verjährten) Fällen weniger eine Frage des Rechts, sondern schlicht Christenpf­licht.

Nun zur Höhe der Entschädig­ungszahlun­gen.

Unumstritt­en ist: Geld kann nichts wiedergutm­achen. Klar muss jedoch ebenfalls sein: Echte Verantwort­ungsüberna­hme drückt sich auch in echter finanziell­er Hilfe aus. 5000 Euro, zum Beispiel, stellen keine echte Hilfe dar mit Blick auf das lebenslang­e Leiden von Missbrauch­sopfern. Mit Blick auf ihre Depression­en und Traumata oder ihre Probleme, ins Berufslebe­n zu finden. Eine große Zahl von Opfern kommt ins oder befindet sich inzwischen im Rentenalte­r – und kämpft nicht nur gegen seelische und körperlich­e Spätfolgen des Missbrauch­s, sondern oft auch gegen Altersarmu­t an. Geld kann ganz konkret und individuel­l helfen. Bis zu 400000 Euro für jedes Opfer, wie von einer Arbeitsgru­ppe vorgeschla­gen, müssen es vielleicht nicht sein, ein nennenswer­ter Betrag gleichwohl. Die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d ist trotz starker regionaler Unterschie­de eine der reichsten der Welt. Wenn sie will, wird sie Wege finden, Opfer „angemessen“zu entschädig­en. Eine Einzelfall­prüfung ist dazu allerdings Voraussetz­ung.

Und so werden die Bischöfe mit der Summe, die sie – auf freiwillig­er Basis – bereit sind, jedem Missbrauch­sopfer zu zahlen, ein weiteres Signal senden. Andere Teile der katholisch­en Weltkirche sind da längst weiter. In Irland erhielten Opfer bis zu 100 000 Euro und mehr, in Australien und Kanada wurden Milliarden­summen zur Verfügung gestellt. Die Bischöfe haben, wieder einmal, die Chance, zu handeln. Sie sollten sie nicht vertun.

Die Kirche muss mehr tun als andere Organisati­onen

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