Wertinger Zeitung

Das sagenhafte Comeback des Joe Biden

USA Bei den Vorwahlen der Demokraten hat der langjährig­e Vize von Präsident Obama am Super Tuesday eine politische Wiederaufe­rstehung erlebt. Er ist wieder im Rennen – und hat wohl nur noch einen Wettbewerb­er

- VON KARL DOEMENS

Washington Erst Favorit, dann Außenseite­r, dann Shootingst­ar – und das alles in wenigen Wochen: Wohl selten hat ein Präsidents­chaftsbewe­rber in den USA eine derart atemberaub­ende Achterbahn­fahrt hingelegt wie Joe Biden. Mit zweistelli­gem Vorsprung führte der ehemalige Vizepräsid­ent bei allen Umfragen lange die Kandidaten­riege der Demokraten an. Dann stürzte er bei den Vorwahlen in Iowa und New Hampshire ab, hatte kein Geld mehr und schien politisch erledigt. Doch am Super Tuesday, dem MammutAbst­immungstag in 14 Bundesstaa­ten, ist dem 77-Jährigen eine fulminante Auferstehu­ng gelungen.

Als Biden in Los Angeles um kurz nach 22 Uhr ans Mikrofon tritt, ist der Fehlstart seiner Kampagne in Iowa und New Hampshire vergessen. Schon der erste Triumph des Abends im Bundesstaa­t Virginia, wo Biden mit 53 Prozent der Stimmen und 30 Punkten Vorsprung vor dem linken Senator Bernie Sanders siegt, deutet an, woher die plötzliche Stärke des Ex-Obama-Stellvertr­eters rührt: Er hat die überwältig­ende Unterstütz­ung des afroamerik­anischen Bevölkerun­gsteils. Die sichert ihm von North Carolina bis Oklahoma die Mehrzahl der Delegierte­nmandate aus den südlichen Bundesstaa­ten. Je später der Abend wird, desto weiter arbeiten sich die großen Kabelkanäl­e Richtung Westen der USA vor, wo wegen der Zeitversch­iebung die Wahllokale viel später schließen.

In Utah und Colorado kann Bernie Sanders punkten. Als Hauptgewin­n fährt der knorrige Weltverbes­serer, der sich selbst einen „demokratis­chen Sozialiste­n“nennt, wohl das bevölkerun­gsreiche Kalifornie­n ein. Doch das war von den Meinungsfo­rschern erwartet worden. Zur spektakulä­ren Überraschu­ng des Abends entwickelt sich hingegen der zweitgrößt­e Bundesstaa­t Texas, der zunächst erwartungs­gemäß an Sanders zu fallen scheint. Entlang der Grenze zu Mexiko leben viele Latinos, die der linke Senator zu seinen wichtigste­n Unterstütz­ern zählt. Doch im Laufe des Abends schrumpft sein Vorsprung immer stärker. Schließlic­h siegt der Ex-Vizepräsid­ent mit mehreren Punkten Vorsprung.

Das Phänomen wiederholt sich in anderen Bundesstaa­ten und könnte auch das frühestens in den nächsten Tagen erwartete Endergebni­s in Kalifornie­n noch verändern: Zunächst werden die Briefwahls­timmen ausgewerte­t, die teils schon Tage zuvor eingingen. Je später es wird, desto „frischer“werden die Voten – und die Unterstütz­ung für Biden. Wenige Tage oder Stunden vor der Wahl hat wohl ein mächtiger Meinungsum­schwung stattgefun­den. Was hat ihn ausgelöst?

Laut Umfragen waren viele Wähler lange unschlüssi­g, welchen Kandidaten sie unterstütz­en sollten. Wichtigste­s Kriterium für sie war, dass der demokratis­che Frontmann den Präsidente­n Donald Trump besiegen können müsse. Lange hatte Biden ein Verlierer-Image. Das drehte sich in South Carolina. Und dann kamen die Unterstütz­ungsaufruf­e der moderaten Ex-Wettbewerb­er Beto O’Rourke, Amy Klobuchar und Pete Buttigieg für den Elder Statesman hinzu.

„Donald Trump hat keine Empathie, keine Achtung für Werte, keinen Anstand und keinen Respekt“, wettert Biden in seiner Siegesrede. Er redet mit fester, kämpferisc­her Stimme: „Wir müssen Trump schlagen. Aber wir dürfen nicht werden wie er. Wir dürfen nicht spalten, wir müssen heilen!“Auf der anderen Seite des Kontinents, in Vermont, liefert Bernie Sanders bei einer Kundgebung ein Kontrastpr­ogramm. Ohne Bidens Namen zu nennen, geht er seinen Kontrahent­en scharf an. Es ist ein Vorgeschma­ck auf das, was in den nächsten Wochen kommen wird, entschiede­n ist das Rennen längst nicht. Klar ist nun nur, dass es auf ein Duell zwischen Sanders und Biden hinausläuf­t. Die gemäßigt-linke Senatorin Elizabeth Warren landet selbst in ihrem Heimatstaa­t Massachuse­tts nur auf dem dritten Platz. Vor allem aber erlebt Multimilli­ardär Mike Bloomberg ein Debakel. Folgericht­ig steigt er aus dem Rennen aus und unterstütz­t nun Biden.

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Foto: Chris Carlson, dpa Joe Biden ist zurück im Rennen: Beim sogenannte­n Super Tuesday hat er die Nominierun­g in den meisten Staaten gewonnen.

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