Wer profitiert von der Corona-Krise?
Virus Die Zahl der Krankheitsfälle steigt, die Sorge in der Bevölkerung wächst und viele Produkte sind plötzlich knapp. Doch in einigen Firmen herrscht deswegen Hochbetrieb – und windige Geschäftemacher freuen sich über hohe Profite
Augsburg Man muss nicht lange suchen, um den Wucher zu finden. Nur ein paar Klicks im Internet, und da ist er schon. Auf einer Online-Plattform wird ein kleines Fläschchen Sterillium angeboten, 100 Milliliter Flüssigkeit, mit der man sich die Hände desinfizieren kann – für 54 Euro. Derlei unglaubliche Preise gäbe es in normalen Zeiten nicht. Aber normal ist vieles nicht mehr, seit die CoronavirusEpidemie um die Welt geht. Und aus dieser Angst der Menschen, die mehr und mehr gedeiht, wird von vielen Händlern gnadenlos Profit geschlagen.
Franziska Utzinger, Apothekerin aus Nersingen und Pressesprecherin des Bayerischen Apothekerverbands in den Landkreisen Neu-Ulm und Unterallgäu, ärgert das. „Mit der Panik der Menschen wird Geld gemacht“, sagt sie. Wie maßlos die Preise mittlerweile sind, belegen die Zahlen: Der Listenpreis einer Flasche Sterillium liegt der Apothekerin zufolge bei 3,95 Euro. „Diesen Preis können wir derzeit aber auch nicht halten, wir müssen schließlich auch mehr für die Desinfektionsmittel bezahlen“, erklärt sie. Deswegen koste ein Fläschen Sterillium in Apotheken – sofern es verfügbar ist – derzeit etwa fünf bis sechs Euro. Im Internet indes wird es mitunter für das Zehnfache angeboten. Extreme Preissprünge gibt es auch bei Mundschutzmasken. Utzinger hat vor zwei Wochen für zehn Stück 120 Euro bezahlt – nun kostet dieselbe Menge der Apothekerin zufolge 1200 Euro.
Das Problem ist übrigens längst nicht nur, dass die Produkte teuer sind – sie sind auch knapp. Die Kassenärzte haben gewarnt, der Grundbestand der Praxen an Schutzausrüstung – eben etwa Atemmasken – werde bundesweit nicht reichen, wenn die Zahl der Verdachtsfälle weiter steige. Der Bund kümmert sich jetzt deswegen um den Nachschub dringend benötigter medizinischer Schutzkleidung und unterbindet Ausfuhren in andere Länder. Das Bundesgesundheitsministerium beschafft das Material nun zentral für Arztpraxen, Krankenhäuser und Bundesbehörden.
Dass die Nachfrage den Preis bestimmt, ist eine unumstößliche Grundsäule der freien Marktwirtschaft. Und weil die Nachfrage nach Produkten, die einen Schutz vor dem Virus versprechen, derzeit eben immens ist, verwundert es auch nicht, dass die Preise durch die Decke gehen. Einer, der deswegen gerade das Geschäft seines Lebens gemacht haben dürfte, ist Timo
Klingler aus der Nähe von Heidelberg. Innerhalb von 24 Stunden habe sein Unternehmen eine sechsstellige Summe eingenommen, erzählte er dem Magazin Im Januar, als die Preise langsam anstiegen, investierte er in Atemschutzmasken – gekauft hat er sie für rund 60 Cent pro Stück, nun verkauft er sie für mehr als 20 Euro.
Ähnlich profitabel ist die Situation für das Unternehmen Ophardt Hygiene aus dem nordrhein-westfälischen Issum. Der Grund dafür: Die Firma stellt Desinfektionsmittelspender her. „In der Tat verzeichnen wir eine stark erhöhte Nachfrage“, sagt Unternehmenssprecher Markus Theißen. Es gebe etwa viermal so viele Auftragseingänge wie eigentlich üblich. Auch bei Aldi dürfte der Umsatz steigen: Der Discounter bietet ab 9. März Desinfektionsprodukte wie etwa ein Handgel gegen Bakterien und Viren an.
Und es gibt noch mehr Gewinner: Das Investmenthaus MKM Partners hat einen „Stay at Home“-Index mit Aktien zusammengestellt, die angeblich besonders gefragt wären, wenn die Angst vor dem Virus steigt und viele Menschen zu Hause bleiben. Dazu zählen etwa der Streaming-Gigant Netflix, die Waffenschmiede
Sturm Ruger, der Dosensuppen-Anbieter Campbell, der Spieleentwickler Activision Blizzard, der Videokonferenz-Spezialist Zoom, die Bürochat-App Slack oder der HeimFitnessgerätehersteller Peloton.
Immerhin: Auch wenn der Verbraucher derzeit für manche Produkte mehr Geld ausgeben muss, profitiert er in einigen Bereichen auch. Etwa beim Tanken. Nachdem die Spritpreise schon in der letzten Februarwoche deutlich gesunken waren, hat sich dieser Effekt nun noch einmal verstärkt. Laut einer aktuellen Auswertung des ADAC kostet ein Liter Super E10 im Bundesmittel 1,356 Euro, das sind 3,3 Cent weniger als in der Vorwoche. Diesel verbilligte sich um 3,1 Cent auf durchschnittlich 1,202 Euro je Liter. Dem Automobilklub zufolge ist Benzin damit im bundesweiten Wochenvergleich so günstig wie zuletzt vor fast einem Jahr. Hauptgrund für den Rückgang sind dem ADAC zufolge Konjunktursorgen angesichts der Ausbreitung des Coronavirus, die zu sinkenden Rohölnotierungen und einem schwächeren Dollar führten. Ein Barrel der Sorte Brent kostet aktuell 51,5 Dollar, das sind rund dreieinhalb Dollar weniger als vor einer Woche.
Und noch einen Profiteur der Corona-Krise gibt es: die Umwelt. Satellitenbilder der US-Raumfahrtbehörde Nasa zeigen, dass die Luft über China sauberer wird. Dass die Luftverschmutzung zumindest teilweise zurückgeht, liegt Experten zufolge an den Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Epidemie. Der Rückgang des Stickstoffdioxid-Ausstoßes sei zuerst über Wuhan zu sehen gewesen, hieß es von der Nasa. Aus der Millionenmetropole waren die ersten Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 gemeldet worden, kurz danach war die Stadt weitgehend unter Quarantäne gestellt worden. Der Verkehr in und aus der Stadt wurde eingestellt, Fabriken und Unternehmen wurden geschlossen. Von Wuhan aus hat sich der Rückgang des Stickstoffdioxid-Ausstoßes dann über ganz China ausgebreitet.
Die Wirtschaft bricht ein, aber die Luft wird sauberer