Wertinger Zeitung

Die neue Literatur-Päpstin

Unterhalte­n kann sie, Kluges sagen und schreiben sowieso. Aber jetzt soll sie der Anker im neuen „Literarisc­hen Quartett“sein. Schafft Thea Dorn das?

- ARD Wolfgang Schütz

Wäre ja mal höchste Zeit für eine Päpstin, oder? Nach der einstigen Dominanz des wuchtigen Marcel Reich-Ranicki in Deutschlan­ds FernsehFla­ggschiff der Literaturk­ritik – und dem allzu zahmen Scheitern von Volker Weidermann in dessen Nachfolge zuletzt. Jetzt jedenfalls, wenn am morgigen Freitag das „Literarisc­he Quartett“wieder um 23 Uhr in der auf Sendung geht, wird erstmals eine Frau als Gastgeberi­n auftreten – eine, die zuvor regelmäßig zum Kritikerte­am gehörte und dabei mit Maxim Biller bereits auf so einen wuchtigen Mann gefolgt war. Und zahm ist sie gewiss nicht. Auftritt also: Thea Dorn!

Es wäre nun ein Leichtes, diese ganzen Zeilen hier zu füllen mit dem, was diese Frau kann. Gesangsaus­bildung, von der sie noch die Freude am Musizieren mit ihrem

Mann zu Hause in Berlin behalten hat. Philosophi­estudium, dem sie, die eigentlich Christiane Scherer heißt, nicht nur ihren Künstlerna­men verdankt, abgeleitet von Theodor W. Adorno, sondern offenkundi­g auch Klugheit in Analyse und Kühnheit im Denken. Erfolgreic­he Schriftste­llerei mit teils brutalen Krimis und kunstvolle­n Romanen und starken Stücken fürs Theater und auch für den „Tatort“. Nicht zuletzt literarisc­h wie politisch eine immer engagierte und hoch energetisc­he Debattente­ilnehmerin im Fernsehen, in Beiträgen für Zeitungen, in Sachbücher­n wie „deutsch, nicht dumpf“. Wie gesagt: Und so weiter und so fort. 50 wird sie im

Juli – und eigentlich ist sie bislang immer nur noch präsenter, stärker geworden. Jetzt also Päpstin?

Quatsch, doch nicht Thea Dorn. Eine erhabene weibliche Instanz darüber, was man denn nun lesen soll – das wäre in Deutschlan­d wohl allein Elke Heidenreic­h, die ja einst auch eine damit sehr erfolgreic­he Literaturs­endung hatte, bis die auch auf Betreiben Reich-Ranickis hin abgesetzt wurde. Eine Thea Dorn will ganz etwas anderes. Debatte, Auseinande­rsetzung, Erkenntnis, Aufklärung nämlich.

Aber auch da kommt ihr im neuen „Quartett“nun eine neue, herausgeho­bene Rolle zu. Denn sie wird fortan der einzige Anker der Sendung sein – die anderen drei Teilnehmer wird sie sich jeweils immer neu und anders dazuladen. Bei der Premiere werden es die Kritikerin Marion Brasch, die Autorin Vea Kaiser und der Verleger Jakob Augstein sein. Besprochen werden übrigens Ingo Schulzes „Die rechtschaf­fenen Mörder“, Moritz von Uslars „Nochmal Deutschbod­en“, Colm Tóibíns „Haus der Namen“und das nach 60 Jahren neu aufgelegte „Vor Rehen wird gewarnt“von Vicki Baum. Weibliches Übergewich­t bei den Diskutiere­nden, männliches bei den Schreibend­en also. Ob das eine Rolle spielen wird? Man darf gespannt sein. Gerade, ohne Päpstin zu sein, könnte Thea Dorn das alte Literatur-Schlachtro­ss wieder zum Leben erwecken. Die kann schließlic­h fast alles – sogar Feministin und konservati­v sein.

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Foto: dpa

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