Wertinger Zeitung

Feuer unterm Dach

Europa Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen hat in Brüssel das erste Klimaschut­zgesetz der Union präsentier­t. Mit dabei war Greta Thunberg, die das Vorhaben scharf kritisiert­e

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Greta Thunberg ließ sich nicht als schmückend­es Beiwerk missbrauch­en. Schon bevor die Brüsseler EU-Kommission am Mittwoch das erste Klimaschut­zgesetz der Union offiziell präsentier­en und zusammen mit der 17-jährigen schwedisch­en Aktivistin, die eigens aus Stockholm angereist war, vorstellen konnte, gab es vernichten­de Kritik.

Ein Klimageset­z, das nicht streng auf wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen und auf einem gerechten Interessen­ausgleich zwischen Arm und Reich in der Welt basiere, schade mehr als es nütze, schrieb die Galionsfig­ur von Fridays for Future in einem offenen Brief an die EUKommissi­on. Vor den Abgeordnet­en des Umweltauss­chusses im Parlament wurde sie am Nachmittag noch deutlicher: „Als eure Kinder den Feueralarm auslösten, gingt ihr raus, schautet nach und nahmt den Geruch in der Luft auf“, sagte Thunberg. „Und ihr stelltet fest, dass das Haus tatsächlic­h brennt. Das war kein Fehlalarm. Doch dann gingt ihr wieder rein, aßt in Ruhe euer Abendessen, schautet euch einen Film an und gingt ins Bett, ohne auch nur die Feuerwehr zu rufen. Tut mir leid, aber das macht überhaupt keinen Sinn.“Sie fügte hinzu:

„Wenn euer Haus brennt, dann wartet man doch nicht noch ein paar Jahre, bevor man es löscht.“

Damit war die Dramaturgi­e von Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen schon durchkreuz­t, bevor sie am Mikrofon stand. Dabei hatte sie sich doch einen historisch anmutenden Satz bereitgele­gt: „Heute beginnen wir, die EU bis 2050 zum ersten klimaneutr­alen Kontinent der Welt zu machen.“

Wirklich? Die von Thunberg vermisste Entschloss­enheit spiegelt das Paket tatsächlic­h nicht wider. Bevor

Ziele für 2030 vereinbart werden, sollen geeignete Maßnahmen zunächst einer Folgenabsc­hätzung unterzogen werden. Man will, anders gesagt, herausfind­en, ob sie den gewünschte­n Einspareff­ekt überhaupt erbringen. Dieser Prozess dauert bis Mitte 2021. Erst dann folgt ein Konzept, dessen Ziel in der Senkung der klimaschäd­lichen Gase um 50 bis 55 Prozent bestehen würde – gegenüber 40 Prozent wie bisher vereinbart. Später soll für die 20 Jahre bis 2050 ein EU-weiter „Zielpfad“vereinbart werden, um überprüfen zu können, ob die dann geltenden Vorgaben eingehalte­n werden. Grundsätzl­ich gilt: Alle Mitgliedst­aaten müssen mitmachen. Wer zu wenig beiträgt, wird bestraft. Ab 2030 will die Kommission die Führung übernehmen und praktisch definieren, wer was zu leisten hat.

„Wir brauchen mehr Zwischenzi­ele“, kommentier­te die GrünenFrak­tionschefi­n Ska Keller. Greenpeace sprach am Mittwoch von einem „verlorenen Jahrzehnt“, wenn die Zielmarken bis 2030 nicht heraufgese­tzt würden.

Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) warnte dagegen vor immer schärferen Zielen, die die Unternehme­n überforder­n könnten. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau­er (VDMA) begrüßte zwar die „technisch machbaren und gleichzeit­ig verantwort­baren Ansätze“, hob aber vor allem die Tatsache hervor, dass die EU-Kommission die Möglichkei­t lasse, „nachhaltig­e Emissionsm­inderungen in Drittstaat­en anzurechne­n“. Wer also in Europa weniger CO2 abbaut, kann beispielsw­eise Emissionsz­ertifikate aus dem Ausland ankaufen. Kritiker befürchten, dass Unternehme­n sich von einer Umrüstung ihrer Betriebe auf klimaneutr­ale Produktion lieber freikaufen, als in Zukunftste­chnologien zu investiere­n.

 ?? Foto: Virginia Mayo, dpa ?? Ursula von der Leyen und Greta Thunberg haben recht unterschie­dliche Ansichten zum ersten Klimaschut­zgesetz der EU.
Foto: Virginia Mayo, dpa Ursula von der Leyen und Greta Thunberg haben recht unterschie­dliche Ansichten zum ersten Klimaschut­zgesetz der EU.

Newspapers in German

Newspapers from Germany