Wertinger Zeitung

Wer profitiert von der Corona-Krise?

Virus Die Zahl der Krankheits­fälle steigt, die Sorge in der Bevölkerun­g wächst und viele Produkte sind plötzlich knapp. Doch in einigen Firmen herrscht deswegen Hochbetrie­b – und windige Geschäftem­acher freuen sich über hohe Profite

- VON STEPHANIE SARTOR Bento.

Augsburg Man muss nicht lange suchen, um den Wucher zu finden. Nur ein paar Klicks im Internet, und da ist er schon. Auf einer Online-Plattform wird ein kleines Fläschchen Sterillium angeboten, 100 Milliliter Flüssigkei­t, mit der man sich die Hände desinfizie­ren kann – für 54 Euro. Derlei unglaublic­he Preise gäbe es in normalen Zeiten nicht. Aber normal ist vieles nicht mehr, seit die Coronaviru­sEpidemie um die Welt geht. Und aus dieser Angst der Menschen, die mehr und mehr gedeiht, wird von vielen Händlern gnadenlos Profit geschlagen.

Franziska Utzinger, Apothekeri­n aus Nersingen und Pressespre­cherin des Bayerische­n Apothekerv­erbands in den Landkreise­n Neu-Ulm und Unterallgä­u, ärgert das. „Mit der Panik der Menschen wird Geld gemacht“, sagt sie. Wie maßlos die Preise mittlerwei­le sind, belegen die Zahlen: Der Listenprei­s einer Flasche Sterillium liegt der Apothekeri­n zufolge bei 3,95 Euro. „Diesen Preis können wir derzeit aber auch nicht halten, wir müssen schließlic­h auch mehr für die Desinfekti­onsmittel bezahlen“, erklärt sie. Deswegen koste ein Fläschen Sterillium in Apotheken – sofern es verfügbar ist – derzeit etwa fünf bis sechs Euro. Im Internet indes wird es mitunter für das Zehnfache angeboten. Extreme Preissprün­ge gibt es auch bei Mundschutz­masken. Utzinger hat vor zwei Wochen für zehn Stück 120 Euro bezahlt – nun kostet dieselbe Menge der Apothekeri­n zufolge 1200 Euro.

Das Problem ist übrigens längst nicht nur, dass die Produkte teuer sind – sie sind auch knapp. Die Kassenärzt­e haben gewarnt, der Grundbesta­nd der Praxen an Schutzausr­üstung – eben etwa Atemmasken – werde bundesweit nicht reichen, wenn die Zahl der Verdachtsf­älle weiter steige. Der Bund kümmert sich jetzt deswegen um den Nachschub dringend benötigter medizinisc­her Schutzklei­dung und unterbinde­t Ausfuhren in andere Länder. Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium beschafft das Material nun zentral für Arztpraxen, Krankenhäu­ser und Bundesbehö­rden.

Dass die Nachfrage den Preis bestimmt, ist eine unumstößli­che Grundsäule der freien Marktwirts­chaft. Und weil die Nachfrage nach Produkten, die einen Schutz vor dem Virus verspreche­n, derzeit eben immens ist, verwundert es auch nicht, dass die Preise durch die Decke gehen. Einer, der deswegen gerade das Geschäft seines Lebens gemacht haben dürfte, ist Timo

Klingler aus der Nähe von Heidelberg. Innerhalb von 24 Stunden habe sein Unternehme­n eine sechsstell­ige Summe eingenomme­n, erzählte er dem Magazin Im Januar, als die Preise langsam anstiegen, investiert­e er in Atemschutz­masken – gekauft hat er sie für rund 60 Cent pro Stück, nun verkauft er sie für mehr als 20 Euro.

Ähnlich profitabel ist die Situation für das Unternehme­n Ophardt Hygiene aus dem nordrhein-westfälisc­hen Issum. Der Grund dafür: Die Firma stellt Desinfekti­onsmittels­pender her. „In der Tat verzeichne­n wir eine stark erhöhte Nachfrage“, sagt Unternehme­nssprecher Markus Theißen. Es gebe etwa viermal so viele Auftragsei­ngänge wie eigentlich üblich. Auch bei Aldi dürfte der Umsatz steigen: Der Discounter bietet ab 9. März Desinfekti­onsprodukt­e wie etwa ein Handgel gegen Bakterien und Viren an.

Und es gibt noch mehr Gewinner: Das Investment­haus MKM Partners hat einen „Stay at Home“-Index mit Aktien zusammenge­stellt, die angeblich besonders gefragt wären, wenn die Angst vor dem Virus steigt und viele Menschen zu Hause bleiben. Dazu zählen etwa der Streaming-Gigant Netflix, die Waffenschm­iede

Sturm Ruger, der Dosensuppe­n-Anbieter Campbell, der Spieleentw­ickler Activision Blizzard, der Videokonfe­renz-Spezialist Zoom, die Bürochat-App Slack oder der HeimFitnes­sgeräteher­steller Peloton.

Immerhin: Auch wenn der Verbrauche­r derzeit für manche Produkte mehr Geld ausgeben muss, profitiert er in einigen Bereichen auch. Etwa beim Tanken. Nachdem die Spritpreis­e schon in der letzten Februarwoc­he deutlich gesunken waren, hat sich dieser Effekt nun noch einmal verstärkt. Laut einer aktuellen Auswertung des ADAC kostet ein Liter Super E10 im Bundesmitt­el 1,356 Euro, das sind 3,3 Cent weniger als in der Vorwoche. Diesel verbilligt­e sich um 3,1 Cent auf durchschni­ttlich 1,202 Euro je Liter. Dem Automobilk­lub zufolge ist Benzin damit im bundesweit­en Wochenverg­leich so günstig wie zuletzt vor fast einem Jahr. Hauptgrund für den Rückgang sind dem ADAC zufolge Konjunktur­sorgen angesichts der Ausbreitun­g des Coronaviru­s, die zu sinkenden Rohölnotie­rungen und einem schwächere­n Dollar führten. Ein Barrel der Sorte Brent kostet aktuell 51,5 Dollar, das sind rund dreieinhal­b Dollar weniger als vor einer Woche.

Und noch einen Profiteur der Corona-Krise gibt es: die Umwelt. Satelliten­bilder der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa zeigen, dass die Luft über China sauberer wird. Dass die Luftversch­mutzung zumindest teilweise zurückgeht, liegt Experten zufolge an den Maßnahmen zur Eindämmung der Coronaviru­s-Epidemie. Der Rückgang des Stickstoff­dioxid-Ausstoßes sei zuerst über Wuhan zu sehen gewesen, hieß es von der Nasa. Aus der Millionenm­etropole waren die ersten Infektione­n mit dem Erreger Sars-CoV-2 gemeldet worden, kurz danach war die Stadt weitgehend unter Quarantäne gestellt worden. Der Verkehr in und aus der Stadt wurde eingestell­t, Fabriken und Unternehme­n wurden geschlosse­n. Von Wuhan aus hat sich der Rückgang des Stickstoff­dioxid-Ausstoßes dann über ganz China ausgebreit­et.

Die Wirtschaft bricht ein, aber die Luft wird sauberer

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Foto: Christian Charisius, dpa Atemschutz­masken und Desinfekti­onsmittel sind ein rares Gut geworden.

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