Künstliche Intelligenz gegen Verkehrsunfälle
Mobilität Mehr Sicherheit auf deutschen Straßen sollen in der Zukunft selbstständig fahrende Autos bringen. Auf der A8 werden sie bald getestet. Um Risiken zu minimieren, fordert der TÜV Kontrollen und Zugang zu den Softwaredaten
Augsburg/Berlin Es ist ein Traum, den Ingenieure seit vielen Jahren haben: selbstfahrende Fahrzeuge. Sie sollen Straßen sicherer machen und Autofahrer entlasten. Die ersten Versuche auf deutschen Straßen hat der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bereits vor einigen Tagen angekündigt. Auch auf der A8 zwischen München/Eschenried und Leipheim will der CSU-Politiker künftig automatisierte und autonome Fahrzeuge testen lassen.
Ein intelligentes Auto, das beim Fahren unterstützen kann, wünschen sich nach der neuen Mobility Studie des TÜV-Verbands inzwischen zwei von drei Deutschen. Tempomat, Spurhalteassistent und Einparkhilfe verwandeln das Auto bereits seit einigen Jahren in einen modernen Computer auf vier Rädern. Dem Fahrzeug komplett die Kontrolle überlassen und auf autonomes Fahren zu setzen, das ist für viele Menschen allerdings noch unvorstellbar. „Ganz das Steuer loslassen, das möchten die Wenigsten“, sagt Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands bei der Präsentation der Studie. In brenzligen Situationen wollen die meisten Fahrer weiterhin die Möglichkeit haben, selbst einzugreifen. Prinzipiell, so Bühler, sei das Vertrauen in autonome Fahrzeuge in Deutschland dennoch verhältnismäßig groß.
Viele Befragten hoffen durch die zunehmende Automatisierung im Straßenverkehr vor allem auf sinkende Unfallzahlen. Dafür muss jedoch die Software einwandfrei funktionieren. Neun von zehn Befragten sprechen sich nach Angaben der Mobility Studie des TÜVs für eine regelmäßige Überprüfung von KISystemen im Auto aus. „Künftig sind deshalb neben Mechanik und Rost auch Bits und Bytes bei der Untersuchung eines Fahrzeugs wichtig“, betont der Geschäftsführer des TÜV-Verbands. Unabhängige Anlaufstellen, sogenannte „Trust Center“, müssen Zugang zu sicherheits- und umweltrelevanter Software der Hersteller bekommen, um die entsprechenden Daten analysieren zu können, fordert er. Als Grundlage dafür solle der Gesetzgeber konkrete Prüfvorschriften einführen. Tests sollen nicht mehr nur alle zwei Jahre, wie bei der Hauptuntersuchung durch den TÜV, sondern in kürzeren Abständen stattfinden. „Software-Updates können die Eigenschaften eines Fahrzeugs stark verändern“, erläutert Bühler. Deshalb brauche es nach jedem Update
eine neue Sicherheitsprüfung. Eventuelle Fehler, wie beim DieselSkandal, könnten so rechtzeitig erkannt werden.
Dass das autonome Fahren viele Vorteile bringt, weiß auch der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer. „Aktuell entwickeln viele Autobauer eigene Systeme in diesem Bereich“, sagt er. Als Beispiel nennt er auch den amerikanischen Hersteller „Tesla“. Über einen eigenen Computer-Chip wolle der Autobauer sämtliche Funktionen und damit auch alle Bauteile für automatisiertes Fahren kontrollieren, erklärt Dudenhöffer. Der Umstand, dass die Anzahl der Verkehrsunfälle durch automatisiertes und autonomes Fahren reduziert werden könnte, steht für ihn außer Frage. Ein Blick auf die Statistik zeige, dass mehr als 90 Prozent der Unfälle im Straßenverkehr klar auf Fehlern der Fahrer basieren. Die Angst davor, dass „Roboter-Autos“, wie der Professor sie nennt, andere Risiken bringen, kann er nicht ausschließen. Eine besondere Verwundbarkeit durch Hacker befürchtet er allerdings nicht. In Tests sind zwar Fahrzeuge bereits gehackt worden. In Versuchen konnten Hacker sogar Bremsen manipulieren oder den Motor ausschalten. Umgekehrt gehen die Softwareanbieter fortlaufend gegen Sicherheitslücken vor, um Angriffe unmöglich zu machen. Damit steht Dudenhöffers Fazit fest: Die Vorteile durch das autonome Fahren überwiegen. Dass zwischen Hackern und Softwareanbietern ein ständiges Wettrennen herrsche, zeigten auch andere Beispiele. Bei Handy- und Computersoftware würden Sicherheitsupdates ebenfalls kontinuierlich ausgebessert.
Eine zusätzliche Software-Kontrolle durch den TÜV, hält der Experte nur bedingt für geeignet. „Sinnvoller ist es, wenn speziell ausgebildete Fachleute aus Tech-Unternehmen das übernehmen“, betont er. Generell Einblicke in die Software der verschiedenen Autobauer zu fordern, sieht er kritisch: „Damit besteht die Gefahr, dass Unternehmen ihr sehr teuer aufgebautes Know-how nicht ausreichend schützen können.“Stattdessen, sagt Dudenhöffer, müsste es andere Wege geben. Für besser halte er umfassende Produkthaftungsregeln für Unternehmen, wenn Fehler nicht erkannt oder absichtlich vertuscht werden. Dass Volkswagen in den USA wegen des Diesel-Skandals hohe Strafzahlungen leisten müsse, sei tausendmal wertvoller als separat durchgeführte Softwaretests im Hintergrund. Wie bei anderen Produkten auch, müsse der Hersteller gewährleisten, dass das Fahrzeug und die Software einwandfrei funktionierten. Bei einem Smartphone müsste auch nicht nach jedem Update das Gerät überprüft werden, um zu verhindern, dass etwa die Batterie brenne, sagt er. Außerdem gibt Dudenhöffer zu bedenken, dass die Kosten zusätzlicher Prüfungen, wie sie der TÜV anstrebt, abgewälzt werden. „Der Kunde bezahlt die Rechnung, also sollte er entscheiden“, sagt er. Firmen können ihre Produkte prüfen lassen oder mit einem breiten Haftungsrecht den Kunden überzeugen.