Wertinger Zeitung

Bodo Ramelow schafft es im dritten Anlauf

Thüringen Der Linken-Politiker wird nach einem Wahlkrimi wieder Ministerpr­äsident

- VON MICHAEL STIFTER UND CHRISTIAN GRIMM

Erfurt Zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen hat Thüringen einen Krimi um die Wahl des Ministerpr­äsidenten erlebt. Die Hauptfigur­en: der Linke Bodo Ramelow und AfD-Rechtsauße­n Björn Höcke. Das Drehbuch: Der frühere Ministerpr­äsident Ramelow wollte als Chef einer rot-rot-grünen Minderheit­sregierung zurück ins Amt, Höcke wollte das verhindern und trat gegen ihn an. In den ersten zwei Wahlgängen erhielt keiner von beiden die nötige absolute Mehrheit. Die entscheide­nde Nebenrolle spielten dabei CDU und FDP, die weder Ramelow noch Höcke als Mehrheitsb­eschaffer dienen wollten. Im dritten Anlauf wurden sie nicht mehr gebraucht. Ramelow reichten die 42 Stimmen seines eigenen Lagers für die einfache Mehrheit.

Vor dem entscheide­nden Wahlgang hatten Spekulatio­nen die Runde gemacht, AfD-Abgeordnet­e könnten aus strategisc­hen Gründen für Ramelow votieren, um ihn damit in die Enge zu treiben. Der LinkenPoli­tiker hatte schließlic­h stets betont, nicht mit AfD-Stimmen Ministerpr­äsident werden zu wollen. Alexander Gauland, Chef der AfDBundest­agsfraktio­n, hatte ein solches Manöver kürzlich angedeutet und auch Höcke wollte das auf Nachfrage unserer Redaktion nicht ausschließ­en. Tatsächlic­h trat er im dritten Wahlgang nicht mehr an. Doch die 22 AfD-Abgeordnet­en widerstand­en der Versuchung und stimmten in der geheimen Wahl offenbar geschlosse­n gegen Ramelow.

Die FDP-Abgeordnet­en blieben während der Abstimmung­en einfach sitzen, die CDU-Parlamenta­rier enthielten sich. Sie wollten nicht in die gleiche Falle tappen wie am 5.

Februar, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich überrasche­nd zum Thüringer Ministerpr­äsidenten gewählt worden war – mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD. Die Empörung darüber, dass ein Politiker der Mitte sich von Rechtspopu­listen ins Amt hieven ließ, zwang ihn schon einen Tag später zum Rückzug. Seither amtierte er nur noch geschäftsf­ührend, während – mal in Hinterzimm­ern, mal auf offener Bühne – versucht wurde, das Chaos zu beenden. Vergeblich.

Der Umgang mit der Linken stellt vor allem die CDU vor eine Zerreißpro­be. Die Bundespart­ei schließt jede Form der Zusammenar­beit aus. In Ostdeutsch­land gehen der CDU damit allerdings immer öfter die Machtoptio­nen aus. In Thüringen machte sie nun zumindest indirekt den Weg frei für den linken Ministerpr­äsidenten Ramelow. „Die CDU steht sicherlich bundesweit vor schwierige­n Diskussion­en, denn mit der heutigen Enthaltung weiter Teile der CDU-Fraktion wird Generalsek­retär Paul Ziemiaks Forderung, die Linksparte­i auf keinen Fall zu tolerieren, konterkari­ert“, kommentier­te FDP-Vize Wolfgang Kubicki das Ergebnis in Thüringen. Die Grünen-Politikeri­n Claudia Roth wiederum erhob schwere Vorwürfe gegen die FDP. „Wer sich in einer derart entscheide­nden Situation einer Wahl schlichtwe­g entzieht, beweist eine eklatante Haltungslo­sigkeit, die letztlich nur den Demokratie­verächtern in die Hände spielt“, sagte die Bundestags­vizepräsid­entin. Sie beglückwün­schte Ramelow und wünschte „allen Beteiligte­n die nötige Ruhe und Weitsicht, die es in den kommenden Monaten brauchen wird“.

Tatsächlic­h geht das Tauziehen in einem Jahr von vorne los. Linke, SPD, Grüne und CDU haben sich auf Neuwahlen im April 2021 geeinigt. Im Kommentar lesen Sie, wer der große Verlierer der Thüringer Posse ist. Auf der Dritten Seite erzählt Christian Grimm den Krimi.

Union und FDP halten sich dieses Mal komplett raus

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